Eine neue menschliche Möglichkeit
Dialogische Erfahrungen ermöglichen uns eine tiefere zwischenmenschliche Begegnung. Es gibt viele Praktiken, die diesen Raum authentischer, ehrlicher und heilsamer Beziehungen eröffnen. In den tiefsten und oft auch als sakrale Momente erlebten Erfahrungen zeigt sich in diesem Zwischenraum für Menschen eine Anwesenheit, die über uns als Einzelne hinausgeht und darauf hindeutet, dass sich ein neuer Lebensraum öffnet.
Unser Menschsein entfaltet sich in wachsenden Kreisen von Beziehung. Jede dieser Formen von Bezogenheit eröffnet eine andere Welt. In den letzten Jahrzehnten wurden vermehrt dialogische Praxisformen entwickelt oder wiederentdeckt, die eine inter-personelle Ich-Du-Beziehung erforschen, meist in einem Wir-Raum von mehreren Menschen. Es sind Praxisformen wie Way of Council, Circling, Surrendered Leadership, Dialog nach David Bohm, Authentic Relating und viele andere. In diesen Begegnungsräumen erleben Teilnehmende eine tiefe Würdigung ihres Menschseins und einer offenen, verletzlichen, wertschätzenden, achtsamen und oftmals auch heilenden Begegnung im Zwischenmenschlichen.
In den tieferen Momenten der Praxis scheint sich manchmal eine Art Umstülpung zu ereignen: Es sind nicht so sehr die individuellen Menschen, die eine gemeinsame Mitte bilden, sondern der Raum oder das Feld zwischen ihnen versammelt die Menschen in einer Erfahrung der Nichtgetrenntheit. Es scheint eine dynamische, schöpferische Verbundenheit auf, oder besser: Die schon immer bestehende Einbettung in das Ganze des Lebens wird vergegenwärtigt. Es ist eine Erfahrung des Interbeing, in dem aus der authentischen Anwesenheit jedes Einzelnen ein neu emergierendes Gemeinsames entsteht, das die Einzelnen zugleich transzendiert. Man könnte es als intersubjektiven Bewusstseinsraum bezeichnen, dessen Grundlage die Ich-Du-Beziehung oder die Erfahrung eines Wir ist, die aber auch darüber hinausgeht. Es scheint so, als würde das lebendige Feld zwischen den Menschen eine eigene Wesenhaftigkeit, Ausrichtung und Lebenskraft entfalten, an der die Anwesenden teilhaben. In diesem Prozess wird eine neue Identität, vielleicht sogar ein neues Menschensein spürbar, das aus der Teilhabe am lebendigen Ganzen atmet.
Wirklich gesehen werden
In der Praxis von Emergent Interbeing, die wir im Kontext von evolve World erforschen, steht die Öffnung eines Feldes der Gegenwärtigkeit zwischen uns, in dem wir gemeinsam bewusst anwesend sind und zusammen in eine schöpferische Bewegung finden, im Zentrum des Forschens. In Gesprächen mit erfahrenen Praktikern dialogischer Beziehungsräume wollte ich erfahren, ob diese kollektive Präsenz auch in den Praktiken auftaucht, die darauf abzielen, zwischenmenschliche Nähe und Verbundenheit zu fördern.
Eine dieser Praxisformen ist der Way of Council, der aus Kreisgesprächen der indigenen Kulturen Nordamerikas schöpft. Im deutschsprachigen Raum praktiziert und lehrt Holger Heiten diese Dialogform schon viele Jahre. In unserem Gespräch führt er Martin Bubers Satz »Der Mensch wird am Du zum Ich« als eine seiner tiefen Einsichten im Council an: »Buber legt Wert darauf, dass es ein Du ist, das mit mir gegenwärtig ist, das mich wirklich meint, das mich wirklich hört und das mich wirklich sieht.« Das Council ist für Heiten ein Raum, in dem das möglich wird: »Es bietet ein Setting an, wo wir uns vornehmen, füreinander dieses Du zu sein und uns damit das größte Geschenk zu machen, das wir uns geben können.«
Eine neue menschliche Möglichkeit
Dialogische Erfahrungen ermöglichen uns eine tiefere zwischenmenschliche Begegnung. Es gibt viele Praktiken, die diesen Raum authentischer, ehrlicher und heilsamer Beziehungen eröffnen. In den tiefsten und oft auch als sakrale Momente erlebten Erfahrungen zeigt sich in diesem Zwischenraum für Menschen eine Anwesenheit, die über uns als Einzelne hinausgeht und darauf hindeutet, dass sich ein neuer Lebensraum öffnet.
