By clicking “Accept All Cookies”, you agree to the storing of cookies on your device to enhance site navigation, analyze site usage, and assist in our marketing efforts. View our Privacy Policy for more information.
Eigentlich wollte ich nie nach Hoyerswerda, wurde aber durch Zufälle vom Oberbürgermeister eingeladen, um die Idee einer EcoCity zu erläutern, und fand erstaunlicherweise ein offenes Ohr. Das Projekt EcoCity steht im Kontext unserer ökologischen Krisensituation. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie wir zusammen wohnen und leben.
Hoyerswerda steht symbolisch für die gesellschaftliche Zersplitterung, die wir in Deutschland zunehmend wahrnehmen. 1991 gab es hier kurz nach dem Mauerfall Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, an denen teilweise 500 Menschen beteiligt waren. Der Vorfall ging durch die internationale Presse und hat der Stadt einen schlechten Ruf eingebracht. Heute stellt die AfD die stärkste Fraktion im Stadtrat. Die Stadt scheint also kein günstiger Ort für ein nachhaltiges Transformationsprojekt zu sein.
Trotz des schlechten Rufs ist Hoyerswerda eine spannende Stadt. In der DDR war sie sozialistische Musterstadt und Energiezentrum. Durch das Braunkohlerevier wuchs die Zahl der Einwohner auf 72.000. Nach der Wende verloren viele Menschen ihre Arbeitsmöglichkeit, heute hat die Stadt 32.000 Einwohner. Durch diese drastische Veränderung ist sie vom Strukturwandel besonders stark betroffen – und sie liegt in Sachsen, wo die AfD die stärkste politische Kraft ist. Unter diesen Bedingungen zeigen sich in der Stadt viele Widersprüche und Konflikte.
Kann man in solch einem Umfeld die Zukunft neu denken – wie wir wohnen, arbeiten, zusammenleben? Und das im Kontext eines Strukturwandels mit Stichworten wie Energiewende, Mobilitätswende, Kreislaufwende, anderer Umgang mit Wasser? Denn natürlich geht es dabei auch um eine Veränderung des Bewusstseins, wenn es in eine neue Lebensform führen soll.
Please become a member to access evolve Magazine articles.
Kann die Transformation unserer Städte und Siedlungsstrukturen den Weg in eine regenerative Zukunft weisen? Ein Modellprojekt in Hoyerswerda macht Hoffnung.
Eigentlich wollte ich nie nach Hoyerswerda, wurde aber durch Zufälle vom Oberbürgermeister eingeladen, um die Idee einer EcoCity zu erläutern, und fand erstaunlicherweise ein offenes Ohr. Das Projekt EcoCity steht im Kontext unserer ökologischen Krisensituation. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie wir zusammen wohnen und leben.
Hoyerswerda steht symbolisch für die gesellschaftliche Zersplitterung, die wir in Deutschland zunehmend wahrnehmen. 1991 gab es hier kurz nach dem Mauerfall Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, an denen teilweise 500 Menschen beteiligt waren. Der Vorfall ging durch die internationale Presse und hat der Stadt einen schlechten Ruf eingebracht. Heute stellt die AfD die stärkste Fraktion im Stadtrat. Die Stadt scheint also kein günstiger Ort für ein nachhaltiges Transformationsprojekt zu sein.
Trotz des schlechten Rufs ist Hoyerswerda eine spannende Stadt. In der DDR war sie sozialistische Musterstadt und Energiezentrum. Durch das Braunkohlerevier wuchs die Zahl der Einwohner auf 72.000. Nach der Wende verloren viele Menschen ihre Arbeitsmöglichkeit, heute hat die Stadt 32.000 Einwohner. Durch diese drastische Veränderung ist sie vom Strukturwandel besonders stark betroffen – und sie liegt in Sachsen, wo die AfD die stärkste politische Kraft ist. Unter diesen Bedingungen zeigen sich in der Stadt viele Widersprüche und Konflikte.
Kann man in solch einem Umfeld die Zukunft neu denken – wie wir wohnen, arbeiten, zusammenleben? Und das im Kontext eines Strukturwandels mit Stichworten wie Energiewende, Mobilitätswende, Kreislaufwende, anderer Umgang mit Wasser? Denn natürlich geht es dabei auch um eine Veränderung des Bewusstseins, wenn es in eine neue Lebensform führen soll.
