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In den letzten 18 Jahren hat sich Laureline Simon mit dem Klimawandel beschäftigt und 2020 One Resilient Earth gegründet, um Menschen, Gemeinschaften und Ökosysteme dabei zu unterstützen, widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu werden. Die Organisation gestaltet Erfahrungsräume, in denen die Menschen lernen können, Gemeinschaften der wechselseitigen Unterstützung aufzubauen und unsere Ökosysteme zu regenerieren.
evolve: Was hat dich bewogen, One Resilient Earth zu gründen?
Laureline Simon: Wenn wir über den Klimawandel sprechen, steht oft die Verringerung der Emissionen im Vordergrund. Gleichzeitig sind die Auswirkungen bereits spürbar. Deshalb wird klar, dass wir unsere Widerstandsfähigkeit ausbauen und uns auf eine Vielzahl möglicher Zukünfte vorbereiten müssen. Es geht nicht nur um technische Fragen, sondern auch darum, wie wir mit Verlusten, mit Trauer, mit den emotionalen und psychischen Auswirkungen dieser Krise umgehen. Dazu sind vielfältige, transdisziplinäre und ko-kreative Erfahrungsräume nötig, damit Menschen diese transformativen Wege kennenlernen und vertiefen können.
e: Wie setzt ihr dieses Anliegen um?
LS: Wir bieten Lernreisen an, eine Reihe von Workshops, die gemeinsam mit den Teilnehmenden gestaltet werden. Sie richten sich an junge Erwachsene, Kreative und Künstlerinnen, die zum Thema Nachhaltigkeit arbeiten. Durch diese Workshops wollen wir eine Lerngemeinschaft aufbauen, in der Menschen rund um das Thema Klima-Resilienz, Regeneration und ko-kreative Antworten auf die Krise zusammenkommen. Zusätzlich zur Durchführung der Workshops geben wir den Teilnehmenden online Zugang zu einer Gemeinschaftsplattform, in der sich die Menschen treffen und die Gespräche fortsetzen können.
Wir gestalten diese Lernreisen so, dass wir das Bewusstsein und das Verständnis der Menschen für das Ausmaß der Krise schärfen, aber auch Wege aufzeigen, wie man sie angehen und durch die Zusammenarbeit von Aktivisten aus verschiedenen Ländern und lokale Projekte darauf reagieren kann.
Wenn wir über Resilienz und Regeneration sprechen, berühren wir das Verständnis für die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Identität, unser Zugehörigkeitsgefühl, die emotionale und geistige Gesundheit, unsere Verbundenheit untereinander und mit unseren Landschaften. Wir erörtern, wie wir die Zukunft sehen und wie wir unsere Vorurteile und Annahmen in Bezug auf die Zukunft überprüfen können.
Wir sprechen auch über die Wiederherstellung von Ökosystemen und die Regeneration in der Praxis durch neue Prozesse der Zusammenarbeit. Wir arbeiten viel mit dem Medium Kunst, um neue Ideen vorzustellen oder die Verbindung zur Natur zu wecken. So werden einige der Workshops von Künstlerinnen moderiert, die die Teilnehmenden ermutigen, ihre eigenen künstlerischen Praktiken zu kultivieren, um die Kreativität in ihrem Leben zu fördern und Freude und Wohlbefinden zu vermitteln. Mit dem UN-Klimasekretariat haben wir zum Beispiel einen eintägigen künstlerischen Workshop für 50 Aktivisten aus Deutschland und anderen Ländern der Welt angeboten.
e: Ihr helft auch Gemeinschaften in verschiedenen Regionen der Welt, widerstandsfähiger zu werden.
LS: Ja, wir haben bisher mit vier Gemeinschaften zusammengearbeitet. Manchmal ging es darum, integrative Dialoge über langfristige Resilienz zu fördern, wie mit einer Gemeinschaft in Atlantic, Kanada. Ein anderes Projekt haben wir mit einer Gruppe in einem Flüchtlingslager in Uganda durchgeführt, um junge Frauen in regenerativer Landwirtschaft und Permakultur zu schulen. Und im letzten Jahr haben wir mit zwei Gemeinschaften im Rahmen eines Projekts zusammengearbeitet, das sich mit der Idee und Praxis des »Re-Storying« befasst: Wie können wir andere Geschichten über unsere Beziehung zum Land erzählen, um eine Grundlage für transformativere Wege zur Bewältigung der Klimakrise zu schaffen? Wir arbeiteten mit Künstlern und Kulturschaffenden sowohl auf den Philippinen als auch in England zusammen, um Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen, wie Gemeinschaften bei der Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels vor Ort unterstützt werden können.
e: Warum ist es deiner Meinung nach so wichtig, diese dialogischen Räume zu schaffen, die unterschiedliche Erfahrungen zusammenbringen und in denen die Menschen ihre Gefühle ausdrücken können?
