Befreiung im Tanz

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Interview
Publiziert am:

April 30, 2024

Mit:
Alma ∞ Omega
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AUSGABE:
Ausgabe 42 / 2024
|
April 2024
Die Kraft der Rituale
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In der Lebendigkeit der Begegnung

Seitdem Maegan Melissa Gorbett mit 18 ihre erste House Party erlebte, war sie begeistert von dem befreienden Potenzial des Tanzes, wenn darin die bewusste Absicht wirkt, Menschen in etwas Tieferem zu verbinden. Deshalb widmet sie sich als DJ Alma ∞ Omega seit vielen Jahren der Gestaltung solcher Bewegungsräume, in denen auch rituelle Kräfte wirken.

evolve: Wie hast du deine eigene Arbeit als DJ begonnen?

Alma ∞ Omega : In den späten 90er-Jahren begann ich mit dem Sammeln von Schallplatten, und Anfang des Jahrtausends arbeitete ich semiprofessionell als DJ. 2010 bin ich nach Berlin gezogen und lebte mit einer wunderbaren Frau namens Ruby May zusammen. Ruby kam gerade aus Bali zurück und hatte dort die Kakaozeremonie kennengelernt. Wir begannen, einige der ersten Kakao-Tanz-Zeremonien in Berlin zu veranstalten.

Wir gründeten dann »Lucid« als einen undogmatischen Tanz-Raum, in dem es keinen Zigarettenrauch, keinen Alkohol und keine Drogen gab. Das war sehr experimentell, mit einer Mischung aus verschiedenen Subkulturen und Szenen. Diese ko-kreativen rituellen Zusammenkünfte haben wir ca. 5 Jahre angeboten.

e: Wann hast du angefangen, solche Zusammenkünfte als ein zeitgenössisches Ritual zu betrachten?

AO: Ruby hatte ein viel stärkeres Bewusstsein dafür, dass dies ein ritueller Raum war. Ich habe es mit der Zeit stärker in dieser Weise wahrgenommen – und ich bin immer noch dabei, mir darüber bewusst zu werden, was es bedeutet, einen rituellen Raum zu schaffen.

Bei »Lucid« wurden die Leute rituell begrüßt, wenn sie den Raum betraten. Ich war immer diejenige, die zuerst Musik auflegte, bevor das Hauptritual begann. Ich entwickelte dabei eine Sensibilität für das Feld der Menschen, die zu uns hereinkamen. Ich konnte all ihre Unsicherheiten und ihre Dynamik, ihr Verlorensein im Raum mit anderen spüren. Sobald dann ein paar Leute anfingen, zu meiner Musik zu tanzen, versuchte ich, einen sicheren Raum zu schaffen. Danach gingen wir dann in das Hauptritual über und ich konnte beobachten, wie wir die Menschen aus dieser Situation der Verlorenheit, in der alle wie suchende Atome fragmentiert umherirrten, mit einem Gewebe in Verbindung brachten, das wir webten. Wir webten ein Netz und verbanden die Menschen mit sich selbst, miteinander, mit der Erde, mit etwas Größerem.

e: Was unterscheidet ein Ritual von einer reinen Dance Party?

AO: Die Absicht, die hinter der Person bzw. Organisation steht, die das Ritual kreiert, ist absolut entscheidend. Das ist dann getragen von einer Intention, einem kollektiven Bewusstsein. Wenn wir in der schamanischen Sphäre arbeiten, achten wir mehr darauf, welche »Tore« wir öffnen. Tanzpartys oder wie auch immer man sie nennen mag, sind eine der modernen Möglichkeiten, bei denen Menschen zusammenkommen, um sich zu verbinden. Wenn eine solche Veranstaltung von einem Space Holder oder einem kollektiven Frequenzfeld gehalten wird, mit dem ich wirklich in Resonanz bin, entspannt sich etwas in mir.

»Der rituelle Raum kann eine Multidimensionalität in uns hervorrufen.«

e: Wie würdest du heute die Frage beantworten, was Rituale sind?

