Globale Bürgerschaft

Our Emotional Participation in the World
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Kolumne
Published On:

April 17, 2025

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Ausgabe 46 / 2025
|
April 2025
Die Wiederentdeckung des Lebens
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Nicht weit von meinem polnischen Wohnort entfernt liegt eine Stadt, die viele Male den Besitzer gewechselt hat – einst Königsberg, ein deutsches intellektuelles Zentrum, jetzt Kaliningrad, eine isolierte russische Exklave zwischen Polen und Litauen. Es war die Heimat von Immanuel Kant, dessen Vision vom Ewigen Frieden die Grundlage für den modernen Kosmopolitismus und das Völkerrecht bildete.

Die Wandlung von Königsberg in Kaliningrad war Teil eines langen und andauernden Musters: Imperien entstehen, herrschen und zerfallen, aber der Wunsch nach Vorherrschaft bleibt. Dieses Muster setzt sich immer noch fort, manchmal so schamlos wie früher, aber in anderen Erscheinungsformen: wirtschaftliche Hegemonie, territoriale Ambitionen und kulturelle Vormachtstellung. Gesetze und Friedensziele werden manipuliert, um diesen Absichten zu dienen.

Schon vor 200 Jahren hatte Immanuel Kant die »Artikel« für einen dauerhaften Frieden formuliert: keine Eroberungskriege, keine Geheimverträge und keine dienstbereiten Heere mehr, die für den Angriff gerüstet sind. All dies ist bis heute nicht erreicht worden. Kant forderte eine Föderation freier Staaten, die dem Recht und nicht der Gewalt verpflichtet sind und die eine globale Ethik der Gastfreundschaft und nicht des Misstrauens verfolgen.

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Nicht weit von meinem polnischen Wohnort entfernt liegt eine Stadt, die viele Male den Besitzer gewechselt hat – einst Königsberg, ein deutsches intellektuelles Zentrum, jetzt Kaliningrad, eine isolierte russische Exklave zwischen Polen und Litauen. Es war die Heimat von Immanuel Kant, dessen Vision vom Ewigen Frieden die Grundlage für den modernen Kosmopolitismus und das Völkerrecht bildete.

Die Wandlung von Königsberg in Kaliningrad war Teil eines langen und andauernden Musters: Imperien entstehen, herrschen und zerfallen, aber der Wunsch nach Vorherrschaft bleibt. Dieses Muster setzt sich immer noch fort, manchmal so schamlos wie früher, aber in anderen Erscheinungsformen: wirtschaftliche Hegemonie, territoriale Ambitionen und kulturelle Vormachtstellung. Gesetze und Friedensziele werden manipuliert, um diesen Absichten zu dienen.

Schon vor 200 Jahren hatte Immanuel Kant die »Artikel« für einen dauerhaften Frieden formuliert: keine Eroberungskriege, keine Geheimverträge und keine dienstbereiten Heere mehr, die für den Angriff gerüstet sind. All dies ist bis heute nicht erreicht worden. Kant forderte eine Föderation freier Staaten, die dem Recht und nicht der Gewalt verpflichtet sind und die eine globale Ethik der Gastfreundschaft und nicht des Misstrauens verfolgen.

Ich plädiere dafür, dass wir uns Kants Vorstellungen noch stärker zu Herzen nehmen und auf ihnen aufbauen. Frieden ist keine Utopie, sondern eine praktische Notwendigkeit in einer Welt, in der Eroberungsbestrebungen keinen Sinn mehr machen und die mit nuklearen Risiken, dem ökologischen Kollaps und wirtschaftlicher Abhängigkeiten konfrontiert ist.

»Imperialismus ist ein Spiel, aber Spiele können umgeschrieben werden.«

Beim Eroberungsbestreben geht es nicht nur darum, Land zu gewinnen, sondern auch um eine romantisierte Version von Identität, Zugehörigkeit und Macht. Zu etwas dazuzugehören, das größer ist als man selbst – aber das auch von einem selbst erschaffen und besessen wird – ist die unausgesprochene Belohnung, die es so schwierig macht, dieses Denken zu überwinden. Menschen wehren sich, wenn sie das Gefühl haben, etwas zu verlieren (Status, Erbe, Identität), sobald das Eroberungsbestreben wegfällt. Und das Spiel macht süchtig, vor allem, wenn die Menschen davon überzeugt sind, sie würden »gewinnen«. Die Unterdrückung des Impulses reicht nicht aus. Er muss durch etwas Überzeugenderes ersetzt werden. Wenn Frieden aufrechterhalten werden soll, muss er nicht nur Sicherheit bedeuten, sondern etwas bieten, das psychologisch und kulturell so erfüllend ist, wie es die Imperien einst waren.

Die planetarische Bürgerschaft, die ich als Cosmocitizenship bezeichne, kann als ein solcher Rahmen dienen, erfordert aber neue kulturelle »Prägungen«. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Anerkennung nicht mehr an militärischen Siegen bemessen wird, sondern am Umgang mit dem Planeten, an der Weisheit und der Fähigkeit, Komplexität zu bewältigen. Eine Welt, in der Status nicht durch Dominanz, sondern durch Kooperation erworben wird.

So wie die Menschen in den vergangenen Jahrhunderten darauf konditioniert wurden, Imperien als Grundlage der natürlichen Ordnung zu betrachten, müssen wir uns jetzt individuell und im Miteinander darin üben, die planetare Gleichberechtigung als höchste Form der Stärke zu betrachten.

Diese Art von Bürgerschaft erfordert eine Neuverbindung unserer neuronalen Netzwerke, die bisher Macht mit Kontrolle assoziieren. An ihre Stelle können Narrative treten, die Kooperation, Komplexität und Fürsorge zu den neuen Erfolgsmerkmalen machen. Wenn man den Menschen vermittelt, dass sie wichtige Fähigkeiten besitzen und ein Vermächtnis hinterlassen können, kann es zu einer Identität und zu einem Zugehörigkeitsgefühl beitragen, die über nationalistische Mythen hinausgehen. Der Prozess erfordert neue Rituale, Narrative und Erfolgsmerkmale, die sich emotional genauso erfüllend anfühlen wie die imperialen Erzählungen der Vergangenheit.

Imperialismus ist ein Spiel, aber Spiele können umgeschrieben werden – und Kulturen können sich verändern. Wenn die Menschen ein tiefes Gefühl der Zugehörigkeit zu etwas Bedeutenderem verspüren, wenn sie sich als Teil einer planetarischen Geschichte und nicht als Spielfiguren nationalistischer Schachzüge erleben, werden die Überbleibsel imperialen Denkens an Einfluss verlieren.

Frieden muss eine überzeugende Alternative zu den Erzählungen bieten, die Konflikte schüren. Wir befinden uns an einem Wendepunkt, an dem wir aus dem imperialistischen Kreislauf ausbrechen und etwas so zutiefst Erfüllendes, eine so starke planetarische Identität schaffen können, dass wir das alte Herrschaftsdenken hinter uns lassen.

Die vor uns liegende Arbeit ist politischer, kultureller, seelischer und zutiefst persönlicher Natur. Wenn die planetarische Bürgerschaft erfolgreich werden soll, darf sie nicht als Opfer verstanden, sondern muss als Einladung erlebt werden: als Einladung, zu einer Welt zu gehören, in der Macht neu definiert wird, in der Frieden eine aktive Bewegung ist und gemeinsam geschaffen wird und in der Identität nicht auf Ausgrenzung, sondern auf dem gemeinsamen Abenteuer des Menschseins beruht.

Author:
Dr. Magdalena Smieszek
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