Unser Menschsein entfaltet sich in wachsenden Kreisen von Beziehung. Jede dieser Formen von Bezogenheit eröffnet eine andere Welt. In den letzten Jahrzehnten wurden vermehrt dialogische Praxisformen entwickelt oder wiederentdeckt, die eine inter-personelle Ich-Du-Beziehung erforschen, meist in einem Wir-Raum von mehreren Menschen. Es sind Praxisformen wie Way of Council, Circling, Surrendered Leadership, Dialog nach David Bohm, Authentic Relating und viele andere. In diesen Begegnungsräumen erleben Teilnehmende eine tiefe Würdigung ihres Menschseins und einer offenen, verletzlichen, wertschätzenden, achtsamen und oftmals auch heilenden Begegnung im Zwischenmenschlichen.
In den tieferen Momenten der Praxis scheint sich manchmal eine Art Umstülpung zu ereignen: Es sind nicht so sehr die individuellen Menschen, die eine gemeinsame Mitte bilden, sondern der Raum oder das Feld zwischen ihnen versammelt die Menschen in einer Erfahrung der Nichtgetrenntheit. Es scheint eine dynamische, schöpferische Verbundenheit auf, oder besser: Die schon immer bestehende Einbettung in das Ganze des Lebens wird vergegenwärtigt. Es ist eine Erfahrung des Interbeing, in dem aus der authentischen Anwesenheit jedes Einzelnen ein neu emergierendes Gemeinsames entsteht, das die Einzelnen zugleich transzendiert. Man könnte es als intersubjektiven Bewusstseinsraum bezeichnen, dessen Grundlage die Ich-Du-Beziehung oder die Erfahrung eines Wir ist, die aber auch darüber hinausgeht. Es scheint so, als würde das lebendige Feld zwischen den Menschen eine eigene Wesenhaftigkeit, Ausrichtung und Lebenskraft entfalten, an der die Anwesenden teilhaben. In diesem Prozess wird eine neue Identität, vielleicht sogar ein neues Menschensein spürbar, das aus der Teilhabe am lebendigen Ganzen atmet.
Wirklich gesehen werden
In der Praxis von Emergent Interbeing, die wir im Kontext von evolve World erforschen, steht die Öffnung eines Feldes der Gegenwärtigkeit zwischen uns, in dem wir gemeinsam bewusst anwesend sind und zusammen in eine schöpferische Bewegung finden, im Zentrum des Forschens. In Gesprächen mit erfahrenen Praktikern dialogischer Beziehungsräume wollte ich erfahren, ob diese kollektive Präsenz auch in den Praktiken auftaucht, die darauf abzielen, zwischenmenschliche Nähe und Verbundenheit zu fördern.
Eine dieser Praxisformen ist der Way of Council, der aus Kreisgesprächen der indigenen Kulturen Nordamerikas schöpft. Im deutschsprachigen Raum praktiziert und lehrt Holger Heiten diese Dialogform schon viele Jahre. In unserem Gespräch führt er Martin Bubers Satz »Der Mensch wird am Du zum Ich« als eine seiner tiefen Einsichten im Council an: »Buber legt Wert darauf, dass es ein Du ist, das mit mir gegenwärtig ist, das mich wirklich meint, das mich wirklich hört und das mich wirklich sieht.« Das Council ist für Heiten ein Raum, in dem das möglich wird: »Es bietet ein Setting an, wo wir uns vornehmen, füreinander dieses Du zu sein und uns damit das größte Geschenk zu machen, das wir uns geben können.«
»Unser Menschsein entfaltet sich in wachsenden Kreisen von Beziehung.«
Wenn Menschen in dieser Weise zusammenkommen, dann werden Machthierarchien überwunden und es können Lösungen gefunden werden, die in herkömmlichen Gesprächen nicht möglich wären. Heiten berichtet von einem schwierigen Treffen des Verbands der Visionssucheleiter vor vielen Jahren, in dem es darum ging, ob es Richtlinien für die Ausbildung von Visionssucheleiterinnen geben sollte. Die Sichtweisen lagen weit auseinander. Aber jeder sprach aus seinem Herzen, aus seiner eigenen Betroffenheit. Und alle Anwesenden konnten diese Aufrichtigkeit nur bestätigen. Weil auf diese Weise alle merkten, wie wichtig ihnen diese Praxis der Visionssuche war, kam es nicht zur Spaltung der Gruppe, man blieb zusammen. »Das war für mich eine ganz wichtige Erfahrung, die mich regelrecht verlieben ließ in diese Form der Kommunikation, die eigentlich eine Form des Seins ist«, sagt Heiten. Dies ist ein wunderbares Beispiel für eine Ich-Du-Praxis, bei der jeder Einzelne gesehen wird.
