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Interview
Publiziert am:

October 28, 2024

Mit:
Jennifer Trujillo
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AUSGABE:
Ausgabe 44 / 2024
|
October 2024
Gemeinsame Gegenwärtigkeit
Diese Ausgabe erkunden

Eine Kultur der Verwobenheit  gestalten

Jennifer Trujillo arbeitet derzeit für die COP16-Konferenz in Cali, Kolumbien, zum Thema Biodiversität. Sie hat sich intensiv mit partizipativer Führung, dem Global Ecovillage Network, dem Impact Hub Network und vielen Praktiken beschäftigt, die zum Systemwandel im weitesten Sinne beitragen können. Wir sprachen mit ihr über ihr Engagement.

evolve: Was ist deine Motivation, dich mit gesellschaftlicher Transformation zu beschäftigen?

Jennifer Trujillo: Ich wurde mir des Landes, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, schon in jungen Jahren bewusst. Eines Tages sah ich eine Sendung im Fernsehen, in der ein Journalist beschrieb, wie der schlecht entsorgte Müll der Stadt die Grundwasserversorgung für die nächsten 100 Jahre vergiftet. Das konnte ich nicht mehr vergessen. Jedes Mal, wenn ich Papier in einen Papierkorb warf, trug ich, ohne es zu wissen, zu diesem riesigen Problem für mich und den Rest der Menschen nach mir bei! Das hat in mir etwas losgetreten, das sich zwischen Angst und dem Wunsch, etwas zu tun, hin- und herbewegte. Es war wie eine Flamme, etwas Brennendes – und es ist immer noch da.

Schon früh lernte ich das Ökodorf Atlantida in Kolumbien kennen. Das war mein Einstieg: Ich entdeckte eine Welt von Menschen, die ernsthaft politisch Stellung bezogen und einen wirklich regenerativen Lebensstil entwickelten. Ich begann, mich ehrenamtlich zu engagieren, und gehörte nach einiger Zeit zu dem Team, das den Council of Sustainable Networks of Latin America gründete. Dann schlug man mir vor, dem Kuratorium des Global Ecovillage Network beizutreten, und ich wurde nach einiger Zeit Präsidentin dieses Gremiums.

Ich bin in verschiedene Erfahrungen eingetaucht – ich habe in Ökodörfern gearbeitet, von den Perspektiven der indigenen Guarana Tupi gelernt und mich mit sozialen Technologien wie Art of Hosting und vielem mehr beschäftigt.

e: Aber jetzt arbeitest du als Teil eines Regierungsteams für die COP und lebst nicht in einem Ökodorf. Warum?

JT: Weil ich andere Wege ausprobieren wollte. Ich weiß, dass der alternative Weg funktioniert, aber es müssen auch engagierte Leute in der Regierung arbeiten. Menschen, denen etwas am Herzen liegt, müssen Teil der Räume sein, in denen die wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Ich könnte natürlich auch auf einer Permakultur-Farm leben. Habe ich getan, und es macht einen Unterschied. Aber jetzt bin ich in der Stadt, Teil des Systems, in einer der Einrichtungen der Regierung, um zu helfen, diese Konferenz auszurichten, bei der Entscheidungen zu Biodiversität getroffen werden.

Isolation ist keine Lösung. Isolation ist sinnvoll, wenn ich mich hinsetze, um zu meditieren, für einen Moment der Stille nur für mich selbst, mit Gott oder wie immer man es nennen will. Eine intentionale Gemeinschaft kann auf diese Weise nützlich sein, in einer Art kollektivem Alleingang. Aber wenn diese Isolation in Selbstgenügsamkeit verharrt, ist das meiner Meinung nach das Gegenteil der Verwobenheit, durch die unsere Welt wirklich funktioniert.

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Eine Kultur der Verwobenheit  gestalten

Jennifer Trujillo arbeitet derzeit für die COP16-Konferenz in Cali, Kolumbien, zum Thema Biodiversität. Sie hat sich intensiv mit partizipativer Führung, dem Global Ecovillage Network, dem Impact Hub Network und vielen Praktiken beschäftigt, die zum Systemwandel im weitesten Sinne beitragen können. Wir sprachen mit ihr über ihr Engagement.

evolve: Was ist deine Motivation, dich mit gesellschaftlicher Transformation zu beschäftigen?

