Einander zum Leuchten bringen

Our Emotional Participation in the World
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Interview
Publiziert am:

January 27, 2025

Mit:
Simon Marian Hoffmann
Kategorien von Anfragen:
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AUSGABE:
Ausgabe 45 / 2025
|
January 2025
Lebendige Praxis
Diese Ausgabe erkunden

Bildung neu leben

Simon Marian Hoffmann setzt sich dafür ein, dass die Bildung junger Menschen neu gedacht und gestaltet wird. Mit dem Film »Bildungsgang« und dem Projekt »Bildungsbrief« möchte der Künstler und Aktivist neue Impulse setzen. Wir sprachen mit ihm über ein künstlerisches Verständnis von Bildung.


evolve:
Wie könnte die Schule der Zukunft sein? Welches Potenzial siehst du?

Simon Marian Hoffmann: Das Potenzial von Schulräumen ist, dass junge Menschen zusammenkommen und Zukünftiges entwickeln. Sie forschen, erkunden und finden heraus, was ihnen wirklich wichtig ist. Es geht darum, den einzelnen Menschen in seiner Würde anzuerkennen und ihm die Freiheit zuzusprechen, der zu sein, der er wirklich sein möchte. Wenn wir es als Gesellschaft schaffen, ein Umfeld zu kreieren, in dem junge Menschen in Freiheit wachsen können, dann entstehen Wohlstand, Fülle und eine Kultur des Miteinanders. Erst dann können wir den Wandel schaffen, der in so vielen Feldern unserer Gesellschaft dringend notwendig ist.

e: Wie kann so eine Art von selbstbestimmtem Lernen aussehen?

SMH: Ich habe dafür den »Bildungsbrief« mitentwickelt. Das ist ein Selbstprüfungstool, in dem ich mir meine Lernziele selbst stecke und mir Mentor:innen suche, von denen ich lernen kann. Am Ende prüfe ich mich selbst darauf, ob ich das, was ich mir vorgenommen habe, gelernt oder umgesetzt habe. Dieses Werkzeug ermöglicht es, dass Kinder und Jugendliche selbst für ihre Bildung verantwortlich sind. Natürlich braucht es Begleitung, doch vielmehr im Hinblick auf den Umgang miteinander, die gegenseitige Unterstützung und das soziale Gefüge, nicht so sehr im Hinblick auf die Lerninhalte.

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Bildung neu leben

Simon Marian Hoffmann setzt sich dafür ein, dass die Bildung junger Menschen neu gedacht und gestaltet wird. Mit dem Film »Bildungsgang« und dem Projekt »Bildungsbrief« möchte der Künstler und Aktivist neue Impulse setzen. Wir sprachen mit ihm über ein künstlerisches Verständnis von Bildung.


evolve:
Wie könnte die Schule der Zukunft sein? Welches Potenzial siehst du?

Simon Marian Hoffmann: Das Potenzial von Schulräumen ist, dass junge Menschen zusammenkommen und Zukünftiges entwickeln. Sie forschen, erkunden und finden heraus, was ihnen wirklich wichtig ist. Es geht darum, den einzelnen Menschen in seiner Würde anzuerkennen und ihm die Freiheit zuzusprechen, der zu sein, der er wirklich sein möchte. Wenn wir es als Gesellschaft schaffen, ein Umfeld zu kreieren, in dem junge Menschen in Freiheit wachsen können, dann entstehen Wohlstand, Fülle und eine Kultur des Miteinanders. Erst dann können wir den Wandel schaffen, der in so vielen Feldern unserer Gesellschaft dringend notwendig ist.

e: Wie kann so eine Art von selbstbestimmtem Lernen aussehen?

SMH: Ich habe dafür den »Bildungsbrief« mitentwickelt. Das ist ein Selbstprüfungstool, in dem ich mir meine Lernziele selbst stecke und mir Mentor:innen suche, von denen ich lernen kann. Am Ende prüfe ich mich selbst darauf, ob ich das, was ich mir vorgenommen habe, gelernt oder umgesetzt habe. Dieses Werkzeug ermöglicht es, dass Kinder und Jugendliche selbst für ihre Bildung verantwortlich sind. Natürlich braucht es Begleitung, doch vielmehr im Hinblick auf den Umgang miteinander, die gegenseitige Unterstützung und das soziale Gefüge, nicht so sehr im Hinblick auf die Lerninhalte.

e: Welche praktischen Erfahrungen hast du in der Anwendung des »Bildungsbriefs« gemacht?

SMH: Ich arbeite selbst mit dem Bildungsbrief. Vor ein paar Jahren habe ich mir geschrieben, dass ich Filmemacher werden möchte. So ist der Film »Bildungsgang« entstanden: aus einem Herzensanliegen, das Thema Bildung in die öffentliche Aufmerksamkeit zu bringen. In dem Film reflektieren unterschiedliche junge Menschen – von der Schulabbrecherin bis zur Mathematik-Studentin – über ihre Schulerlebnisse. Entstanden ist ein Film, der selbst ein Beispiel dafür ist, wie Bildung sein kann, wenn Schüler mehr selber machen dürfen und wenn jeder das entwickelt, was er sich wünscht, und das lernt, was er lernen möchte.

e: Was hat sich durch den Film für dich geändert?

