Die Aktionen der »Letzten Generation«, die immer wieder kontrovers diskutiert werden, deuten auf ein psychisches Leiden hin, das noch nicht wirklich verstanden wird: Es ist eine Angst vor den Folgen der globalen Erderwärmung, die uns zum Umdenken auffordert.
Wir leben in einer Zeit, in der sich Aktivisten die »Letzte Generation« nennen, weil ihnen von der rationalen Wissenschaft gesagt wurde, dass sie diejenigen sind, die jetzt handeln müssen, weil uns die Zeit davonläuft. Aber neben dem »zivilen Ungehorsam« von ökologischen Aktivisten geschieht kollektiv etwas anderes, was noch kaum thematisiert wird: Die Zahl der Menschen, die tatsächlich glauben, sie seien die letzte Generation von Menschen auf diesem Planeten, nimmt – besonders unter jungen Menschen – tatsächlich kontinuierlich zu.
Das erste Mal in der Geschichte der Menschheit stehen wir Heutigen vor der Situation, wo wir als Spezies selbst unsere eigenen Lebensgrundlagen und das Leben, das aus uns in die Zukunft hinein entstehen mag, wissend nachhaltig schädigen und zerstören. Das macht eine Angst, die über die uns bekannten pathologischen Angstzustände hinausgeht. Bernd Rieken, Direktor der Wiener Sigmund-Freud-Universität, sagt: »Diese neue ›Öko-Angst‹ vor den negativen Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels nimmt massiv zu. Das ist eine existenzielle allgemein verbreitete Angst.« Angst als ein Massenphänomen einer Gegenwart, die wir erleben und in ihren Ausprägungen nicht mehr einordnen können. Und Angst vor einer Zukunft, die für uns und besonders für unsere Kinder und Enkel immer weniger sicher erscheint. Daraus entsteht ein Phänomen, das es bisher so nicht gab, jüngst aber als neuer Begriff der »Klimaangst« in die Sprache aufgenommen wurde.
Die Aktionen der »Letzten Generation«, die immer wieder kontrovers diskutiert werden, deuten auf ein psychisches Leiden hin, das noch nicht wirklich verstanden wird: Es ist eine Angst vor den Folgen der globalen Erderwärmung, die uns zum Umdenken auffordert.
Wir leben in einer Zeit, in der sich Aktivisten die »Letzte Generation« nennen, weil ihnen von der rationalen Wissenschaft gesagt wurde, dass sie diejenigen sind, die jetzt handeln müssen, weil uns die Zeit davonläuft. Aber neben dem »zivilen Ungehorsam« von ökologischen Aktivisten geschieht kollektiv etwas anderes, was noch kaum thematisiert wird: Die Zahl der Menschen, die tatsächlich glauben, sie seien die letzte Generation von Menschen auf diesem Planeten, nimmt – besonders unter jungen Menschen – tatsächlich kontinuierlich zu.
Das erste Mal in der Geschichte der Menschheit stehen wir Heutigen vor der Situation, wo wir als Spezies selbst unsere eigenen Lebensgrundlagen und das Leben, das aus uns in die Zukunft hinein entstehen mag, wissend nachhaltig schädigen und zerstören. Das macht eine Angst, die über die uns bekannten pathologischen Angstzustände hinausgeht. Bernd Rieken, Direktor der Wiener Sigmund-Freud-Universität, sagt: »Diese neue ›Öko-Angst‹ vor den negativen Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels nimmt massiv zu. Das ist eine existenzielle allgemein verbreitete Angst.« Angst als ein Massenphänomen einer Gegenwart, die wir erleben und in ihren Ausprägungen nicht mehr einordnen können. Und Angst vor einer Zukunft, die für uns und besonders für unsere Kinder und Enkel immer weniger sicher erscheint. Daraus entsteht ein Phänomen, das es bisher so nicht gab, jüngst aber als neuer Begriff der »Klimaangst« in die Sprache aufgenommen wurde.
