Das Erwachen zur Kreativität

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Kolumne
Published On:

July 15, 2024

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Ausgabe 43 / 2024
|
July 2024
Spirituelle Resilienz
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Als ich eines Abends durch Substack, eine Plattform für Kulturschaffende, blätterte, wurde mir klar, dass es ein Erwachen zur Kreativität, tiefer Kreativität, gibt. In welchen kulturellen Umfeldern kann ich nicht sagen. In meinem eigenen Umfeld natürlich, aber ich habe das Gefühl, dass es darüber hinaus in die weitere »Noosphäre« gelangt. Das wurde mir in einer Weise klar, wie einem die meisten Dinge klar werden: in einem einzigen, lebendigen, überwältigenden Moment, der sich schon seit langer Zeit diskret abzeichnete, wie eine Sehnsucht, die immer lauter wird, bis sie nicht mehr beängstigt.

Die Unterströmung in laufenden kulturellen Gesprächen über das Gute, Wahre und Schöne im Leben nimmt zu – und dabei beklagen viele von uns den Schwund unserer kreativen Fähigkeiten im Zuge des digitalen Zeitalters, des Konsums und der übermäßigen Anforderungen des Kapitalismus. Die Menschen möchten nicht wie Maschinen behandelt werden. Und sie haben die Statusspiele satt, die zum Berufsrisiko eines jeden »Wissensarbeiters« geworden sind. Irgendetwas muss passieren, höre ich es aus den Rissen des öffentlichen Diskurses flüstern.

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Als ich eines Abends durch Substack, eine Plattform für Kulturschaffende, blätterte, wurde mir klar, dass es ein Erwachen zur Kreativität, tiefer Kreativität, gibt. In welchen kulturellen Umfeldern kann ich nicht sagen. In meinem eigenen Umfeld natürlich, aber ich habe das Gefühl, dass es darüber hinaus in die weitere »Noosphäre« gelangt. Das wurde mir in einer Weise klar, wie einem die meisten Dinge klar werden: in einem einzigen, lebendigen, überwältigenden Moment, der sich schon seit langer Zeit diskret abzeichnete, wie eine Sehnsucht, die immer lauter wird, bis sie nicht mehr beängstigt.

Die Unterströmung in laufenden kulturellen Gesprächen über das Gute, Wahre und Schöne im Leben nimmt zu – und dabei beklagen viele von uns den Schwund unserer kreativen Fähigkeiten im Zuge des digitalen Zeitalters, des Konsums und der übermäßigen Anforderungen des Kapitalismus. Die Menschen möchten nicht wie Maschinen behandelt werden. Und sie haben die Statusspiele satt, die zum Berufsrisiko eines jeden »Wissensarbeiters« geworden sind. Irgendetwas muss passieren, höre ich es aus den Rissen des öffentlichen Diskurses flüstern.

Zahlreiche bekannte Intellektuelle kündigen an, den Ring der Hyperin-tellektualität zu verlassen und sich stattdessen für eine einfache Arbeit zu entscheiden. Sie tauschen Theorien des Wandels gegen Poesie ein, in der Hoffnung, dass ihre neue Ausrichtung das Leben in schweren Zeiten wenigstens lebenswert macht, anstatt einer Tätigkeit, bei der es darum geht, alles penibel bis ins kleinste Detail zu analysieren. Viele von uns schütteln alte Gewohnheiten, alte Sichtweisen auf die Wirklichkeit, alte Prägungen ab, um angesichts des drohenden Kollapses widerstandsfähigere, lebensbejahende Wurzeln und Verbindungen zu entwickeln.


»In seiner freiesten Ausprägung ist das Intellektuelle das Kreative.«

Mit dem Aufkommen von »Imaginationspraktiken« und der Popularität des Storytelling und der Mythologie als solchen wird klar, dass die Kreativität als eine Fähigkeit, die es zu feiern und klug zu nutzen gilt, ihr Comeback erlebt. Nicht, dass sie jemals wirklich verschwunden wäre, sie wurde vielmehr durch die Vorherrschaft der »Rationalität« verdrängt. Ich werde hier nicht das Wort »intellektuell« verwenden, weil ich glaube, dass es in diesem Zusammenhang zu Unrecht verteufelt wurde. Intellektuell bedeutet für mich etwas Erotisches, Lebendiges, Tiefgründiges – in seiner freiesten Ausprägung ist das Intellektuelle eigentlich das Kreative.

Die Analyse ist eine wunderbare Sache, die zu tiefgreifenden Erkenntnissen führen kann, aber in vielen Fällen sind wir mit ihr am Ende des Weges angelangt. Die Zeiten erfordern einen anderen Ansatz. Die klügeren Vernunftbegabten haben dies verstanden und wenden sich, unter großer Belastung für ihre öffentliche Identität, indirekteren Erkenntnismethoden zu, die das Risiko mit sich bringen, einen wie einen Idioten – oder eben wie einen Menschen – aussehen zu lassen. Diejenigen, die für Nuancen und Komplexität eintreten, werden erkennen, dass Kreativität und Intellektualismus keine Gegensätze sind, wie uns einige Narrative glauben machen wollen. Stattdessen erkennen sie diesen Moment des kreativen kulturellen Erwachens als eine Gelegenheit, beide Fähigkeiten so klug, experimentell und kreativ wie möglich miteinander zu verbinden.

Wirklich schöpferisch zu sein und eng mit dem eigenen kreativen Kern verbunden zu sein, erfordert Mut. Du strebst nicht mehr das Numinose an, du bist darin eingewoben. Das erfordert, sich dem Anderen, dem Jenseitigen hinzugeben. Der sichere Raum der Vernunft kann dich hier nicht schützen. Dieser Sprung ist genau das, was in diesem Moment der zivilisatorischen Krise gefordert ist. Kreieren bedeutet, lebendig zu sein.

Wenn wir auf unsere Kreativität verzichten, vergeuden wir etwas Unermessliches. In einer Zeit, in der wir mit den Folgen unseres Handelns konfrontiert werden, mögen manche sagen, es sei keine Zeit für solche Leichtsinnigkeiten, aber unsere Antworten auf die Krise werden nicht allein durch Analyse besser, sondern durch eine klare Sicht – und eine klare Sicht erhält man nur, wenn man über die Fassade der Vernunft hinausblickt, die unsere Kultur wie Scheuklappen vor das Leben gelegt hat.

Author:
Hannah Close
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