Gemeinsam wachsen und experimentieren

Our Emotional Participation in the World
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Interview
Published On:

October 28, 2024

Featuring:
Vivian Dittmar
Lina Duppel
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Issue:
Ausgabe 44 / 2024
|
October 2024
Gemeinsame Gegenwärtigkeit
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Die Lebensweise Community

In der Lebensweise Community wird online, in Regionalgruppen und Community-Treffen ein neues Miteinander gelebt und erprobt. Wir sprachen mit der Impulsgeberin Vivian Dittmar und der Community-Hüterin Lina Duppel über die Chancen und Risiken von Gemeinschaft.

evolve: Was ist die Vision der Lebensweise Community?

Vivian Dittmar: Der Wunsch ist es, einen Kulturimpuls in die Gesellschaft zu senden. Jedes meiner Bücher und jede meiner Veranstaltungen ist so ein Kulturimpuls. Dabei entstand die Idee, ein größeres Feld zu gestalten, wo Menschen mit diesen Kulturimpulsen in Beziehung gehen können.

Durch das Medium einer Online-Community wollen wir diesen Kulturimpuls dezentral streuen. Ich habe schon einmal eine Gemeinschaft gegründet, in der Menschen an einem Ort zusammengelebt haben. Diesmal möchte ich zunächst den Kulturimpuls dezentral stärker werden lassen und ihn an verschiedenen Orten aus der virtuellen Welt wieder in die echte Welt übertragen.

Viele Menschen sehen, dass wir für den Kulturwandel mehr Gemeinschaft brauchen, aber viele Gemeinschaftsgründungen scheitern an den fehlenden Kulturkompetenzen. Unsere Idee ist: Wie wäre es, wenn wir zuerst die Kulturkompetenzen aufbauen und dann Gemeinschaften vor Ort gründen?

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Die Lebensweise Community

In der Lebensweise Community wird online, in Regionalgruppen und Community-Treffen ein neues Miteinander gelebt und erprobt. Wir sprachen mit der Impulsgeberin Vivian Dittmar und der Community-Hüterin Lina Duppel über die Chancen und Risiken von Gemeinschaft.

evolve: Was ist die Vision der Lebensweise Community?

Vivian Dittmar: Der Wunsch ist es, einen Kulturimpuls in die Gesellschaft zu senden. Jedes meiner Bücher und jede meiner Veranstaltungen ist so ein Kulturimpuls. Dabei entstand die Idee, ein größeres Feld zu gestalten, wo Menschen mit diesen Kulturimpulsen in Beziehung gehen können.

Durch das Medium einer Online-Community wollen wir diesen Kulturimpuls dezentral streuen. Ich habe schon einmal eine Gemeinschaft gegründet, in der Menschen an einem Ort zusammengelebt haben. Diesmal möchte ich zunächst den Kulturimpuls dezentral stärker werden lassen und ihn an verschiedenen Orten aus der virtuellen Welt wieder in die echte Welt übertragen.

Viele Menschen sehen, dass wir für den Kulturwandel mehr Gemeinschaft brauchen, aber viele Gemeinschaftsgründungen scheitern an den fehlenden Kulturkompetenzen. Unsere Idee ist: Wie wäre es, wenn wir zuerst die Kulturkompetenzen aufbauen und dann Gemeinschaften vor Ort gründen?

e: Welche Qualitäten sind euch in dieser neuen Kultur wichtig?

VD: Es ist eine Kultur, in der es um Rückverbindung geht, die innere Rückverbindung, aber auch die Rückverbindung zueinander. Wir brauchen Räume, in denen Verletzlichkeit sicher ist, in denen wir Konflikte auf gesunde Art leben und wo wir füreinander da sein können.

Zudem geht es um Potenzialentfaltung und Kreativität. In meinem Buch »Echter Wohlstand« skizziere ich fünf Dimensionen von echtem Wohlstand, wozu der Kreativitätswohlstand gehört. Bei unseren Community-Treffen gibt es deshalb Räume, in denen Menschen sich ausprobieren können, wo ihre Talente geteilt und gefeiert werden, wo wir uns gegenseitig bereichern und beschenken mit dem, was wir in uns haben und was so oft keinen Raum hat, um zu blühen.

»Wir brauchen Übungsräume, um gemeinsam zu lernen.«

Lina Duppel: Was ein neuer Kulturimpuls im Praktischen bedeutet, wissen wir nicht genau. Es ist ein Experiment. Wenn wir dabei feststellen, dass wir in alte Verhaltensweisen abrutschen, fragen wir uns: Wie wollen wir es neu machen? Zum Beispiel: Wie wollen wir Führung neu verstehen, ohne Hierarchie? Wie gestalten wir unsere Community mit Kindern? Wir experimentieren mit etwas Neuem, das ist aufregend und macht Angst, und wir wissen den Weg nicht im Voraus. Gleichzeitig haben wir Stabilität durch zentrale Praktiken wie die bewusste Entladung.

e: Welche Kulturkompetenzen möchtet ihr dadurch unterstützen?

