Globale Universität

Our Emotional Participation in the World
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Interview
Published On:

July 14, 2015

Featuring:
Peter Merry
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Issue:
Ausgabe 07 / 2015
|
July 2015
Die Zukunft in uns
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Bildung für eine neue Welt

Die Ubiquity University ist ein ambitioniertes globales Projekt akademischer Bildung, das auf integralen Prinzipien basiert. Wir sprachen mit Peter Merry, der bei Ubiquity für die Entwicklung der Lernstruktur verantwortlich ist, über eine Bildung, die neben Wissensvermittlung auch die innere Entwicklung der Studenten und die praktische Umsetzung von Projekten fördert.

evolve: Die Ubiquity University ist eine neue, globale Lernplattform, die ein integrales Verständnis von Bildung anwendet. Welche Ideen liegen der Universität zugrunde?

Peter Merry: Für unsere Bildungsinitiative gibt es drei wichtige Punkte. Als Erstes möchten wir Inhalte zur Verfügung stellen, die für die heutigen Lebensbedingungen relevant sind. Die erlernten Inhalte sollen den Menschen helfen, die Welt, so wie sie heute ist, zu verstehen. Studenten brauchen sowohl einen kritischen Verstand, mit dem sie der Welt begegnen können, als auch neue Perspektiven in allen Bereichen. Bildung muss sich heute der noch nie da gewesenen Komplexität und Geschwindigkeit von Veränderung stellen. Das zeigt die Notwendigkeit eines integralen Bewusstseins, das mit dieser Art von Komplexität effektiv umgehen kann. Das integrale Bewusstsein basiert auf einer Haltung, in der so viele Perspektiven wie möglich einbezogen werden.

Der zweite Beweggrund ist der Zugang zu Bildung. In den Vereinigten Staaten sind die Darlehenszinsen für Studenten höher als die für Kreditkartenschulden, sodass sich sehr viele Menschen kein Studium leisten können. Das gilt auch für andere westliche Länder und umso mehr für Entwicklungsländer. In diesen Ländern ist es nicht nur eine Kostenfrage, sondern auch eine Frage der Infrastruktur. Das bedeutet, dass jedes Jahr Millionen junger Leute für eine höhere Bildung qualifiziert werden, für die es aber nicht genug Studienplätze gibt. Wir sprachen zum Beispiel mit dem Staatssekretär für Bildungs in Sri Lanka, der uns sagte, dass in seinem Land jedes Jahr 200.000 für eine höhere Bildung qualifizierte junge Menschen nicht studieren können. Die Möglichkeit, diesen Studenten nicht nur eine höhere, sondern eine transformatorisch angelegte Bildung anbieten zu können, ist eine ungeheure Chance.

¬ UNSER ZIEL IST ES, EINE WELTWEITE GEMEINSCHAFT VON VERÄNDERUNGSGESTALTERN ZU SCHAFFEN. ¬

Der dritte Beweggrund ist der pädagogische Ansatz. Normalerweise wird höhere Bildung hauptsächlich kognitiv vermittelt, sie fokussiert sich also auf die rationale, intellektuelle Entwicklung der Studenten. Aber die heutigen Lebensbedingungen erfordern einen ganzheitlichen Ansatz. Mit dem integralen Bezugsrahmen arbeiten wir heraus, dass es neben dem Studium spezifischer, objektiver Inhalte auch die Entwicklung innerer Dimensionen bedarf, um zu lernen, mit anderen in unterstützender und sich gegenseitig stärkender Weise zusammenzuarbeiten.

e: Können Sie Ihren pädagogischen Ansatz näher beschreiben?

PM: Wir konzipierten einen dreifachen Lernansatz, der den »Großen Drei« der integralen Theorie entspricht – der subjektiven Dimension des Ich, der intersubjektiven Dimension des Wir und der objektiven Dimensionen des Es. Neben dem akademischen Studium beinhaltet unser Ansatz ein Modul Selbstentwicklung, das die innere Entfaltung der Studenten anspricht. Dazu nutzen wir beispielsweise Meditationstechniken, Qigong oder die Integrale Lebenspraxis. Der dritte Teil unseres Bildungsansatzes sind praktische Erfahrungen in Veränderungsprojekten und kreativer Zusammenarbeit. Unser Ziel ist es, eine weltweite Gemeinschaft von Veränderungsgestaltern zu schaffen, die relevante Inhalte studieren und selbst erarbeiten, um den notwendigen Wandel in ihrer Umgebung zu bewirken. Manche Studenten bringen ihre eigenen Projekte ein, aber wir haben auch ein Programm konzipiert, in dem wir ihnen grundlegende Fertigkeiten vermitteln, wie ein Projekt oder ein soziales Business entwickelt werden kann.

e: Wo stehen Sie jetzt mit dem Aufbau der Ubiquity University?

