Suche nach Poesie

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Buch/Filmbesprechung
Publiziert am:

April 30, 2024

Mit:
Käptn Peng
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AUSGABE:
Ausgabe 42 / 2024
|
April 2024
Die Kraft der Rituale
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Über den Film »Der Junge, dem die Welt gehört« von Robert Gwis

Vielen ist der Schauspieler Robert Gwisdek besser als Texter und Musiker Käptn Peng bekannt, der in seinem Sprechgesang die Grenzen des Kosmos und die Tiefen der Seele auslotet. Längere Zeit war es still um Käptn Peng, der Grund liegt in einem neuen kreativen Ausdrucksfeld, das Gwisdek für sich entdeckt hat. So drehte er Videos für die Band Rammstein, einige Kurzfilme und arbeitet an mehreren Filmprojekten zum Thema Tod oder agile Wirtschaftswelt.

Mit »Der Junge, dem die Welt gehört« kommt nun sein erster Spielfilm in die Kinos. Ganz in Schwarz-Weiß gedreht, in einer alten Villa in Palermo und der menschenleeren Stadt. Hierhin hatten sich Gwisdek und sein Team während der Corona-Lockdowns zurückgezogen, um intensiv an dem Film zu arbeiten. Tagsüber wurde gedreht, abends musiziert und am Film weitergeschrieben. Diesen spontanen, gemeinschaftlichen, ko-kreativen Prozess der Entstehung merkt man dem Film an.

Das Haus mit seinen hohen Räumen, den antiken Möbeln, einer Wendeltreppe wird zur zeitlosen Kulisse, zu einem inneren Ort. Und die leere Stadt und ein üppiger Park, die sonst voller Menschen sind, atmen eine magische Atmosphäre, in der sprechende Bilder entstehen, die das Innere der Protagonisten andeuten. In dieser verzauberten Aura zeigt der Film die Höhen und Tiefen im künstlerischen Prozess des Musikers Basilio, gespielt von Julian Vincenzo Faber, der selbst Musiker ist und hier sein überzeugendes Schauspieldebüt gibt. ­Basilio arbeitet intensiv, verzweifelt und meist glücklos an seinen Texten und Liedern. Ein älterer Mann namens Kasimir – der bekannte französische Schauspieler Dennis Lavant in einer Paraderolle – inspiriert ihn dabei laut- und bewegungsstark. Er treibt ihn an, fordert ihn heraus, kritisiert ihn, bringt ihn zur Verzweiflung. Ist er Mentor, Meister, innere Stimme, verrückte Muse, innerer Kritiker, ein brutales Über-Ich, Personifikation der Poesie, ein unerlöstes Vatersymbol? Es bleibt viel Raum für Imagination und Interpretation bei den Figuren des Films. In Kasimirs aufdringlichen Einflüsterungen kommt auch der mystisch-chaotische Wortwitz, den man aus den Texten von Käptn Peng kennt, zum Einsatz.

»Der Film ist ein poetisches Spiel mit Assoziationen, ­Imaginationen und seelischen Prozessen.«

Als sich Basilio in Klara verliebt, begibt sich der Film vollends in das forschende Ergründen der menschlichen Psyche. Die alte Villa wird zu einer Art Seelenraum, in dem sich im Unbewussten verborgene seelische Kräfte zeigen. Denn auch Klara hat ihre Begleiterinnen. Edna, gespielt von Gwisdeks Mutter, der bekannten Theater- und Filmschauspielerin Corinna Harfouch, stickt unablässig an einem Tuch und scheint über Klara zu wachen. Zudem wird Klara von Doppelgängerinnen begleitet, die ihr Ratschläge geben oder Ängste äußern. Verborgene Seelenanteile, nicht geheilte Erfahrungen aus der Vergangenheit, innere Schattenaspekte?

Basilio ist auf der Suche nach Poesie. Er weiß, dass die Welt ein Gespräch ist, das wir nur hören können, wenn wir darauf lauschen. Aber erst im Durchschreiten von Heilung und Integration wird der Weg dafür frei. In einer kathartischen Szene kommt eine ganze Ahnenreihe ins Bild, bei der eine lösende Geste zur Befreiung führt. Erst so befreit kann Basilio das Gespräch der Welt wirklich hören und selbst in diesem Gedicht mitsprechen.

Der Film hat keine lineare Erzählstruktur, sondern ist eher ein poetisches Spiel mit Assoziationen, Imaginationen, seelischen Prozessen und Wandlungsereignissen. Manchmal erinnert der Film an ein theatrales Kammerspiel oder hat die Ästhetik eines Musikvideos mit einer Filmmusik, zu der unter anderen die Schweizer Musikerin Sophie Hunger beigetragen hat.

Traumartig gleitet die Handlung voran, mit immer wieder gemäldereifen Kameraeinstellungen, in rätselhaften, überraschenden, witzigen, poetischen Dialogen in Deutsch, Italienisch und Französisch (mit Untertiteln), mit Schauspielern mit spürbarer Freude am Ausdruck.

Als Zuschauer lässt einen der Film merkwürdig aufgewühlt zurück. Er ist psychoaktiv in dem Sinne, dass er bis in die eigene Seele zu reichen scheint und dort Bereiche in Resonanz bringt, die der Integration bedürfen oder zu ihrem echten Leben finden wollen – damit das Gedicht der Welt verständlicher wird.


Mehr zum Thema

www.kreisfilm.com/the-boy-who-owns-the-world

Kinostart: 2. Mai, ausgedehnte Film-Tour mit Regisseur und Schauspielerinnen.

Author:
Mike Kauschke
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