VD: Lina hat gerade die bewusste Entladung erwähnt. Das ist eine Praxis, in der es um die Entwicklung emotionaler Kompetenz geht. Vor allem in den Momenten, in denen ich emotional aktiviert bin, wenn alte Themen mein Nervensystem gekapert haben und ich nicht mehr klar denken und fühlen kann. Durch diese Praxis üben wir uns in einem bewussteren Umgang damit, im Sinne einer emotionalen Hygiene. Wir achten darauf, Beziehungsräume immer wieder zu klären, wodurch sehr schnell eine große Verletzlichkeit und Intimität zwischen Menschen erfahrbar ist. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, auch Konfliktkompetenz zu entwickeln, also Konflikte als etwas zu begreifen, was uns näherbringen kann, indem wir uns auseinandersetzen und dialogische Räume eröffnen, statt in Diskussionen abzugleiten. Eine dritte Kompetenz, die auf den vorherigen aufbaut, ist die Anbindung an die innere Führung, das innere Navi, mit dem ich gut auf meine Impulse lausche und in jedem Moment spüre: Was ist jetzt wirklich stimmig? Was möchte sich durch mich in einem bestimmten Raum ausdrücken?

e: Mit Kulturkompetenzen sprecht ihr etwas an, was ihr in der Kultur vermisst oder wo ihr das Gefühl habt, da braucht es einen Impuls, damit sich unsere Kultur lebensdienlich entfalten kann. Welchem kulturellen Wandel wollt ihr mit eurer Community einen Raum geben?

LD: Ich erlebe oft, dass Leute, die Visionen des Wandels in sich tragen, sich in Blasen zurückziehen. Das Besondere an der Lebensweise Community ist, dass sie ein Zentrum im Leben bildet. Keinen Rückzugsort, aber einen Ort, an den ich immer wieder zurückkommen kann. Es ist nicht so gemütlich wie eine Blase, in der ich mir alles schönreden kann. Ja, in Community sein ist schön, es lässt mich immer wieder spüren, was ich mir wünsche. Es lässt mich aber auch spüren, dass es Arbeit braucht. Die Community ist ein Ort der Rückverbindung. Es ist berührend, wie Menschen aus dieser Rückverbindung an ganz verschiedenen Orten in ihrem Leben wirken und ihre Teams oder ihre Elternschaft verändern.

VD: In meiner eigenen Biografie habe ich gemerkt, wie wichtig es war, mit Menschen zusammen zu sein, die das Gleiche lernen wollten wie ich. Wir brauchen solche Übungsräume, in denen wir eine Community of Practice bilden, um gemeinsam zu lernen. Das Gelernte können Menschen dann zurücktragen, weil sie Referenzerfahrungen haben: Ah, so schmeckt das, wenn ich mit mir in Kontakt bin, wenn ich in einem Konflikt dableibe, ohne den anderen anzugreifen. Wenn wir das geschmeckt haben, dann haben wir auch die synaptischen Verbindungen im Gehirn gebildet. Dann weiß unser Nervensystem, wie es geht, und wir können beginnen, es in unsere anderen Beziehungen zu tragen, zum Beispiel in Arbeitsbeziehungen, in die Partnerschaft oder mit Kindern. Es gibt so viele Bereiche, in die das Gelernte hineinwirkt. Ich möchte nicht, dass wir eine Blase bilden, in der die Leute sich vor der »bösen Welt« verstecken können, weil ich glaube, dass die »böse Welt« genau solche neuen Impulse braucht.

In der Gesellschaft nehme ich eine Sehnsucht nach besseren Beziehungen wahr, im Arbeitskontext, zwischen den Generationen, in den Liebesbeziehungen. Ein Ausdruck davon ist der Trend »Führung auf Augenhöhe«, ebenso ein neues Miteinander zwischen Eltern und Kindern.

Wir möchten Menschen befähigen, das nicht nur zu träumen, sondern an den Knackpunkten zu arbeiten, an denen wir leicht scheitern. Und dadurch in der Gesellschaft Räume entstehen zu lassen, wo eine neue Normalität möglich ist.

Das hat auch eine politische Dimension. Unsere Krise der Demokratie ist auch eine Krise unserer Kulturkompetenzen. Es ist ein System, das auf Dialog angewiesen ist, wir haben aber diese Fähigkeit nicht wirklich entwickelt. Wir möchten einen Beitrag leisten, dass die Demokratie erhalten bleibt und sich weiterentwickelt.

e: Worin seht ihr den Wert einer Gemeinschaft?

VD: Es gibt eine extreme Idealisierung und Romantisierung von Gemeinschaft. Mir sind oft Menschen begegnet, die den großen Wunsch hatten, in Gemeinschaft zu leben. Sie dachten, »dann wird alles anders und gut, mein ganzes Leben so wie ich mir das immer erwünscht habe, und alle meine unerfüllten Bedürfnisse sind erfüllt.« Das ist natürlich eine Illusion. Umso schlimmer ist dann das Scheitern.

Bei der Lebensweise Community beginnen wir mit der Hypothese »Wir können es noch nicht«, deswegen brauchen wir eine Community of Practice, um es gemeinsam zu lernen. Dieser Schritt wird bei anderen Gemeinschaftsgründungen oft übersprungen, denn man denkt, sobald wir in Gemeinschaft zusammenwohnen, wird auf magische Weise alles funktionieren.

LD: Die Lebensweise Community ist ein Ort für Leute, die sagen: Ich will nicht in einer Gemeinschaft sein, wo ich alles gut finden muss, sondern wo Dinge verschiedene Facetten haben können. Wo wir miteinander aushalten, dass Dinge nicht immer eindeutig sind, sondern verschiedene Seiten haben. Wo wir es nicht genau wissen und es trotzdem zusammen versuchen. Das ist eine große Chance.

Author:
Mike Kauschke
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