Eine sakrale Mitte
Aber Heiten erklärt auch, dass in der Tiefe der Praxis etwas in der Gruppe als Ganzes entsteht. Er nennt es die »sakrale Mitte«. Wenn Menschen aus dem Nichtwissen sprechen, begegnen sie einander in ihrem Wesen, jenseits von Konventionen und Konditionierungen. Und in dieser Mitte kann sich auch eine Präsenz zeigen, die über das menschlich Verbindende hinausgeht und für Heiten etwas zutiefst Berührendes ist: »Wenn wir in dieser fast andächtigen Form um eine sakrale Mitte herum sitzen, darauf vertrauend, dass aus dieser Mitte heraus etwas emergiert, was keiner von uns vorher hat wissen können, und wenn wir uns diesem Nichtwissen aussetzen, dann kann uns wieder etwas zustoßen, was uns sonst gar nicht mehr passiert, weil wir immer schon alles zu wissen glauben. Das gehört zu den schönsten Erlebnissen im Council. Das ist für mich pathetisch gesprochen besser als jeder Gottesdienst. Ein alles zusammennehmender Heiliger Geist wird spürbar. Und das ist eine spirituelle Erfahrung.«
In solchen Momenten vergegenwärtigen wir unsere Nichtgetrenntheit als Menschen in dem EINEN Leben, so Heiten: »Wir kommen aus demselben Urgrund, wir sind eins. Wir sind miteinander verbunden. Wir sind inter-verbunden mit allem. Wir sind das All-Eine und gleichzeitig ein individueller Ausdruck dieses All-Einen. Diese spirituelle Erfahrung wird durch ein Council, das wirklich seine Mitte teilt, in uns angesprochen. Das Wissen oder Lösungen und Potenziale, die darin aufsteigen, kommen aus einer solchen Tiefe, aus der all-verbundenen Welt.« Und diese sakrale Mitte wird geteilt – eine kollektive Erfahrung des Bewusstseins.
Präsent in Verbindung
Eine andere Dialogpraxis, die weite Anwendung findet, ist Circling. Sean Wilkinson praktiziert diese Form schon viele Jahre und hat sie mit anderen zu einer Praxis weiterentwickelt, die »Surrendered Leadership« genannt wird. Auch hier wird der Wert der zwischenmenschlichen Begegnung wiederentdeckt. Die Praxis basiert auf der »Absicht, präsent zu sein, und der Bereitschaft, sich auf die Verbindung einzulassen und sie bewusst wahrzunehmen«, erklärt Wilkinson. »Diese Kombination ist sehr wirkungsvoll – wenn du bereit bist, wirklich zu erfahren, was in dir ist, und gleichzeitig zu erfahren, wie es für dich ist, mit mir zu sein.«
In der Praxis wird ein Raum geöffnet, in dem die Menschen aus der eigenen Wahrnehmung sprechen können. Sie sind auch eingeladen, spontanen Impulsen zu folgen, wenn sie mit einer anderen Teilnehmerin in Resonanz gehen, zum Beispiel zu einer Person zu gehen, die gerade Unterstützung braucht. So bilden sich im Dialog auch kleine Aufstellungen, die den momentanen kollektiven Energiefluss wiedergeben und zu Momenten der Heilung und Integration führen. In solchen Prozessen wird eine zunehmende gemeinsame Präsenz spürbar. Es ist, so Wilkinson, »ein erhöhter Bewusstseinszustand, der durch den Kontakt von Mensch zu Mensch, insbesondere durch den kollektiven menschlichen Kontakt entsteht. Es scheint so, als ob das Sein uns die Möglichkeit gibt, seine Tiefen und Geheimnisse zu erfahren, indem wir uns gemeinsam mehr zeigen.« Ein Merkmal dieses intersubjektiven Bewusstseins ist für ihn ein neuer Umgang mit Komplexität.
Wahrheit und Liebe
Bei Dialogen zu komplexen Fragen wie Klimawandel, Frau und Mann, Kapitalismus oder Krieg erlebt Wilkinson, dass durch die verschiedenen Perspektiven, Erfahrungen und Hintergründe der Beteiligten die Komplexität der Welt lebendig wird: »Man lernt, bewusst in der Komplexität zu manövrieren.«
Die Verbindung unserer Verschiedenheit in einem dialogischen Prozess bezeichnet er auch als Mixed Mystical Arts. Wenn verschiedene Menschen zusammenkommen, ein Therapeut, eine Körpertherapeutin, ein Geschäftsmann, eine politische Aktivistin, eine Künstlerin und so weiter, wird die Fähigkeit trainiert, über die Grenzen verschiedener Sichtweisen hinweg gemeinsam zu forschen.