LS: Ein Grund dafür ist, dass die Klimakrise, die wir erleben, ein gewaltiges Geschehen ist. Sie wird schlecht erfasst, wenn man sich nur wissenschaftliche Trends oder Berichte über die Auswirkungen ansieht. Man kann nicht verstehen, wie groß diese Krise ist, wenn man nur auf Zahlen schaut.
Viele Menschen wollen das Risiko mit einem umfassenden Risikomanagement quantifizieren. Aber viele der Lösungen, die wir im Rahmen dieses technischen Ansatzes finden, richten sich auf die Nachhaltigkeit bestehender Systeme und Strukturen, auf die wir angewiesen sind – wohl wissend, dass sie Teil des Problems sind. Um transformativere Ansätze zu entwickeln, brauchen wir neue kreative Räume. Wir müssen unsere schöpferischen Fähigkeiten entwickeln, uns in einem unbeständigen und sich verändernden Umfeld anzupassen.
»Um transformativere Ansätze zu entwickeln, brauchen wir neue kreative Räume.«
Auf dem Weg zu transformativen Ansätzen muss der Einzelne das Ausmaß dessen, was geschieht, verstehen. Das wird aber mehr Unsicherheit, Stress oder Angst auslösen. Deshalb müssen wir uns um die innere Welt und die emotionale Gesundheit der Menschen kümmern. Und den notwendigen Wandel müssen wir als Kollektiv vollziehen, denn er wird komplex sein und viele Ressourcen erfordern. Es wird erforderlich sein, die bestehende Machtdynamik und den Status quo infrage zu stellen und damit unsere Identitäten und die Werte, die uns als Kollektiv antreiben, zu überdenken.
e: Welche Qualitäten oder inneren Fähigkeiten sind für die Menschen, die zu euren Lernreisen kommen, am wichtigsten oder finden die größte Resonanz?
LS: Menschen, die an den Lernreisen teilgenommen haben, fühlen sich oft isoliert, wenn es darum geht, wie sie die Klimakrise empfinden und wie diese sich auf sie auswirkt. Sie sind beunruhigt und fühlen sich überfordert, wenn sie überlegen, was sie tun können und wie viel sie gerne tun würden, und sie sind frustriert über das Tempo der Veränderungen. Indem wir Menschen zusammenbringen, erkennen sie, dass sie mit diesen Empfindungen nicht allein sind.
Bei unserer Arbeit zu Zukunftsszenarien stehen Kreativität und Freude im Mittelpunkt, was bei der Arbeit zum Klimawandel oft fehlt. Wenn wir über die schrecklichen Auswirkungen und das Leben in einer chaotischen Welt sprechen, kann sich das noch stressiger anfühlen. Aber wir tun das, indem wir unserer inneren Welt mehr Raum geben und gemeinsam die Trauer und den Schmerz ausdrücken. Und das ist befreiend. Der Prozess der Ko-Kreation kann unsere Kreativität auch in anderen Bereichen unseres Lebens freisetzen. Die Teilnehmenden lernen Menschen in verschiedenen Teilen der Welt kennen, entwickeln ihr Einfühlungsvermögen und ihre Fähigkeit, anderen zuzuhören. Wir gehen von einer schwierigen Situation aus und suchen gemeinsam nach Wegen, diese Krise zu bewältigen. Das hilft vielen Menschen, ihr eigenes Wohlbefinden und das ihrer Gemeinschaft und ihres Ökosystems zu steigern. Diese Lerngemeinschaft selbst schafft einen Sinn für Neugier, Offenheit, Staunen und die Fähigkeit, innere Resilienz zu entwickeln.
Author:
Mike Kauschke
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