Kreative Tradition

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Interview
Published On:

July 15, 2024

Featuring:
Max Jones
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Issue:
Ausgabe 43 / 2024
|
July 2024
Spirituelle Resilienz
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evolve: Wie wurde dein Interesse an der Bewahrung traditioneller Lebensmittel geweckt?

Max Jones: Ich bin gerade in der voralpinen Provinz Biella, aus der ein Teil meiner Familie stammt. Obwohl ich in Frankreich, der Schweiz, Großbritannien und Irland viel über interessante Lebensmittel herausgefunden habe, komme ich immer wieder gern an diesen Ort zurück. Als Kind habe ich die Hirten beobachtet, die dort oben mit ihren Tieren leben. Ich habe gesehen, wie sie die Landschaft in Symbiose mit den Tieren in Nahrung umwandeln. Die Kühe ziehen im Sommer in die Berge hinauf, weil dort nach der Schneeschmelze unglaublich reichhaltige Weideflächen zur Verfügung stehen. Die Tiere verwandeln diese Pflanzen in Milch, und durch Fermentierung, Salz und Schwerkraft entsteht daraus der Käse. Wenn man einen Schritt zurücktritt und die Menschen betrachtet, die diese Lebensmittel essen, sind sie eigentlich der Berg, weil sie ihn essen. Ich war von dem Zugehörigkeitsgefühl zu diesem Ort und der tiefen Verbundenheit mit dem Land ergriffen.

Natürlich besteht die Gefahr, dass wir die Lebensweise dieser Menschen zu sehr romantisieren, weil wir ihren Lebensstil als Medizin für die Art und Weise betrachten, wie wir derzeit leben. In Wirklichkeit führen diese Bauern ein extrem schwieriges Leben, weil sie sich ganz dem Leben von ihrem Land verschrieben haben. Aber es war eine wunderbare Erfahrung, demütig zu werden und von den Menschen zu lernen, die sich immer noch dieser herausfordernden Lebensweise widmen. Ich lasse mich von den verschiedenen Techniken, der Denkweise und dem Einfallsreichtum inspirieren, die der Alltag an abgelegenen Orten mit sich bringt. Diese Kreativität ist äußerst inspirierend, und wir können von ihr lernen. Mich begeistert, wirklich nachhaltig mit und in der Landschaft zu leben, wenn wir durch unsere Nahrung zu einem Teil dieser Landschaft werden.

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Verbunden mit dem Land

Seit seiner Jugend widmet sich Max Jones der Bewahrung und Vermittlung alter Traditionen der Herstellung von Lebensmitteln, insbesondere der Käserei und des Fischräucherns. Seine Erfahrung eröffnet Ausblicke auf gelebte Nachhaltigkeit.

evolve: Wie wurde dein Interesse an der Bewahrung traditioneller Lebensmittel geweckt?

Max Jones: Ich bin gerade in der voralpinen Provinz Biella, aus der ein Teil meiner Familie stammt. Obwohl ich in Frankreich, der Schweiz, Großbritannien und Irland viel über interessante Lebensmittel herausgefunden habe, komme ich immer wieder gern an diesen Ort zurück. Als Kind habe ich die Hirten beobachtet, die dort oben mit ihren Tieren leben. Ich habe gesehen, wie sie die Landschaft in Symbiose mit den Tieren in Nahrung umwandeln. Die Kühe ziehen im Sommer in die Berge hinauf, weil dort nach der Schneeschmelze unglaublich reichhaltige Weideflächen zur Verfügung stehen. Die Tiere verwandeln diese Pflanzen in Milch, und durch Fermentierung, Salz und Schwerkraft entsteht daraus der Käse. Wenn man einen Schritt zurücktritt und die Menschen betrachtet, die diese Lebensmittel essen, sind sie eigentlich der Berg, weil sie ihn essen. Ich war von dem Zugehörigkeitsgefühl zu diesem Ort und der tiefen Verbundenheit mit dem Land ergriffen.

