Grundrecht »Würde«: woher, wohin?

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Ausgabe 44 / 2024
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Gemeinsame Gegenwärtigkeit
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Seit vielen Jahren beschäftigt mich das Thema der Würde, mal mehr im Blick auf meine eigene Biografie, ein anderes Mal aus philosophischer, religionsgeschichtlicher oder auch gesellschaftspolitischer Perspektive. Dabei geht es mir immer um die Frage: Wie wird Würde wirkmächtig für uns selbst und für das Zusammenleben und -wirken mit allen Lebewesen? Verstehen Sie mich nicht falsch – ich liebe Vögel, aber es ist eher so, dass ich ein Naturliebhaber bin, der in der lebendigen Welt zuhause ist, egal ob es sich um Vögel, Molche, Füchse, Wasserkäfer, Borretsch, Bäume, Wind, Felsen oder Bäche handelt. Ich bin verliebt in das Ganze, von dem wir ein untrennbares Element sind.

Eine Antwort erhielt ich in der meditativen Betrachtung der Charta der Vereinten Nationen, die nach den Schrecken beider Weltkriege 1945 in San Francisco am Ende der Konferenz der Vereinten Nationen für internationale Organisation unterzeichnet wurde. Die Autoren und mit ihnen die Mitglieder der teilnehmenden Nationen bekräftigen in der Präambel den Glauben an Grundrechte des Menschen, um künftige Generationen vor der Geißel des Krieges zu bewahren. An erster Stelle stehen Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit. Im Klartext heißt dies: Würde ist Voraussetzung für ein friedvolles Zusammenleben von Völkern und Nationen. Doch welche Art der Würde war hier gemeint? Überraschenderweise fand ich eine Antwort im ersten Artikel der allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948. Er beginnt mit folgenden Worten: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Recht geboren.«

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Seit vielen Jahren beschäftigt mich das Thema der Würde, mal mehr im Blick auf meine eigene Biografie, ein anderes Mal aus philosophischer, religionsgeschichtlicher oder auch gesellschaftspolitischer Perspektive. Dabei geht es mir immer um die Frage: Wie wird Würde wirkmächtig für uns selbst und für das Zusammenleben und -wirken mit allen Lebewesen? Verstehen Sie mich nicht falsch – ich liebe Vögel, aber es ist eher so, dass ich ein Naturliebhaber bin, der in der lebendigen Welt zuhause ist, egal ob es sich um Vögel, Molche, Füchse, Wasserkäfer, Borretsch, Bäume, Wind, Felsen oder Bäche handelt. Ich bin verliebt in das Ganze, von dem wir ein untrennbares Element sind.

Eine Antwort erhielt ich in der meditativen Betrachtung der Charta der Vereinten Nationen, die nach den Schrecken beider Weltkriege 1945 in San Francisco am Ende der Konferenz der Vereinten Nationen für internationale Organisation unterzeichnet wurde. Die Autoren und mit ihnen die Mitglieder der teilnehmenden Nationen bekräftigen in der Präambel den Glauben an Grundrechte des Menschen, um künftige Generationen vor der Geißel des Krieges zu bewahren. An erster Stelle stehen Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit. Im Klartext heißt dies: Würde ist Voraussetzung für ein friedvolles Zusammenleben von Völkern und Nationen. Doch welche Art der Würde war hier gemeint? Überraschenderweise fand ich eine Antwort im ersten Artikel der allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948. Er beginnt mit folgenden Worten: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Recht geboren.«

Die Würde, von der hier die Rede ist, ist an keinen Rang und Namen gebunden. Sie kennt keine Unterschiede, da sie zur Grundausstattung jedes Neugeborenen gehört. Das kleine Wesen, im höchsten Maß abhängig von Mitmenschen, voll der Würde? Unglaublich und doch so wahr, denn mit jedem Menschen kommt etwas Einzigartiges, Unverwechselbares und äußerst Kostbares in die Welt. Das innere Wissen um diese Dimension des Menschseins geht leider im Laufe des Lebens bei den meisten Menschen verloren. Die Liste der Gründe, die dazu führen, ist lang. Einige, die im Laufe meines eigenen Lebens aufgetaucht und mir mit Mitmenschen begegnet sind, möchte ich hier nennen.


»Die heilige Würde macht uns frei.«

Wir sind getrieben von Leidenschaften und dem Hunger nach Besitz und Macht. Wir schneiden uns ab vom tieferen Wissen, das jenseits von Fakten und Zahlen zu finden ist. Nur das, was andere auch sehen können, was gemessen werden kann und was objektiv überprüfbar ist, entspricht der Wirklichkeit. Wir haben gelernt, uns vor Verletzungen zu schützen, indem wir innere Mauern bauen, um den Preis, dass wir uns selbst abgeschnitten erleben vom kostbaren Geburtsgeschenk der Freiheit und Würde.

Um von diesen Fesseln frei zu werden, ist Schattenarbeit angezeigt. Diese Arbeit auf sich zu nehmen, braucht Mut. Sie wird jedoch mit der Übung einfacher. Gleichwohl bleiben Schatten unsere ständigen Gefährten. In einer Zeit, da sich viele Menschen fragen: »Was kann ich für mehr Gerechtigkeit und Frieden in der Welt tun?«, gebe ich gerne eine Aussage von C. G. Jung, dem berühmten Psychiater und Tiefenpsychologen, weiter. In »Psychologie und Religion« schreibt er: »Ein Mensch, der im Hause der ›Selbstbesinnung‹, der inneren Sammlung lebt, weiß, dass, was immer in der Welt verkehrt ist, auch in ihm selber ist, und wenn er nur lernt, mit seinem eigenen Schatten fertig zu werden, dann hat er etwas Wirkliches für die Welt getan.«

Aus meiner Sicht tragen wir in der Annahme und Transformation unserer Schatten nicht nur zum Frieden in der Welt bei, wir finden gleichzeitig immer tiefer zurück zum einzigartigen eigenen Wesen, das in unserer Geburtsstunde aufleuchtete. An dieses ist jene Würde gebunden, die niemals verletzt werden kann, auch wenn sie mit Füßen getreten wird. Die heilige Würde macht uns frei von äußeren und ganz besonders von inneren Gefängnissen der Denkgewohnheiten, Interpretationen, Identifikationen, Selbst- und Fremdbildern. Sie nimmt uns gleichzeitig auch in die Pflicht, nämlich der Mensch zu werden, der wir sind. Eingebunden und innig vertraut mit der »geburtlichen« Würde wächst in uns das Vertrauen ins Leben und wir finden Sinn durch alle Herausforderungen hindurch. Nicht zuletzt werden wir fähig zu Kooperation und Ko-Kreation über alle Grenzen hinweg. Es ist hohe Zeit, die Heiligkeit der Würde zu finden und sie zu verkörpern.

Author:
Dr. Anna Gamma
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