PM: Wir haben im September 2012 begonnen und bis jetzt 2,8 Millionen Dollar gesammelt und investiert, im wesentlichen von Freunden und Familienmitgliedern im Rahmen eines Sozialunternehmens (Benefit Corporation). Und wir suchen noch weitere Investoren, die mit unseren Werten übereinstimmen. Wir haben Kurse für ein Bachelor-Programm und drei Master-Programme entwickelt, wobei wir uns zunächst auf soziale Innovation und soziales Unternehmertum konzentrieren. Und wir haben gerade einen Betatest unserer Lernplattform mit zwei Kursen beendet. Im Mai begannen wir mit dem Master-Kurs »Transformatorische Führungsstrategie und Governance« und im September werden wir weitere Bachelor- und Master-Kurse anbieten.

e: Ubiquity ist eine virtuelle Universität. Wie wird das funktionieren?

PM: In den letzten zwei Jahren arbeiteten wir daran, eine soziale Lernplattform aufzubauen. Die Generation der Jahrtausendwende wuchs mit sozialen Netzwerken auf; um zur Zusammenarbeit zu inspirieren, brauchen wir also eine Plattform mit einer geeigneten sozialen Funktionalität. Wir haben eine face­book-ähnliche Lernplattform geschaffen, auf der man Freunde und Gruppen findet und Diskussionen kommentieren kann. Die Inhalte der Kurse sind in diese Plattform eingebunden. So sind die Studierenden Teil einer globalen Lerngemeinschaft. Ubiquity wird als Plattform funktionieren, auf der auch Kurse von anderen Anbietern integriert werden, die unsere Vision teilen. Die Plattform selbst wird offen sein, auch für Leute, die einige Kurse als Teil ihres lebenslangen Lernens belegen wollen. Wir haben die Vision einer Lern- und Innovationsplattform, wo Leute die Kompetenzen lernen und entwickeln können, die sie brauchen, um kon­struktiv die Welt mitgestalten zu können. Diese Online-Gemeinschaft wird zudem Möglichkeiten anbieten, Menschen lokal zusammenzubringen. Dafür haben wir in den Ländern Partner, die Ubiquity repräsentieren, und die Treffen vor Ort ermöglichen sollen. Zur Zeit haben wir Partner in Sri Lanka, Indien, Russland, Süd-Amerika, Australien und in einigen europäischen Ländern. Wir wollen auch sogenannte Ubiquity-Botschafter entwickeln, die von unserer Vision begeistert sind und als lokale Ansprechpartner dienen, bei denen man sich treffen kann.

e: Unter den Lehrenden sind innovative Denker wie Ken Wilber, Paul Ray und Ervin ­Laszlo. Haben die Dozenten bei Ihnen eine andere Funktion als in der herkömmlichen akademischen Bildung?

PM: Die Dozenten haben eine andere Rolle als gewöhnlich, wo sie sich als Experten verstehen, die immer den gleichen Input geben. Bei Ubiquity müssen sich die Lehrenden zu Beginn fragen, welche Kompetenzen die Studierenden lernen sollen. Dann entwerfen sie das dazu passende Programm. Dafür können sie ihr eigenes Material benutzen wie Videos und Artikel, aber auch andere verfügbare Ressourcen. So wählen die Dozenten Lernquellen aus, um den Studierenden zu helfen, die spezifischen Kompetenzen zu entwickeln. Sie müssen auch Wege finden, um herauszufinden, ob diese Kompetenzen erreicht wurden. Das Ziel ist nicht nur, Wissen zu vermitteln, sondern die Studierenden in die Lage zu versetzen, einen systemischen Wandel in der Welt zu bewirken.

Author:
Mike Kauschke
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