Das Wunder der Entfaltung
Rolf Verres’ Weg in die Welten des Bewusstseins
October 28, 2024
François Demange hat viele Jahre von indigenen Kulturen und deren Umgang mit Pflanzen gelernt und dabei seine eigene Art entwickelt, mit Pflanzen zu kommunizieren. Was zeigt sich in diesem Dialog mit den Kräften des Lebendigen? Und wie verbindet sich diese Erfahrung mit einem bewussten menschlichen Miteinander?
evolve: Was bedeutet es, mit der Pflanzenwelt zu kommunizieren?
François Demange: Die indigenen Völker haben sich über ihre Verbindung mit den Ritualen ihrer Ahnen eine Sprache erhalten, durch die sie mit den Kräften der Natur in Verbindung stehen. In einigen dieser Kulturen sind Pflanzen sehr wichtig, sie gelten als Lehrer. In früheren Zeiten der Menschheitsentwicklung kannte man in allen Kulturen der Welt die Fähigkeit, sich mit dem Wesen der Pflanzen zu verbinden, vor der Christianisierung auch in Westeuropa. Die Eiche, die Mistel, der Holunder, die Weide, die Artemisia oder der Beifuß sind Pflanzen, die zu unserem kollektiven Erbe gehören. Damals wurden sie im rituellen Kontext verwendet, um die Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen zu erhöhen.
Die Natur selbst kommuniziert durch eine Sprache der Energie oder Lebenskraft, und es gibt viele Kulturen, die von einer universellen Lebenskraft sprechen. In deren Realität verfügen Steine, Wasser, Wind, Erde, Feuer und Pflanzen über diese Lebenskraft. Bei den indigenen Völkern des Amazonas gibt es ein ganzes System der Heilung, bei dem man sich mit Pflanzen verbindet, um die Verbindung mit der Natur zu stärken.
Die Natur hat eine ganz eigene Schwingung, die einfach Natur ist. Wir leben unser menschliches Leben, füttern unseren Körper mit Dingen, die alle möglichen Stoffe enthalten. Unsere Lebensweise in Städten und Dörfern harmoniert nicht mehr mit der uns umgebenden Natur. Ich will das nicht verurteilen, aber wenn wir der Energie der Natur wieder näher sein wollen, müssen wir uns auf sie einschwingen.
François Demange hat viele Jahre von indigenen Kulturen und deren Umgang mit Pflanzen gelernt und dabei seine eigene Art entwickelt, mit Pflanzen zu kommunizieren. Was zeigt sich in diesem Dialog mit den Kräften des Lebendigen? Und wie verbindet sich diese Erfahrung mit einem bewussten menschlichen Miteinander?
evolve: Was bedeutet es, mit der Pflanzenwelt zu kommunizieren?
François Demange: Die indigenen Völker haben sich über ihre Verbindung mit den Ritualen ihrer Ahnen eine Sprache erhalten, durch die sie mit den Kräften der Natur in Verbindung stehen. In einigen dieser Kulturen sind Pflanzen sehr wichtig, sie gelten als Lehrer. In früheren Zeiten der Menschheitsentwicklung kannte man in allen Kulturen der Welt die Fähigkeit, sich mit dem Wesen der Pflanzen zu verbinden, vor der Christianisierung auch in Westeuropa. Die Eiche, die Mistel, der Holunder, die Weide, die Artemisia oder der Beifuß sind Pflanzen, die zu unserem kollektiven Erbe gehören. Damals wurden sie im rituellen Kontext verwendet, um die Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen zu erhöhen.
Die Natur selbst kommuniziert durch eine Sprache der Energie oder Lebenskraft, und es gibt viele Kulturen, die von einer universellen Lebenskraft sprechen. In deren Realität verfügen Steine, Wasser, Wind, Erde, Feuer und Pflanzen über diese Lebenskraft. Bei den indigenen Völkern des Amazonas gibt es ein ganzes System der Heilung, bei dem man sich mit Pflanzen verbindet, um die Verbindung mit der Natur zu stärken.
Die Natur hat eine ganz eigene Schwingung, die einfach Natur ist. Wir leben unser menschliches Leben, füttern unseren Körper mit Dingen, die alle möglichen Stoffe enthalten. Unsere Lebensweise in Städten und Dörfern harmoniert nicht mehr mit der uns umgebenden Natur. Ich will das nicht verurteilen, aber wenn wir der Energie der Natur wieder näher sein wollen, müssen wir uns auf sie einschwingen.