Im vergangenen Jahr hat eine Studie der TUI-Stiftung festgestellt, dass junge Menschen offenbar mehr Angst vor dem Klimawandel als vor dem Ukrainekrieg haben. Europaweit sollen danach 76 Prozent der jungen Menschen zwischen 16 und 26 Jahren unter Klimaangst leiden. In Deutschland sind es laut einer Studie des Sinus-Instituts rund 80 Prozent der Jugendlichen, die sich akut vor den Folgen einer erhitzten Atmosphäre fürchten. Das sind gewaltige Zahlen bei der Generation, die mit den Folgen der Krise nicht nur umzugehen hat, sondern die sehr viel wird tun müssen, um eine Apokalypse zu verhindern. Es sind Ängste, die uns warnen, lähmen, aber auch – im besten Falle – wachrütteln können. Das geschieht bislang nur bei wenigen. Warum?
Es sind Ängste, die »neu« sind, für die wir keine innere Geschichte haben, die wir in unserer Sozialisation nicht haben einüben können. Jochen von Wahlert, medizinischer Leiter der psychosomatischen Privatklinik in Bad Grönenbach, beobachtet in seiner therapeutischen Praxis »nicht-fühlbare Gefühle« angesichts des Offensichtlichen: »Offensichtliche Gefühle wären ja, dass wir nachts aufwachen und schweißgebadet sind von der Vorstellung, dass der Wald sterben könnte oder dass wir bald kein sauberes Trinkwasser mehr haben. Bis jetzt ist es aber nicht erlebbar und wird deswegen ausgeblendet.«
Dabei versteht der moderne Mensch intellektuell, dass er durch seinen Lebensstil zum Mittäter an der Klimakrise wird und eigentlich gegen sich selbst vorgehen müsste. Aber die Motivation, die Handlungsbereitschaft und die Fähigkeit zur Umsetzung leiden offenbar, wenn der Kopf überfordert wird, der emotionale Körper und das Herz aber eigentlich gar nicht berührt sind. Die Spannung zwischen Wissen und Fühlen zwingt die Psyche also, sich die Realität so zurechtzubiegen, dass wir weiter funktionieren können. Also wird in kognitiver Dissonanz verdrängt, verleugnet, vergessen, verschoben – während unter der Oberfläche die Sorgen brodeln, das Leben der eigenen Kinder bedroht scheint, vermeintliche zeitlose Sicherheiten wegbröseln. All das durch Wegdrücken auszuhalten, verlangt eine enorme Kraftanstrengung. »Diese Diskrepanz«, sagt der Psychotherapeut Jochen von Wahlert, »trägt dazu bei, dass immer mehr Menschen nicht mehr richtig bei sich sind und die Diagnose Depression so eine Hochkonjunktur hat.«
Die Konsequenzen sind immens, denn es bleiben nicht nur die Lösungen für den Klimawandel auf der Strecke, sondern die Verleugnung des Themas macht zudem auch noch die Gesellschaft als Ganzes krank – es führt in eine kollektive Depression. Es gilt also anzuerkennen, dass da ein gesamtgesellschaftliches medizinisches Problem vor uns liegt: eine mögliche Welle von kollektiven Angstzuständen und psychosomatischen Depressions- und Angst-Erkrankungen in weiten Teilen der Gesellschaft, deren Dimension wir noch nicht abschätzen können – und auf die wir bislang nicht wirklich vorbereitet sind. Die therapeutische Szene verdrängt bislang kräftig mit und verschließt die Augen, erstellt individuelle Pathologien, um der kollektiven auszuweichen. Es braucht also dringend neue Ansätze, mit dieser neuen Form von »Gefühlen zum Zustand der Erde« umzugehen.