AO: Rituale sind ein Teil der alten Ausdrucksformen des Menschseins. Zum Glück sind uns einige dieser alten Überlieferungslinien erhalten geblieben. Ich verneige mich vor den Indigenen auf der ganzen Welt, die darum gekämpft haben, ihre Überlieferungslinien in ihren Lebensräumen und in ihren Gemeinschaften zu erhalten, und die dafür sorgen, dass sie die verschiedenen Gewebe ihrer rituellen Verbindung mit der Erde und mit heiligen Quellen aufrechterhalten.

Ich habe den Eindruck, dass gerade jetzt in Zeiten der vielen Krisen ein starker Ruf an uns ergeht, Rituale zu finden, wiederzuentdecken, zu erinnern und wiederzubeleben. Wir sind aufgerufen, diese Verbindung mit uns selbst, mit der Erde und mit etwas Größerem als nur dem Materiellen wiederzuerwecken und wiederherzustellen.

e: Wie macht das Ritual das?

AO: Es weckt unser Verständnis dafür, dass wir Teil eines größeren Lebensgewebes sind und dass wir miteinander verbunden sind. Das ist ein Teil der Heilung der Seele, die sich für eine isolierte, einsame Insel hält, welche sich alle ihre Bedürfnisse und Wünsche selbst erfüllen muss. Rituale helfen uns dabei, zu gesunden und zu verstehen, dass dieses innere Loch nicht durch Konsumgüter gefüllt werden kann. Ich sehne mich danach, dieses dynamische, beziehungsreiche Zusammensein mit allem, was Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist, zu spüren. Ich rufe meine Vorfahren an, ich spüre ihre Gebete, und ich kann auch für das Wohl der künftigen Generationen beten. Ich rufe ihre Geister an, ich spüre die Verbundenheit meines Körpers mit diesem Stück Erde, das mit all den anderen Flecken Erde verbunden ist.

Der rituelle Raum kann diese Multidimensionalität in uns hervorrufen. Wir haben diese Verbindung zur Multidimensionalität verloren und damit auch den Kontakt zum Gewebe des Magischen und zu unserer eigentlichen Ermächtigung, Vitalität, Lebendigkeit als Teil dieses Lebensgewebes. Wir sind nicht nur Spielfiguren im Spiel des Lebens, sondern unser Leben, unsere Gedanken, unsere Handlungen haben eine Bedeutung. Wir alle erschaffen diese Realität gemeinsam, und ich habe das Gefühl, dass der rituelle Raum den menschlichen Geist revolutionieren kann: von einem unbeteiligten Opfer im Spiel des Lebens hin zu bewussten Akteuren der Teilhabe am Leben, der Verbundenheit, der Vitalität, der Lebendigkeit und der Gemeinschaft mit dem Leben.

e: Gibt es weitere Schritte, die du mit diesem Engagement für den Tanz und die Rituale gehen willst?

AO: Kürzlich habe ich ein Training mit ­Francis Weller absolviert, einem der bekannten Trauerbegleiter aus der Linie von ­Malidoma ­Somé. Er sagt, dass wir als Menschheit jetzt in eine Phase langer Dunkelheit eintreten. Und immer mehr von uns müssen diese Räume der Trauerbegleitung halten. Wir müssen zusammenkommen und gemeinsam die verschiedenen Schichten dessen, was gerade auf dem Planeten geschieht, spüren und diesen tieferen Emotionen Raum geben. Für mich hat das damit zu tun, die Achse zwischen Trauer und Feier zu finden. Es ist wichtig, diese Quellen der Trauer zu öffnen und gleichzeitig die köstliche Fülle, Dankbarkeit und Freude des Lebens zu spüren. Meine Zeit hier in Bahia, Brasilien, zeigt mir eine neue Ebene. Ich befinde mich in kulturellen Räumen, die aus den Wurzeln des Überlebens in der Sklaverei entstanden sind und diese in die Poesie der Schönheit verwandeln – durch Tänze wie Samba, Capoeira und Maracatu. Ich empfinde es als ein großes Geschenk, diese Schönheit zu erleben. Das gibt mir so viel Hoffnung für den menschlichen Geist.

Author:
Dr. Elizabeth Debold
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