»Wenn wir der Energie der Natur wieder näher sein wollen, müssen wir uns auf sie einschwingen.«
Bei den Ureinwohnern des Amazonas gibt es dafür spezielle Rituale, bei denen sie lange Zeit im Wald verbringen, bestimmte Nahrungsmittel und Pflanzen zu sich nehmen oder darin baden. Ihre innere Energie stimmt sich auf die Energie der natürlichen Umgebung ein, und es kann eine energetische Kommunikation entstehen. Sie werden bei diesen Ritualen auch nicht durch technologische Einflüsse oder persönliche Alltagsangelegenheiten abgelenkt. Sie tauchen ganz in die Natur ein und stellen eine Brücke zur Welt der Natur her. So verfeinert sich ihre Wahrnehmung, und sie können die Umgebung der Natur besser spüren.
Nach einer gewissen Zeit entwickelt sich dann ganz von selbst die Fähigkeit, die Energie der Pflanzen und ihre Sprache zu hören. Das geschieht durch eine bewusste Offenheit, ein bewusstes Zuhören.
Die ganzheitliche Medizin des Amazonasgebietes verwendet auch entheogene oder psychedelische Pflanzen. Ich mag das Wort en-theo-gen, weil damit eine Verbindung mit Gott oder mit spirituellem Erwachen hergestellt wird. Eine dieser Pflanzen, eigentlich ein Gebräu aus zwei Pflanzen, der Banisteriopsis caapi und der Psychotria viridis, ist heute als Ayahuasca sehr bekannt. Es verändert die Struktur deines Wesens, so dass sich deine Wahrnehmung erweitert. Es beschleunigt die Neurotransmitter im Gehirn. Deine fünf Sinne werden geschärft. Es verbindet dich mit dem Netz des Lebens, mit der universellen Lebenskraft, und du beginnst, die dich umgebende Wirklichkeit zu fühlen.
Wenn du Ayahuasca trinkst und einen Baum ansiehst, hast du keine Halluzinationen. Der Baum verwandelt sich nicht in eine riesige Person, die mit dir spricht oder ähnliches, er ist einfach ein Baum – aber voller Leben. Es ist nicht nur die Vorstellung, dass die Natur lebt, sondern du kannst fast die Adern des Baumes sehen, den Sauerstoff, der durch seine Blätter fließt, und das Licht des Lebens in ihm. Ayahuasca ist eine Medizin, die die Wahrnehmung verstärkt und das Energienetz der Welt, in der wir leben, sichtbar macht. Sie hinterlässt eine Prägung im Körper, durch die sich die Fähigkeit verstärkt, im Laufe der Zeit diese Verbundenheit zu vertiefen.
Auf das Leben einstimmen
e: Du sprichst davon, dich einzuschwingen, und davon, dass Pflanzen wie Ayahuasca dir dabei helfen. Auf was stimmst du dich ein? Wie verändern diese Kommunikation und dieser Dialog deine Wahrnehmung und dich selbst?
FD: Wir haben immer eine Menge Lärm und viele Geschichten im Kopf. Doch die Energie des Lebens fordert uns auf, auf etwas zu lauschen, bei dem es nicht um uns geht. Dazu müssen wir lernen, loszulassen und zu unterscheiden, ob unser Zuhören tatsächlich von einem Ort des gefühlten, wahrnehmenden und verwurzelten Zuhörens kommt. Es ist wie ein Muskel, den man in sich selbst entdecken muss. Das ist es, was ich mit Einstimmen meine.
Um diese intuitive Fähigkeit ausdrücken zu können, braucht es Anleitung durch Menschen, die mit dem rituellen Aspekt vertraut sind und Erfahrung damit haben. Sie können die Bedingungen schaffen, unter denen sich diese Fähigkeit entwickeln kann.
»Die Natur selbst kommuniziert durch eine Sprache der Energie oder Lebenskraft.«
Indem wir den Verstand loslassen, entdecken wir, dass Worte in einem Raum Schwingungen und Kraft übermitteln. Auch indem wir jetzt miteinander kommunizieren, drücke ich mich im Raum aus. Meine Worte werden von dir empfangen und in deinem Verstand interpretiert, aber sie haben auch eine Auswirkung auf den Raum, in dem wir uns gemeinsam befinden. Und während ich spreche, verschiebt sich meine Aufmerksamkeit. Ich höre auf den gemeinsamen Raum, in dem wir uns befinden, und ich höre auf die Worte, die ich verwende.
Psychedelische Renaissance
e: Wir leben in einer Zeit, die als psychedelische Renaissance bezeichnet wird und in der viele Menschen mithilfe von Pflanzen wie Ayahuasca tiefe Erfahrungen machen, wie du sie beschrieben hast, und die Arbeit mit dieser Methode hat dich als Mensch sehr geprägt. Aber nicht jedem geht es dabei um die Veränderung seiner Selbstwahrnehmung. Wie kam es, dass das bei dir der Fall war?