Jennifer Trujillo: Ich wurde mir des Landes, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, schon in jungen Jahren bewusst. Eines Tages sah ich eine Sendung im Fernsehen, in der ein Journalist beschrieb, wie der schlecht entsorgte Müll der Stadt die Grundwasserversorgung für die nächsten 100 Jahre vergiftet. Das konnte ich nicht mehr vergessen. Jedes Mal, wenn ich Papier in einen Papierkorb warf, trug ich, ohne es zu wissen, zu diesem riesigen Problem für mich und den Rest der Menschen nach mir bei! Das hat in mir etwas losgetreten, das sich zwischen Angst und dem Wunsch, etwas zu tun, hin- und herbewegte. Es war wie eine Flamme, etwas Brennendes – und es ist immer noch da.

Schon früh lernte ich das Ökodorf Atlantida in Kolumbien kennen. Das war mein Einstieg: Ich entdeckte eine Welt von Menschen, die ernsthaft politisch Stellung bezogen und einen wirklich regenerativen Lebensstil entwickelten. Ich begann, mich ehrenamtlich zu engagieren, und gehörte nach einiger Zeit zu dem Team, das den Council of Sustainable Networks of Latin America gründete. Dann schlug man mir vor, dem Kuratorium des Global Ecovillage Network beizutreten, und ich wurde nach einiger Zeit Präsidentin dieses Gremiums.

Ich bin in verschiedene Erfahrungen eingetaucht – ich habe in Ökodörfern gearbeitet, von den Perspektiven der indigenen Guarana Tupi gelernt und mich mit sozialen Technologien wie Art of Hosting und vielem mehr beschäftigt.

e: Aber jetzt arbeitest du als Teil eines Regierungsteams für die COP und lebst nicht in einem Ökodorf. Warum?

JT: Weil ich andere Wege ausprobieren wollte. Ich weiß, dass der alternative Weg funktioniert, aber es müssen auch engagierte Leute in der Regierung arbeiten. Menschen, denen etwas am Herzen liegt, müssen Teil der Räume sein, in denen die wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Ich könnte natürlich auch auf einer Permakultur-Farm leben. Habe ich getan, und es macht einen Unterschied. Aber jetzt bin ich in der Stadt, Teil des Systems, in einer der Einrichtungen der Regierung, um zu helfen, diese Konferenz auszurichten, bei der Entscheidungen zu Biodiversität getroffen werden.

Isolation ist keine Lösung. Isolation ist sinnvoll, wenn ich mich hinsetze, um zu meditieren, für einen Moment der Stille nur für mich selbst, mit Gott oder wie immer man es nennen will. Eine intentionale Gemeinschaft kann auf diese Weise nützlich sein, in einer Art kollektivem Alleingang. Aber wenn diese Isolation in Selbstgenügsamkeit verharrt, ist das meiner Meinung nach das Gegenteil der Verwobenheit, durch die unsere Welt wirklich funktioniert.

e: Wie kannst du diese Verwobenheit bei der COP16 leben?

JT: Ich gehöre hier in Cali zu einem Team von sechs Personen in einer Abteilung, die der nationalen Regierung, dem Büro des Ministeriums, untersteht. Das Team ist für die Mobilisierung und Beteiligung der Zivilgesellschaft zuständig. Wir arbeiten in thematischen Arbeitsgruppen, die bei uns mesas heißen, mit verschiedenen Organisationen der Zivilgesellschaft zusammen. Wir nehmen an Treffen, Workshops und Konferenzen teil, um zu erklären, was die COP ist. Warum findet diese Cop16 in Cali statt? Was hat sie mit der Überarbeitung der nationalen Pläne für Biodiversität zu tun?

Wir sind als Team dafür zuständig, die Green Zone so zu organisieren und die Erkenntnisse zu »ernten« und zu verarbeiten, dass die Informationen von dort in die Blue Zone gelangen und umgekehrt.

e: Was ist die Blue Zone und was die Green Zone bei den COPs?

»Wir stecken in Systemen der Kontrolle und Bestrafung fest.«

JT: In der Blue Zone finden die Verhandlungen der verschiedenen Parteien der UNO statt. Sie einigen sich im Konsensprinzip auf Pläne, Strategien und Selbstverpflichtungen. Die Green Zone ist der Raum für die Zivilgesellschaft. Sie ist zu einem riesigen Marktplatz des Austausches und des Kennenlernens geworden. Dort werden Informationen, Erfahrungen und Möglichkeiten zur Finanzierung oder Zusammenarbeit bei Projekten verschiedener Größenordnungen ausgetauscht.

e: Warum ist es für dich wichtig, in diesem Team mitzuarbeiten?