Die Frage für mich war: Kann man einen Vorschlag entwickeln, den die Menschen verstehen und der sie wieder zusammenbringt, um gemeinsam diese Zukunft zu gestalten? Dazu gehört eine Vision, die so attraktiv ist, dass sie nicht belastet, sondern besser ist als die Verhältnisse heute. Nur dann können sich die Menschen darin wiederfinden, egal was ihr politischer Hintergrund ist.
»Lokale Zugehörigkeit, Heimat und Familie müssen kein Gegensatz sein zu Vielfalt und ökologischer Nachhaltigkeit.«
Der Prozess bis jetzt ist vielversprechend. Es ist noch nichts realisiert, aber es gibt eine erstaunliche Zustimmung aller gesellschaftlichen Gruppen, von der Bürgerschaft, von der lokalen Wirtschaft, von den verschiedenen politischen Fraktionen. Diese Möglichkeit ist eine faszinierende Zukunftsperspektive, auch über Hoyerswerda hinaus.
Aber wie ist es möglich, einen Vorschlag zu entwickeln, der im gesamten politischen Spektrum von rechts bis links Zustimmung finden kann? Menschen denken in Bildern. Man braucht also ein Bild, das die Zukunftsperspektive auf eine einfache Art und Weise vermittelt und auch den Weg dorthin aufzeigt. Ich hatte die Möglichkeit, ein solches Zukunftsbild zu entwickeln und der Stadtentwicklungskommission mit mehr als 30 Personen und Vertretern aus allen Fraktionen vorzustellen – dabei der AfD als stärkster Fraktion. Ich habe erläutert, welche Perspektiven sich für die verschiedenen Akteure der Stadt, die Bürger und die Wirtschaft eröffnen. Es gab Beifall und wir haben noch eine Stunde diskutiert. Unerwartet für ein solches Gremium war, dass die Diskussion durch ausschließlich positive, konstruktive Beiträge geprägt war. Es war also ein Zukunftsbild für die Stadt entstanden, mit dem sich alle Anwesenden identifizieren konnten.
Ein Grund dafür mag sein, dass unsere moderne Zeit bisher sehr sektoral denkt und organisiert ist – und so die Energie-, Wasser-, Mobilitäts-, Kreislauf-, Bau- und Wohnwende von Politik und Verwaltung noch immer getrennt voneinander gehandhabt werden. Dabei spüren die Menschen längst, dass die Zukunft auf diese Weise nicht gelingen kann. Im Eco City Projekt werden diese zersplitterten Bereiche in einer machbaren Vision mit sehr konkreten Vorschlägen wieder zusammengeführt. Darin liegt die Überzeugungskraft, die ich bei der Bürgerschaft und den verschiedenen Akteuren der Stadtgesellschaft erlebt habe.
Hinzu kommt, dass jeder angesprochen wird, entsprechend seinen Möglichkeiten an dieser Transformation mitzuwirken. Ganz gleich, an welcher Stelle er oder sie steht, ob als Lehrerin in der Schule, als Mitarbeiter in der Verwaltung, in der Wirtschaft in einem Betrieb oder als einfacher Bürger. Die Transformation in die Zukunft kann nur gelingen, wenn alle mitgestalten können und einen Gewinn für sich darin sehen.
Die Ausgangsbedingungen im konkreten Fall Hoyerswerda stellen sich so dar, dass es eine sehr schöne kleine Altstadt besitzt. Auf der anderen Seite der Schwarzen Elster ist während der DDR-Zeit die Neustadt für mehr als 50.000 Neubürger entstanden. Noch weiter östlich am Stadtrand liegt ein künstlicher See, ein ehemaliger Tagebau. Das ist schon heute und soll in der Zukunft noch mehr das große Freizeitzentrum der Stadt werden. Diese drei Teile der Stadt existieren weitgehend getrennt voneinander und sind am besten mit dem Auto miteinander verbunden.