Natürlich besteht die Gefahr, dass wir die Lebensweise dieser Menschen zu sehr romantisieren, weil wir ihren Lebensstil als Medizin für die Art und Weise betrachten, wie wir derzeit leben. In Wirklichkeit führen diese Bauern ein extrem schwieriges Leben, weil sie sich ganz dem Leben von ihrem Land verschrieben haben. Aber es war eine wunderbare Erfahrung, demütig zu werden und von den Menschen zu lernen, die sich immer noch dieser herausfordernden Lebensweise widmen. Ich lasse mich von den verschiedenen Techniken, der Denkweise und dem Einfallsreichtum inspirieren, die der Alltag an abgelegenen Orten mit sich bringt. Diese Kreativität ist äußerst inspirierend, und wir können von ihr lernen. Mich begeistert, wirklich nachhaltig mit und in der Landschaft zu leben, wenn wir durch unsere Nahrung zu einem Teil dieser Landschaft werden.

e: Woher kommt deine Begeisterung in einer Zeit, in der wir eine völlig andere Art der Nahrungsmittelproduktion handhaben und eine völlig andere Beziehung – oder oft sogar gar keine Beziehung – zum Land haben?

MJ: Eine der schönsten Eigenschaften von uns ist es, dass wir grundsätzlich vertrauensvoll sind. Diese liebenswerte Eigenschaft wird jedoch aus falschen Motiven ausgenutzt. Irreführendes Marketing, Verpackungen, Werbung – alles ist darauf ausgerichtet, Umsätze zu generieren. Und all die schönen Worte, die uns informieren sollen, wie »natürlich«, »biologisch« oder »nachhaltig«, sind ein Etikettenschwindel, mit dem der Produktverkauf angekurbelt wird. Als Verbraucher wünschen wir uns Angaben darüber, was wir essen, also müssen wir ein Etikett lesen. Aber wir denken nicht darüber nach, woher unser Essen eigentlich wirklich stammt.

Ich habe zum Beispiel Jahre gebraucht, mich mit dem Wildlachs als Nahrungsmittel vertraut zu machen. Um mehr darüber zu lernen, bin ich nach Irland gezogen. Dort sah ich aus erster Hand die Abwertung dieses großartigen Tieres und unserer traditionellen Verbindung zu ihm. Ich verstand, dass es darum geht, sich auf das zu beschränken, was man mit den Händen tun kann.

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem der Netzfischer, dessen stolzester Moment in seinem Leben der Fang von 100 Fischen von Hand mit seinem kleinen Boot war. Mit Maschinen schaffen wir das 100-fache, indem wir einfach einen Knopf drücken. Es besteht ein großes Ungleichgewicht, weil wir zu effizient geworden sind. Dabei haben wir die Wertschätzung für Nahrungsmittel verloren – und ihre Geschichte vergessen.

Wenn man keine Maschinen benutzt, kann man die eigenen Sinne und Fähigkeiten nutzen, um Lebensmittel zu konservieren. Ich kann die Reifung von Lebensmitteln beschleunigen, indem ich sie einfach dem Tagesklima aussetze. Das können wir spüren, wir alle haben Hände zum Tasten und Nasen zum Riechen. Der direkte Kontakt mit den Lebensmitteln verbindet uns mit dem Ursprung der Milch oder des Fisches – mit dem, was man isst. Das steigert die Wertschätzung. Und auch auf die Gefahr hin, wie ein Romantiker zu klingen, sage ich, dass man sich dadurch wieder in das Leben verlieben kann.

Bei den Verkostungen, die ich in Irland durchführe, beginne ich mit etwas Käse, Wurst oder Räucherlachs. Und dann kann ich den Besuchern die ganze Geschichte dessen erzählen, was sie vor sich haben, und der Genuss steigert sich um ein Vielfaches. Es haben schon Leute geweint, als sie schließlich den Wildlachs gegessen haben. Und es gab schon Veganer, die Fisch und Käse gekostet haben. Unser Verhältnis zu Lebensmitteln zu ändern, ist eine gewaltige Aufgabe. Denn es geht darum, unsere heutigen Produktionsweisen für Lebensmittel zu verlernen. Indem ich den Menschen traditionelle Techniken zeige, die es schon seit hunderten, vielleicht tausenden von Jahren gibt, kann ich ihnen diesen inspirierenden Wissenskanon nahebringen.