JT: Meine erste Erfahrung mit einer COP war die COP25 zum Klimawandel in Spanien, die ursprünglich in Chile stattfinden sollte, aber aus Sicherheitsgründen nach Madrid verlegt wurde. Ich nahm als Beobachterin mit dem Global Ecovillage Network in der Blue Zone teil. Dabei habe ich viel gelernt: all diese erstaunlichen Programme, Menschen, Projekte und Initiativen, aber auch die vielen Kolonisierungs-Versuche von Organisationen und Aktivitäten innerhalb der Blue Zone und auch der Green Zone. Aber ich war auch sehr enttäuscht: Jeden Tag wurde darüber berichtet, wie bestimmte Länder wie die USA oder China den Konsens in wichtigen Fragen, beispielsweise über die Begrenzung der globalen Erwärmung, hinauszögerten. Damals debattierten sie darüber, ob es ein Grad Erderwärmung oder nicht vielleicht besser anderthalb Grad sein sollten, obwohl die Wissenschaft klargemacht hatte, dass zwei Grad nicht akzeptabel waren. Und das brach mir das Herz, während ich gleichzeitig Hoffnung verspürte durch das, was außerhalb der Verhandlungen passierte.

Jetzt stehe ich auf der anderen Seite. Ich bin nicht nur Beobachterin, sondern gehöre zu dem Team, das sich mit der Mobilisierung und der Förderung der Partizipation der Zivilbevölkerung befasst, damit jede Erklärung, jedes Dokument, jede Aktion, die in eine schriftliche Fassung übersetzt werden können, mit größtmöglichem Nachdruck an den Ort der Verhandlungen gerichtet werden. Denn die diesjährige COP schließt nur die Verhandlungen ab, die bereits im Vorfeld stattgefunden haben. In der Green Zone geht es jetzt vor allem darum, die Themen zu finden, mit denen sich die Präsidentschaft des COP in den nächsten zwei Jahren befassen muss, das heißt, was jetzt ansteht und auf die Tagesordnung der nächsten COP in zwei Jahren gesetzt werden muss.

e: Was lernst du bei dieser Arbeit? Wozu möchtest du beitragen?

JT: Das Schlimme an dieser Arbeit ist die Bürokratie. Ich könnte jedes Mal weinen, wenn ich ein Foto machen und ein Formular ausfüllen muss, um zu beweisen, dass ich arbeite. In der Zeit, die ich damit verbringe, kann ich nicht das tun, was eigentlich getan werden muss.

Wir müssen die Katastrophe verdeutlichen, in der wir in Bezug auf die Erhaltung der Biodiversität stehen. Es ist ein systemisches Pro­blem, dass unsere globale Wirtschaft den Abbau von Mineralien, Wasser und allem anderen aus Ländern mit einer reichen biologischen Vielfalt wie Kolumbien erzwingt. Und es ist die COP mit der geringsten Aufmerksamkeit und finanziellen Unterstützung. In der Weltwirtschaft ist die Erhaltung der Biodiversität noch nicht einmal Gesprächsthema!

Und dieses bürokratische System ist ein System der Bestrafung. Eine auf Bestrafung beruhende Erziehung wirkt sich negativ auf uns Menschen aus. Wir stecken in Systemen der Kontrolle und Bestrafung fest, statt uns von Vertrauen und Motivation leiten zu lassen. Das ist genau das, was uns im Wege steht!

Wenn wir unser Leben auf der Erde erneuern wollen, brauchen wir Menschen mit einem weit gefassten Verstand und einem wirklich offenen Herzen, mit der Fähigkeit, in allen Bereichen unseres Lebens zu handeln. Ein Leben, in dem wir Menschen uns als vollständig empfinden und eine gute Beziehung zu uns selbst entwickeln. Damit wir in der Lage sind, anderen Wesen auf dem Planeten gute Partner zu sein. Dann können wir verstehen, dass Wasser lebendig ist, dass Steine lebendig sind, dass Mineralien lebendig sind. Dann können wir respektvoll sein, wir können uns liebevoll kümmern und wir können unseren Planeten tatsächlich kennenlernen. Warum beschließen Menschen, sich um ihre Gärten oder ihre Gemeinschaft zu kümmern? Weil sie sie kennen! Wenn wir also unseren Planeten kennen, können wir ihn lieben und wir können Verantwortung für sein Wohlergehen übernehmen.

Author:
Kaa Faensen
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