Der Schlüssel des entwickelten Zukunftsbildes und damit der Kern des Projektes besteht darin, diese drei Teile der Stadt durch eine neue Mobilitätsachse mit dem Fahrrad oder zu Fuß miteinander zu verbinden. Im Projekt haben wir dafür den Begriff Eco Link geprägt. Diese Achse durchzieht auf neue Art und Weise und als Alternative zum Auto die gesamte Stadt und wird auch weiter ins Umland und in die Region geführt. Eine zweite wichtige Funktion des Eco Link besteht darin, dass er für seine Nutzer zu einer Erlebnis- und Erfahrungsachse für den Strukturwandel und Zukunftsprojekte wird. Viele der genannten Projekte erfordern nicht nur die Akzeptanz, sondern auch eine aktive Mitwirkung der betroffenen Bürger und Nachbarschaften. Neue Kooperations- und Koproduktionsformen zwischen Bürgern, lokaler Wirtschaft und Verwaltung führen zu neuen Geschäftsfeldern und einer deutlichen Aufwertung insbesondere von lokalen und regionalen Handwerksgewerben, Handel und Dienstleistern.
In dem Zukunftsbild gibt es noch ein zweites zentrales Kernelement, das wir als Eco Hub, Transformationshub oder Eco Station bezeichnen. In Hoyerswerda wurde dafür vom Oberbürgermeister eine ehemalige und seit Jahren leerstehende Schule, nicht weit von dieser Achse entfernt, bereits freigegeben. Sie soll als architektonisches und inhaltliches Leuchtturmprojekt für den Strukturwandel und urbanen Transformationsprozess von gesamtstädtischer Bedeutung umgestaltet werden.
Der Begriff Eco City wurde von mir sehr bewusst gewählt. Er ist aus dem griechischen Wort oikos abgeleitet und steht für ein ganzheitliches Verständnis von Haus- oder Stadtwirtschaft: Wie leben Menschen und Tiere in einem Haus in Übereinstimmung und in Symbiose mit der umgebenden Natur zusammen? Das konnte schon für die alten Griechen nur als ganzheitlicher Prozess unter Einbeziehung der sozialen, ökonomischen, baulich ökologischen und kulturellen Dimension gelingen, einschließlich der Schönheit und Ästhetik der Gestaltungen. Strukturwandel und der ökologische Umbau unserer Stadt- und Siedlungsstrukturen erfordern Reallabore und Strategien, die dieser Herausforderung gerecht werden.
Das Projekt in Hoyerswerda wurde als Prototyp für ein solches Reallabor entwickelt. Die bisherigen mehr als dreijährigen Erfahrungen zeigen, dass unsere Zeit inzwischen reif ist für solche Projekte, der ganzheitliche Ansatz funktioniert, konsensfähig ist. Solche Prototypen können Hoffnung verbreiten in einer Zeit, wo sich die Widersprüche zuspitzen, der Glaube an eine bessere oder überhaupt an eine Zukunft zu schwinden droht. Das Projekt zeigt, dass Strukturwandel so gestaltet werden kann, dass Bedürfnisse und Werte verschiedener gesellschaftlicher Interessengruppen Gehör finden. Lokale Zugehörigkeit, Heimat, Familie müssen kein Gegensatz sein zu Vielfalt, ökologischer Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, digitaler Modernisierung, starker Wirtschaft, in einem regionalen Rahmen, in dem es nicht darum geht, sich in ideologischen Gräben zu verschanzen, sondern wo man sich zusammen um einen konkreten Ort sorgt und wieder beginnt, Zukunft gemeinsam zu gestalten.
Ekhart Hahn bei Radio evolve: https://www.youtube.com/watch?v=tNwR9G71Zjo&t=987s
Author:
Prof. Dr. Ekhart Hahn
Share this article:
Related Articles:
The Hope We Find In The Unimagined Possibilities
Nora Bateson is the daughter of the systemic thinker Gregory Bateson. In continuation of his work she is researching our being and acting in the many contexts in which our lives take place. She also believes that we will only be able to understand the climate crisis properly if we take these many contexts of our individual and social lives into account.
Robin Alfred has lived in the eco-village of Findhorn in Scotland for many years. Now he applies what he learned about the power of listening and openness to greater intelligence in his work as a consultant in collective fields, and to find impetus for a new activism.