Wilkinson berichtet, dass dieser Austausch etwas im Beziehungsfeld eröffnet. Unsere Verschiedenheit findet dann in eine Verbundenheit, die für Wilkinson gleichzusetzen ist mit Liebe: »Wenn man diese kollektive Liebe bewusster erlebt, hat man auf einer tieferen Ebene Zugang zur Wahrheit. Nicht die Wahrheit der objektiven Welt, sondern Wahrheit als der schwer fassbare Prozess der ständigen Entfaltung von Beziehung, derer man sich bewusst werden kann und mit der man verbunden ist. Aus dieser Verbundenheit entsteht ein Gefühl von Wahrheit. Dieser Tanz zwischen Liebe und Wahrheit ereignet sich in den tiefsten Momenten eines Kreises.« Während diese Praxis die Menschen zum Teilen einlädt, entsteht dabei eine Liebe, die eine tiefere gemeinsame Wahrheit hervorbringt.
Energiefluss im sozialen Körper
Aus der Qualität des Tänzerischen schöpft auch Arawana Hayashi. Sie verbindet in ihrer Methode des Social Presencing Theater, die sie gemeinsam mit Otto Scharmer entwickelt hat, ihre Erfahrung als Tänzerin und als buddhistisch Praktizierende mit ihrem Interesse an der Transformation von sozialen Systemen. So wie der Tanz dazu einlädt, die immer wieder auftauchenden und sich verändernden Empfindungen im physischen Körper wahrzunehmen, ist es auch möglich, den sozialen Körper zu spüren, sowohl seine festgefahrenen Stellen als auch sein Potenzial, sich zu bewegen und zu verändern.
»Es wird eine neue Identität spürbar, die aus der Teilhabe am lebendigen Ganzen atmet.«
Für Hayashi liegt der Ausgangspunkt ihrer Arbeit in einer buddhistischen Grundannahme vom inneren Gutsein eines jeden Menschen: »In meiner Arbeit geht es um die Qualität der Beziehungen in Gruppen, Teams oder Organisationen. Das fängt damit an, dass man in sich selbst und in anderen die grundlegende Güte des Menschseins erkennen kann. Menschen sind grundsätzlich neugierig, freundlich und fürsorglich, aber das wird von so vielen Schichten mit Konditionierungen, konzeptionellen Rahmen, Identitäten, Geschichten und Ängsten überdeckt, dass wir das nicht immer an der Oberfläche von uns selbst und anderen sehen.« Ein Anliegen des Social Presencing Theater ist es also, uns gegenseitig als Individuen in unserer Güte zu sehen.
Unsere Konditionierungen zeigen sich auch in sozialen Gewohnheiten, deshalb geht es bei den Übungen im Social Presencing Theater darum, uns unseres Umgangs mit anderen Menschen bewusst zu werden: »Wir kultivieren die Fähigkeit, unser Herz weit genug auszudehnen, um Menschen einzubeziehen, vor allem Menschen, die wir nicht mögen und mit denen wir nicht einverstanden sind.« Bei der Methode gehen die Teilnehmenden von ihren Wahrnehmungen im Körper aus. Sie sehen und spüren die Beziehungsfelder der Kontexte, in denen sie leben und arbeiten. Die Darstellung physischer Skulpturen der festgefahrenen Orte führt zu Einsichten und Handlungen, die frisch und ungezwungen sind. Bei der Darstellung von Systemen werden die Präsenz der Erde, die vom System nicht beachteten Gruppen und das höchste Potenzial des Systems einbezogen.
Eine erleuchtete Gesellschaft
In dieser Sichtweise enthalten auch unsere sozialen Systeme ein innewohnendes Gutsein. Für Hayashi verbindet sich das mit einer Vision ihres buddhistischen Lehrers Chögyam Trungpa, der von einer erleuchteten Gesellschaft sprach. Die höchste Möglichkeit eines sozialen Körpers vergleicht sie mit dem Tanz: »Ich wurde als Tänzerin ausgebildet, und der Tanz ist etwas anderes als die Tänzer. Die Tänzer nehmen am Tanz teil, aber er ist etwas Eigenständiges.« Ganz ähnlich versteht Otto Scharmer Organisationen als Lebewesen und fragt: Wenn diese Organisation ein Lebewesen wäre, was würde es sagen?