»Es braucht neue Ansätze, mit den ›Gefühlen zum Zustand der Erde‹ umzugehen.«
Umweltpsychologen empfehlen entsprechend, bei den Appellen zu klimafreundlichem Verhalten viel mehr das Herz und die Gefühle anzusprechen als nur den überforderten Verstand. Statt erfolglos globale Lösungen zu diskutieren, brauche es lokale Ansätze vor der eigenen Haustür, wo Veränderung erlebt werden kann. Statt mit kommenden Katastrophen zu drohen, sollten Geschichten von Lösungen erzählt werden, die Hoffnung machen und zur Nachahmung einladen. Statt mit dem moralischen Zeigefinger auf bestrafende Regeln zu setzen, sollten Lob und Belohnung eingesetzt werden. Statt Ängste verdrängend zu verschweigen, sollte eingeladen werden, sie offen zu teilen. Deutlich wird, dass wir im Umgang mit Klima- und Zukunftsangst einen anderen kollektiven Ansatz brauchen, in dem der kranke Umgang mit der Welt auf den Prüfstand gehört, weil es den Erdorganismus schädigt, Flora und Fauna gefährdet und auch den ins Gesamtsystem integrierten Menschen schädigt und krank macht.
Das größere lebende System ist aus dem Gleichgewicht, und daraus entstehen in der Folge Krankheit oder psychische Krisen bei den Subsystemen, den Menschen und ihren sozialen Systemen und Gemeinschaften. Grundsätzlich wird hier deutlich, dass Klimakrise und Zukunftsangst Symptome sind, die eigentlich eine gesamtgesellschaftliche Therapie mit dem Ziel eines Weltbildwandels verlangen, für die sich psychologische Fachkräfte aber in der Regel nicht zuständig fühlen.
Eigentlich muss man sagen: Wenn jemand in eine Krise gerät und Verzweiflung spürt, ist er eigentlich nicht krank und therapiebedürftig, sondern zeigt eine letztlich gesunde Reaktion. Das heißt, dass diejenigen, bei denen die Angst aufsteigt, eigentlich auf einem Weg der Gesundung sind. Das Problem sind jene, die in der Verdrängung verharren. Einer Klientel von unbekannter Größe müssten erst einmal die verdrängte Zukunftsangst und ihre Folgen für die eigene Lebensqualität bewusst werden.
Die zentrale Mangelerfahrung scheint dabei die subjektive Wahrnehmung von Abgetrenntheit und Isolation zu sein, die meist mit Zukunftsangst einhergeht: Die tief zugrunde liegende Wahrnehmung, etwas anderes zu sein als die uns umgebende Natur. Psychologisch und philosophisch kann also eine tiefe kollektive Abspaltung vom größeren interdependenten Lebensnetz diagnostiziert werden. Basis ist die fehlerhafte Überzeugung, in einer von uns getrennten, bedrohlichen Um-Welt zu leben, nicht aber in einer verbundenen Mit-Welt, von der wir Teil sind. Diesen Weltbildwandel gilt es auf allen Ebenen zu unterstützen und zu befördern.
Da muss eine ganze Kultur ihre Scheuklappen aufbiegen, um die Welt in einer größeren Perspektive zu erkennen. Da muss sich ein Bildungssystem ein neues Fundament bauen und über ein 400-jähriges Maschinen-Weltbild hinauswachsen, da muss eine globalisierte Wirtschaft auf internationale Kooperation setzen statt auf nationale Vorteile und Handelskriege.
Die Hoffnung ist, dass der moderne Mensch so zum Teil der Lösung wird, anstatt weiter das Problem zu sein. Dass wir die Umwelt als Mitwelt begreifen und wie ein Teil unserer selbst schützen und bewahren. Dieser entscheidende kulturelle, ethische, aber auch psychologische Wandel wird Zeit brauchen, die die Menschheit eigentlich nicht mehr hat. Und dabei hat wahrscheinlich auch die therapeutische Arbeit einen Paradigmenwechsel zu vollziehen – sowohl in der individuellen Begleitung als auch in der psychologischen Begleitung des gesamten Kulturwandels.