FD: Die psychedelische Renaissance hat verschiedene Ebenen. Eine davon ist, zu erkennen, dass psychedelische Substanzen das Potenzial haben, uns zu helfen, den Stress der Realität, in der wir leben, zu mildern, ebenso wie die komplexen Symptome, mit denen wir zum Beispiel durch PTBS oder Sucht konfrontiert sind. Auch die Wissenschaft hat akzeptiert, dass hier Antworten liegen, auch wenn diese wissenschaftlich noch nicht völlig nachvollziehbar sind. Es gibt also eine gewisse Öffnung.
Manchmal kann es vielleicht helfen, einfach nur eine schwierige Situation zu überwinden, ohne dass damit der Wunsch nach Transformation verbunden ist. Doch in den meisten Fälle erkennen Menschen durch psychedelische Erfahrungen, dass alles miteinander verbunden ist, dass wir alle in Beziehung stehen. Die Lakota nennen diese Erkenntnis mitakuye oyasin – wir alle sind miteinander verbunden.
Mir ging es bei diesen Erfahrungen immer darum, diese Verbindung zu verstehen, und tief in meinem Inneren habe ich nach etwas gesucht, das mir diese Verbundenheit ermöglicht. Dazu braucht es Aufmerksamkeit, und es gilt, einen Fokus zu haben. Lediglich eine magische Substanz einzunehmen ist nicht genug. Es bedarf einer Anstrengung.
Und dann ist da noch der Aspekt der Krise. Ich selbst habe viele existenzielle Krisen durchgemacht, die mich gezwungen haben, im Äußeren Möglichkeiten zu suchen, diese Verbindung zu erfahren, denn ich war nicht in der Lage, sie aus mir selbst heraus herzustellen. Oft bringt eine Krise Menschen dazu, über sich hinauszuwachsen. Möglicherweise gibt es die Renaissance der Psychedelika deshalb in der jetzigen globalen Krise. Vielleicht rückt sie ins Bewusstsein unserer westlichen Gesellschaft, weil wir, als Verursacher, im Zentrum dieser Krise stehen.
In der Welt, in der wir leben, ist es Teil unserer Aufgabe, alle unsere menschlichen Fähigkeiten wiederzuentdecken. Dazu gehört die Erfahrung, dass die Sprache, mit der wir mit unserer Umwelt in Verbindung treten, heilig ist.
Damit werden wir uns der Lebendigkeit, die wir in dieser wunderschönen Welt miteinander teilen, stärker bewusst. Und wenn wir das gemeinsam tun, liegt darin die Möglichkeit eines neuen Miteinander.
Ein neues Miteinander
e: Wir beide kennen diese Verbundenheit aus unserer Arbeit mit intersubjektiven Bewusstseinsräumen, die wir als Emergent Interbeing bezeichnen. Wie kam es zu deinem Interesse an der Arbeit mit dieser Praxis der gemeinsamen Präsenz in einem dialogischen Prozess?
FD: Freiheit war mir schon immer wichtig. Doch es gibt die Freiheit des Einzelnen und es gibt die Freiheit im Miteinander. Und was ist echte Freiheit? Ich wurde in eine wohlhabende Pariser Familie hineingeboren, die großen politischen und finanziellen Einfluss besaß. Doch als ich begriff, dass diese Macht falsch angewandt wurde, zog es mich zur Spiritualität und der spirituellen Verbindung mit der indigenen Welt. Dann erkannte ich, dass es auch beim Schamanismus in gewisser Weise um das Erlangen von Macht geht. Wenn du dich mit anderen verbinden, dich auf sie einlassen kannst und sie durch Energiearbeit und Heilmethoden unterstützt, erhältst du Macht. Manche Menschen nutzen sie zum Guten, andere für weniger gute Dinge. Doch immer üben sie Einfluss aus.
In der peruanischen Naturmedizin glaubt man an Hexerei, bei der Elemente der Natur benutzt werden, um die Gesundheit von Menschen oder ihre Entscheidungen zu beeinflussen. Auch bei den nordamerikanischen Ureinwohnern, die mit Ritualen wie dem Sonnentanz arbeiten, habe ich Machtmissbrauch gesehen. Menschen missbrauchten andere, indem sie ihnen falsche Geschichten erzählten oder auf andere Art versuchten, Situationen zu beeinflussen. Als mir das bewusst wurde, kam ich erneut in eine Krise: Wo gibt es wirkliche Freiheit ohne Machtmissbrauch? Ich fand sie im Miteinander-Sein. Sie entsteht, wenn wir uns gemeinsam auf die Intelligenz einlassen, die uns umgibt. Das geschieht durch einen Prozess, bei dem wir unsere Überzeugungen von der Wirklichkeit loslassen müssen und indem wir tief auf das lauschen, was uns verbindet.