»In den Erfahrungen unserer Einbettung in ein schöpferisches Ganzes bildet sich ein neuer kultureller Attraktor.«
Im Social Presencing Theater wird versucht auf diese Stimme zu lauschen, die als eine Anwesenheit auch spürbar ist: »Es ist eine energetische Wachsamkeit, eine kollektive Präsenz, die über die Menschen, die daran teilnehmen, hinausgeht. Hin und wieder spüren wir eine kreative Kraft. Ich kann sie nicht wirklich beschreiben, aber sie entspringt der Qualität der Beziehungen zwischen den Menschen.« Für Hayashi tritt die Methode hier in eine besondere Atmosphäre, die sie mit Ritualen vergleicht: »Im besten Fall ist Social Presencing Theater wie eine Zeremonie oder ein Ritual, das uns mit dieser kreativen Kraft verbinden kann. Und es verleiht den Menschen mehr Inspiration und Energie für die transformativen Projekte, die sie für den Planeten verfolgen.« Diese »Präsenz« – der Tanz jenseits der Tänzer – ist etwas zwischen und jenseits der Individuen.
Eine neue menschliche Möglichkeit
In den Gesprächen mit diesen Praktizierenden und Lehrenden einer dialogischen Beziehungspraxis zeigte sich für mich eine gemeinsame Signatur. In der wertschätzenden interpersonellen Begegnung erwächst in tiefen Momenten eine intersubjektive Anwesenheit eines ungetrennten Feldes, das die Teilnehmenden zutiefst berührt und oft auch verwandelt. Die sich entfaltende Innerlichkeit des Menschen erweitert sich vom eigenen Ich-Raum zum Ich-Du-Wir-Raum der zwischenmenschlichen Beziehung bis hin zu Öffnungen eines Interbeing-Raumes gemeinsam geteilter Innerlichkeit, in der sich das Leben in seiner wesentlichen, heiligen Einheit vergegenwärtigt. Zunächst sind das Erfahrungen, die die einzelnen Beteiligten machen, aber darin scheint die Möglichkeit auf, die Fixierung im eigenen Ich und in Bezug zum Du zu öffnen und sich gemeinsam tiefer im ungetrennten Ganzen des Lebens zu gründen. Das Erleben einer sakralen Präsenz in der Mitte, die schöpferische Integration unserer Verschiedenheit, ein neuer Umgang mit Komplexität aus der Offenheit des gemeinsamen Gewahrseins heraus und die Wesenhaftigkeit des intersubjektiven Zwischenraums scheinen Wahrnehmungen und Fähigkeiten zu sein, die sich darin zeigen. Hier erschließt sich uns ein dialogischer Forschungsraum für ein Menschsein in Verbundenheit, in dem wir gemeinsam neu lernen können, in und mit der Welt zu sein.
Nachdem ich mit diesen Praktikern gesprochen hatte, war ich erstaunt, dass in der Tiefe ihrer Praxisformen zur Vertiefung der zwischenmenschlichen Verbindung etwas Gemeinsames und Ganzes auftaucht. Auf unterschiedliche Weise ausgedrückt, erkennt jeder von ihnen die Präsenz von etwas, das über die Individuen hinausgeht und zwischen den Teilnehmenden an diesen Praktiken lebendig wird.
Diese Erfahrungen des Interbeing liegen an der Grenze des mit Worten Ausdrückbaren, aber darin zeigt sich eine Öffnung unserer menschlichen Identität über einen getrennten Individualismus hinaus. Darin sind wir schon immer Teil und Mitgestaltende eines größeren Ganzen. Das ist unsere eigentliche, umfassendere Identität, die wir in unserer Verschiedenheit vergegenwärtigen und in eine schöpferische Bewegung bringen können. Es eröffnet einen neuen Weltraum des Interbeing. Darin liegt auch eine kulturelle Relevanz. Wir sehen heute ein reifes Individuum und eine gelungene Ich-Du-Beziehung als erstrebenswerte menschliche Ausdrucksformen. In den Erfahrungen unserer Einbettung in ein schöpferisches Ganzes bildet sich eine neue menschliche Möglichkeit, gleichsam ein neuer kultureller Attraktor: Wir können die Absolutsetzung des Individuums und seiner Bezogenheiten überschreiten und uns in eine größere Welt einbetten, die uns als Mitgestaltende des multidimensionalen EINEN Lebens befreit, verbindet, verwandelt und erfüllt.