»Man kann sich wieder in das Leben verlieben.«

e: Was sagst du zu dem Bedürfnis von Menschen, keine tierischen Produkte essen zu wollen, weil sie es grundsätzlich für falsch halten?

MJ: Ich erzähle dir etwas, das mir vor ein paar Tagen passiert ist. Ich war oben in den Bergen und half meinen Freunden, den Hirten, ihr Vieh 25 Kilometer den Berg hinaufzutreiben. Als wir oben ankamen, mussten wir die Kühe melken. Es ist nicht einfach, die Kühe von Hand zu melken, wenn sie auf der Weide stehen. Man sitzt auf einem kleinen Holzschemel, und manchmal bewegt sich die Kuh beim Melken. Dann sagte mein Freund: »Max, kannst du mir einen Gefallen tun? Kannst du deine Finger in ihre Nasenlöcher stecken?«, wobei er auf die Kuh zeigte. Ich hatte das schon einmal gesehen und es sah ziemlich aggressiv aus. »Wie fest muss ich zugreifen? Ein kräftiges Zwicken?« »Nein, nein, nein, leg ihr ganz leicht die Finger in die Nasenlöcher.« Und sobald ich das tat, entspannte sich die Kuh. Es fühlte sich offensichtlich gut für sie an, denn sie begann tief zu atmen, schaute nach oben und bewegte sich nicht mehr.

Diese Geschichte weist auf so viele Vorurteile hin. Und das betrifft auch das Essen von Fleisch. Wir verstricken uns in die Rhetorik von Fleischessern und Veganern, die sich gegenseitig nicht ausstehen können. Veganer und Vegetarier sind genial, weil sie ein Gespür dafür haben, dass etwas im Umgang mit Tieren nicht stimmt.

Sie wollen sich nicht an der industriellen Herstellung und der Kommerzialisierung von Fleisch beteiligen. Aber wenn ich ihnen von einem Käse erzähle, ihnen genau erkläre, wie und wo er hergestellt wird und was er kulturell bedeutet, wie wir das Leben des Menschen, des Tieres und des Berges, in dem er hergestellt wurde, essen, dann verändert das etwas. Es handelt sich um ein unglaublich altes Lebensmittel, das eine lange Geschichte hat, und deshalb sind die Menschen offen dafür, es zu probieren.

e: Wie erlebst du das Zusammensein mit den Fischern oder Hirten?

MJ: Wir haben eine romantische Vorstellung von diesen Menschen, weil wir viele unserer urban geprägten Vorstellungen auf diese Menschen projizieren, die der Schlüssel zu allem zu sein scheinen, was wir falsch machen. Aber sie sind alle Menschen. Jeder ist eine Persönlichkeit. Und der Hirte, der auf dem Berg seine Kühe mit der Hand melkt, wie ich dir gerade erzählt habe, ist jünger als ich. Das ist die Generation, die mich fasziniert. Ich finde es interessant, wie diese Praktiken an die neuen Generationen weitergegeben werden.

Und die Kommunikation mit den älteren Menschen ist großartig, wenn man sie wie Menschen behandelt. Sei bescheiden, versuche zu helfen, ohne darauf zu bestehen, denn das kann manchmal die ganzen Abläufe durcheinanderbringen. Als ich einmal bemerkte, dass eine der Frauen beim Käsemachen gerne Musik mochte, haben wir einfach ein bisschen gemeinsam gesungen.

Es kann sehr trennend sein, das Leben in der Stadt und das Leben in den Bergen als Gegensätze einander gegenüberzustellen. Freunde von mir nutzen brachliegende Flächen in Paris, um Gemüse anzubauen. Das kann man überall machen. Egal, ob wir nun aus der Stadt oder aus den Bergen kommen, wir können Bescheidenheit und Neugierde an den Tag legen und unsere Meinungen und Einstellungen ständig ändern, wenn wir bereit sind, etwas Neues zu lernen.

Indem wir unsere eigenen Geschichten kreieren und weitergeben, können wir lernen, die Wunder des Lebens mit anderen zu teilen.

Author:
Mike Kauschke
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