»Wo gibt es wirkliche Freiheit ohne Machtmissbrauch?«
Das steht im Zusammenhang mit dem, was wir vorhin gesagt haben: Wir sind von Energie und Lebenskraft umgeben, und wir können diese Lebenskraft auch anzapfen, wenn wir als Gruppe zusammen sind, und sie wird uns antworten. Interbeing entsteht durch unsere Bereitschaft, miteinander zu kommunizieren. Nach meiner Beobachtung wird die Macht, die daraus entsteht, kollektiv gehalten, und sie verschiebt die pyramidalen Strukturen, die in den letzten tausend Jahren unsere Kulturen geprägt haben. Wenn wir also in der Lage sind, in Einheit zusammenzukommen und uns nicht von einer Macht dirigieren zu lassen, die uns erst anzieht und dann dominiert, ist es wirklich möglich, gemeinsam in Freiheit zu leben. Darin besteht die Verbindung zwischen der indigenen Weisheit mit ihrer rituellen Verbindung zur Natur und der Bedeutung, welche die Sprache der Natur dabei hat, gemeinsam ein neues Miteinander zu entwickeln.
Gemeinsame Freiheit
e: Dein Verständnis von Interbeing bietet eine völlige Neuinterpretation von Freiheit. Es geht nicht um meine Freiheit dir gegenüber, sondern es geht darum, eine potenzielle Realität zu befreien, die wir dann gemeinsam halten, zusammen mit den Elementen, den Pflanzen, mit der gesamten Natur. Und so können wir Agenten dieser Befreiung werden, einer gemeinsamen, kollektiven Freiheit, die anders ist als das, was wir normalerweise unter Freiheit verstehen.
FD: Ja, genau. Und du hast etwas sehr Wichtiges gesagt, nämlich dass wir zu Agenten, zu Handelnden werden, denn im Unterschied zu Pflanzen oder den Elementen sind wir nicht passiv. Sie existieren einfach, es liegt an uns zu entscheiden, wie wir mit ihnen umgehen wollen. Die Natur schenkt ihre Gaben bedingungslos, sie will gehört werden, möchte unsere Aufmerksamkeit. Und wir sind die Akteure.
Viele Kulturen kennen den Begriff der Sieben Richtungen: Norden, Westen, Osten, Süden, Himmel und Erde, das sind sechs. Und der Mensch scheint die siebte Richtung zu sein, das Zentrum des Kreises. Es ist der Kreis der menschlichen Sprache, des gemeinsamen Sprechens aus der Einheit mit allem, was ist. Ein Sprechen, das nicht getrennt ist von der Natur und den Elementen. Nicht getrennt von der Lebenskraft, in der wir sind und die Teil von uns ist. Und all das erleben und entdecken wir gemeinsam.
e: Wir sprechen davon, Agenten zu sein. Doch Agenten wofür? Wofür setze ich mich ein? Ich kann mich natürlich für meine Selbstermächtigung einsetzen. Aber du hast die sieben Richtungen ins Spiel gebracht, die kollektive Präsenz, den Raum hier zwischen uns und den Raum zwischen uns allen. Wenn ich dich richtig verstehe, liegt darin ein größeres Potenzial. Die Möglichkeit, für die Ganzheit von allem einzutreten. Das Feld des Emergent Interbeing ermöglicht es, diese Lebensfelder wahrzunehmen und mich darin zu üben, bewusst dafür einzutreten. Und die Erfahrung, ein Teil zu sein in der Ganzheit des Lebens, bringt Demut mit sich.
FD: Ja, ein solches Maß an Freiheit haben wir noch nie erlebt, und in unserem Miteinander können wir sie wahrnehmen. Sie ist Teil der Erfahrung, dass wir nicht getrennt sind: mitakuye oyasin – wir stehen alle miteinander in Beziehung. Auch diese Tatsache wurde von der Wissenschaft in gewissem Umfang bereits anerkannt, obwohl es noch keine wissenschaftliche Gleichung dafür gibt. Wichtig ist auch diese unglaubliche Fähigkeit des Menschen zu sprechen und die Macht seiner Worte. Wichtig ist zu erforschen, was wir damit gemeinsam gestalten können.