Ich beschäftige mich seit Jahrzehnten mit der Frage, wie die strukturelle Gewalt unserer Kultur überwunden werden kann. Doch ich habe sie nie als Patriarchat bezeichnet. Als ich begann, mich mit diesen Themen zu befassen, erlebte ich die feministische Debatte als so festgefahren, dass ich instinktiv einen weiten Bogen um alle damit assoziierten Begriffe machte. Auch heute, wo feministische Themen neu aufgegriffen und diskutiert werden, finde ich es zwar wichtig, Dinge beim Namen zu nennen, doch erlebe ich gerade den Begriff Patriarchat als wenig hilfreich. Er führt immer wieder zu falschen Rückschlüssen, die dann erst mühsam ausgeräumt werden müssen, was den meisten Menschen jedoch viel zu anstrengend ist.
Ein Klassiker ist hier natürlich die Annahme, dass das Patriarchat die Herrschaft von Männern über Frauen sei und eine Überwindung dessen demnach die »Herrschaft« von Frauen über Männer. Jeder Mensch, der sich auch nur ein bisschen mit dem Thema befasst hat, weiß natürlich, dass das Quatsch ist. Das Problem ist nur, dass wir in einer Zeit leben, in der viele Menschen sich nicht tiefer mit Themen beschäftigen, was sie aber nicht davon abhält, sich in den sozialen Medien darüber auszulassen und damit zu polarisieren.
Ich beschäftige mich seit Jahrzehnten mit der Frage, wie die strukturelle Gewalt unserer Kultur überwunden werden kann. Doch ich habe sie nie als Patriarchat bezeichnet. Als ich begann, mich mit diesen Themen zu befassen, erlebte ich die feministische Debatte als so festgefahren, dass ich instinktiv einen weiten Bogen um alle damit assoziierten Begriffe machte. Auch heute, wo feministische Themen neu aufgegriffen und diskutiert werden, finde ich es zwar wichtig, Dinge beim Namen zu nennen, doch erlebe ich gerade den Begriff Patriarchat als wenig hilfreich. Er führt immer wieder zu falschen Rückschlüssen, die dann erst mühsam ausgeräumt werden müssen, was den meisten Menschen jedoch viel zu anstrengend ist.
Ein Klassiker ist hier natürlich die Annahme, dass das Patriarchat die Herrschaft von Männern über Frauen sei und eine Überwindung dessen demnach die »Herrschaft« von Frauen über Männer. Jeder Mensch, der sich auch nur ein bisschen mit dem Thema befasst hat, weiß natürlich, dass das Quatsch ist. Das Problem ist nur, dass wir in einer Zeit leben, in der viele Menschen sich nicht tiefer mit Themen beschäftigen, was sie aber nicht davon abhält, sich in den sozialen Medien darüber auszulassen und damit zu polarisieren.
Eine weitere Fehlannahme, zu der der Begriff Patriarchat verleitet, ist jene, dass es sich hierbei um etwas handelt, das Männer Frauen antun. Wir begeben uns mitten in ein klassisches Dramadreieck, in dem die Rollen ein für alle Mal verteilt sind: Männer sind Täter und Frauen sind Opfer. Hinter diesem Drama verschwindet die viel komplexere Realität, dass Patriarchat eine Form der Sozialisierung ist, die alle Menschen betrifft. Diese Sozialisierung wird von Frauen und Männern (genau wie von nicht-binären, jedoch in diese Kategorien einsortierten Personen) aufrechterhalten und weitergegeben.
Wenn wir jedoch erstmal im Täter-Opfer-Denken gelandet sind, ist es unglaublich schwierig, einen gemeinsamen Weg aus einem kulturellen Paradigma zu finden, das uns alle krank macht. Wir bleiben damit in genau dem Gegeneinander, das es eigentlich zu überwinden gilt. Das aktuelle Erstarken von konservativem, rechtem, fundamentalistischem, traditionalistischem und vielfach auch frauenfeindlichem Gedankengut zeigt, dass dieser Ansatz nach hinten losgeht.
Gerade junge Männer wandern nach rechts. Ein Bekannter erzählte mir, wie schockiert er war, als sein Sohn plötzlich mit rechtem Gedankengut sympathisierte. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sein Sohn sich einfach nach einer Welt sehnte, in der er nicht automatisch Täter ist, einfach nur weil er ein Mann ist.
»Wir sind aufgefordert, unsere Konfliktkompetenz zu entwickeln.«
Doch wie können wir thematisieren, dass wir in einer destruktiven Kultur leben, die es zu überwinden gilt, wenn der Begriff Partiarchat wenig hilfreich ist? Ich bevorzuge es, von Dominanzkultur oder Konkurrenzparadigma zu sprechen. Diese Begriffe lassen meiner Erfahrung nach deutlich weniger falsche Assoziationen aufkommen. Wenn ich von Dominanzkultur spreche, ist sofort klar, dass Dominanz und Unterwerfung das Problem sind, unabhängig davon, wer welche Position einnimmt. Der Begriff Konkurrenzparadigma zeigt, dass es darum geht, das Gegeneinander zu überwinden und Kooperation zu erlernen.
Natürlich möchte ich durch Verwendung dieser Begriffe nicht kaschieren, dass wir in einer Welt leben, in der Männer immer noch sehr häufig Frauen dominieren. Doch das Problem ist nicht primär, wer wen dominiert, sondern dass Dominanz, Gewalt und Krieg weiterhin als legitime Strategien im Umgang mit Konflikten betrachtet werden. Das bedeutet nicht, dass es egal ist, wer wen dominiert. Oder dass es sich nicht lohnt, sich mit den unterschiedlichen Prägungen von männlichen und weiblichen Wesen in unserer Kultur zu befassen. Doch damit erfahren wir noch nicht, wie wir diese destruktive Kultur überwinden können. Die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Unterdrückung gibt uns keine Information darüber, wo die Reise hingeht.
Wenn wir die Geschichte in der Sprache von Dominanz und Unterwerfung, Konkurrenz und Kooperation erzählen, finden wir auch sehr schnell eine Antwort auf eine der drängendsten Fragen unserer Zeit: Welche positive Rolle haben Männer in einer post-patriarchalen Kultur? Sie haben die gleiche Rolle wie wir alle, die das Gewaltparadigma überwinden wollen. Wir haben die Aufgabe, unsere Macht zu entwickeln und konstruktiv einzusetzen, um Machtmissbrauch Grenzen zu setzen. Wir sind aufgefordert, unsere Konfliktkompetenz zu entwickeln, um Konflikte kooperativ lösen zu können. Und wir brauchen Möglichkeiten, unser Selbstwertgefühl über unsere Talente und unseren Beitrag zur Gesellschaft zu definieren, statt über die Dominanz und Unterdrückung Schwächerer. Darüber hinaus sind wir gefordert, die Wunden, Traumatisierungen und das tiefe Misstrauen zu heilen, das die letzten Jahrtausende struktureller Gewalt in uns und zwischen uns hinterlassen haben.