SMH: Wenn du als junger Mensch Dinge ansprichst, die dir wichtig sind, hört dir leider oft niemand zu. Das ist ein gesellschaftliches Problem, weil es uns an unserer Entwicklung hindert. Die jungen Menschen kommen neu auf diese Erde, sie haben einen neutralen Blick, sie sehen, was funktioniert und was nicht. Das ist ein wertvolles Feedback, vor dem sich unsere Gesellschaft leider immer noch zu sehr verschließt. Erst seit ich es geschafft habe, diesen Film ins Kino zu bringen – in ein anerkanntes, erwachsenes Medium – hört man mir zu.

Nach dem Film habe ich ein neues Projekt gestartet. Momentan baue ich eine neue Form von Hochschule auf, keine University, sondern eine UniArtCity. Das ist ein Ort, der es Student:innen ermöglicht, frei zu forschen und das Erforschte in Form von Kunst durch einen Bildungsbrief individuell auszudrücken.

e: Kannst du uns mehr über die UniArtCity erzählen?

SMH: Wir haben ein Gelände gepachtet, das »Flow Valley«, auf dem mehrere Gebäude und Naturbauten stehen und an dem aktuell zwölf junge Menschen mit dem Bildungsbrief studieren. Die UniArtCity ist nach dem Prinzip der Ästhetik errichtet, das heißt, dass alles in einem ästhetischen Sinne aufgebaut ist und nicht primär nach der Funktonalität. Wir haben viel mit Licht und offenen Naturräumen gearbeitet, in denen der Wind durch Glockenspiele hindurch weht und bezaubernde Töne von sich gibt.

»Wenn wir nicht beieinander sind, kann sich nichts zwischen uns bilden.«

Es war unser Anliegen, eine Ästhetik auf mehreren Ebenen wie Natur, Kultur und Architektur herzustellen. Die Inspiration dazu kam aus den ästhetischen Briefen von Friedrich Schiller: »Der Mensch kann Moral erst bilden, wenn er eine ästhetische Umgebung hat.« Es ist empirisch belegbar, dass Ästhetik vor allem im Sozialen eine große Auswirkung in unserem Leben hat, und doch steht sie in unserer Gesellschaft viel zu oft im Hintergrund. Was im System zählt, sind Wissenschaft, Zahlen, Daten und Fakten. Mit der UniArtCity wollen wir Lernräume und Wachstum mit äußerer Schönheit und Ästhetik im Miteinander, das heißt, in einer liebevollen Begegnung verbinden.

e: Deine Arbeit lebt davon, junge Menschen dazu einzuladen, sich selbst für eine neue Art der Bildung einzusetzen und sie mitzugestalten. Wie gelingt dir das?

SMH: Ich mache Kunstaktionen. So kann ich alle erreichen. Auch Menschen mit Migrationshintergrund, die man sonst leider oft nicht erreicht. Alle haben Lust auf Musik, Rap, Theater, Kunst in ihrer Vielfältigkeit. Sie möchten sich ausdrücken. In all meinen Projekten habe ich immer mit Kunstaktionen gearbeitet und mit Menschen angefangen, denen ich begegnet bin.

e: Wie gestaltest du diese Art von Treffen?

SMH: Wenn ich für ein großes Projekt in einen Raum einlade, sprechen wir am Anfang alle gemeinsam darüber, wie das aussehen kann. Welche Visionen und Wünsche sind im Raum? Wir hören jede einzelne Stimme, bis alles gesagt ist. Außerdem beginne ich jedes Treffen mit einem Check-in, um alle in einen gemeinsamen Raum zu holen. Die Präsenz in einem gemeinsamen Raum ist der Anfang von allem, was sich kulturell zwischen uns bilden kann. Am Ende jedes Tages steht eine kurze Reflexion darüber, wie es für jeden war und was wir mitnehmen. Das sind für mich Grundbausteine. Daneben braucht es Ausdrucksmöglichkeiten für jeden. Jeder braucht eine Aufgabe, und am besten ist es, wenn jeder sie sich selber stellt. Wenn jemand darin zu unsicher ist, braucht es Einladungen. Oft sehen wir einander besser, als wir uns selbst sehen können.

e: Davon ließe sich einiges auf den Alltag in Schulen übertragen.

SMH: Ja, jeder Morgen sollte in der Schule mit einem Check-in beginnen, weil der Lehrer sonst vor die Kinder tritt und einfach zu sprechen anfängt, obwohl die Schüler nicht im selben Raum sind. Der eine ist noch bei sich zuhause, weil die Eltern sich gestritten haben, der andere ist verliebt. Wenn wir nicht beieinander sind, kann sich nichts zwischen uns bilden. Außerdem sollte das Licht der einzelnen Schüler viel mehr gesehen werden. Die Momente, in denen sie strahlen und lachen. Wenn wir uns in unseren Potenzialen miteinander verbinden, dann passieren Wunder, die wir uns gar nicht vorstellen können.

e: Woraus schöpfst du Kraft?

SMH: Wenn ich Gedanken und Ideen, die nicht meine sind, sondern die allen gehören, einlade, durch mich in dieser Welt wirksam zu werden, dann habe ich richtig viel Energie und das Gefühl, dem Ganzen zu dienen. Mit dieser Energie kann ich dann die ganzen kleinen Schritte gehen, die es braucht, um Dinge umzusetzen: Telefonate führen, organisieren, Listen schreiben und ähnliches. Wenn ich mit dieser Idee zu einem anderen Menschen gehe und der Feuer fängt, sie zu seiner Idee macht und wir gemeinsam dieser Idee dienen, dann ist da ein Funke, der uns gemeinsam trägt. So bringen wir uns gegenseitig zum Leuchten und zum gemeinsamen Gestalten in dieser Welt.

Author:
Julia Wenzel
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