Editorial 17/2018

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Editorial
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January 24, 2018

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January 2018
Die Postmoderne und darüber hinaus
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1968 steht wie nur wenige Jahreszahlen als Symbol für eine kulturelle Wende. Vor 50 Jahren gewann eine Bewegung an Kontur, die seitdem unsere Welt und insbesondere die westlichen Gesellschaften radikal verändert hat. Die Hippie-Bewegung mit ihrer Botschaft von Frieden und Liebe angesichts des Vietnamkrieges. Die Studentenbewegungen, die den »Muff von Tausend Jahren« aus rigiden familiären, universitären und gesellschaftlichen Strukturen vertreiben wollten. Und eine philosophische Bewegung, die ausgehend von Frankreich damit begann, alles auseinanderzunehmen, was bis dahin als denkerische Grundlage des Westens galt. All diese – und viele weitere – Bewegungen haben im Begriff der Postmoderne einen gemeinsamen Nenner gefunden. Mit der Postmoderne eröffneten sich mehr individuelle Freiheit, eine nie dagewesene Pluralität der Lebensentwürfe, die Einsicht in die kulturelle Bedingtheit der Weltsichten, eine Sensibilisierung für die Natur, ein besonderes Interesse an Innerlichkeit oder auch die Befreiung der Sexualität und der Geschlechterrollen.

Viele dieser Anliegen sind heute im politischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Mainstream angekommen oder bestimmen ihn maßgeblich. Gleichzeitig richtet sich zunehmend Widerstand genau gegen diese Überzeugungen der Postmoderne, nicht zuletzt von aufsteigenden populistischen Bewegungen. Angesichts dessen schien uns das 50-jährige Jubiläum von 1968 ein guter Zeitpunkt, um innezuhalten und einen Blick darauf zu werfen, wohin uns der kulturelle Impuls der Postmoderne gebracht hat. Was seine Errungenschaften, aber auch seine Fehlschläge und Grenzen sind. Und was ein möglicher weiterer Schritt in unserer kulturellen Entwicklung sein könnte.

Dabei wollten wir vermeiden, das Thema zu abstrakt anzugehen. Es ist uns ein Anliegen aufzeigen, wie sich diese Fragen in unserem inneren und äußeren Leben ganz konkret stellen, mit all ihren geistigen, psychologischen und spirituellen Aspekten.

Inwieweit uns hier eine kulturell-historische Perspektive helfen kann, zeigt evolve Herausgeber Thomas Steininger in seinem Leitartikel. Er betrachtet, wie sich die postmoderne Revolution langsam im Sand einer neoliberalen Wirtschaft verlaufen hat. Und wie sie heute keine Antwort mehr auf das Bedürfnis nach Identität in einer globalen Welt geben kann. Mit einem umfassenden Blick lädt er ein zu einem Dialog über die Kultur jenseits der Konflikte der Postmoderne, zu deren Gestaltung wir alle beitragen können. Der integrale Philosoph Ken Wilber, den wir für diese Ausgabe interviewen konnten, sieht die Widerstände gegen die Postmoderne ebenfalls als einen Weckruf an die progressiven Kräfte in aller Welt, in ihrer Entwicklung einen Schritt weiterzugehen. Denn seiner Ansicht nach müssen wir Wege finden, die Pluralität der Postmoderne in eine umfassendere Integration zu führen.

Bei dieser Integration wird auf psychologischer Ebene ein neuer Umgang mit unserer Innenwelt und unseren Gefühlen nötig sein, erklärt der Gestalttherapeut und Soziologe Hans-Peter Dreitzel, der die Hippie-Bewegung in Kalifornien und die Studentenbewegung in Berlin hautnah miterlebt hat. Er spricht von einer reflexiven Sinnlichkeit, die unsere Empfindungsfähigkeit mit einer wachen Bewusstheit verbindet, die auch um unsere Verbundenheit mit dem Ganzen weiß.

Die evolve-Redakteurin und Gender-Expertin Elizabeth Debold hat sich in ein aktuelles Minenfeld der Diskussion um postmoderne Konfliktlinien begeben und analysiert in ihrem Artikel die #meetoo-Bewegung. Diese Bewegung hat eine längst überfällige Diskussion über sexuelle Gewalt und Übergriffe gegen Frauen angestoßen, bezieht sich aber gleichzeitig immer wieder auch auf alte Feindbilder. Wie können sich in dieser erhitzten Atmosphäre neue Geschlechterbeziehungen in beiderseitigem Respekt entwickeln?

Wir freuen uns, dass wir diese Ausgabe von evolve mit den Werken von Emanuela Assenza gestalten konnten, die in ihrer Kunst versucht, die Grenzen des Sichtbaren zu überwinden oder durchlässig zu machen. So entsteht eine Bildsprache, die sich nicht auf konkrete Gegenstände bezieht, sondern Formen und Energien und deren Dynamik selbst sprechen lässt.

Mit dieser Ausgabe starten wir in ein neues Jahr und möchten uns bei Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern, für die große Unterstützung im zurückliegenden Jahr ganz herzlich bedanken. Und wir freuen uns darauf, auch in diesem Jahr Impulse für ein integrales zukunftsfähiges Verständnis von Mensch und Welt zu geben und uns alle dazu zu inspirieren, es dort, wo wir leben, in die Wirklichkeit zu bringen.

Herzlichst
Mike Kauschke

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Author:
Mike Kauschke
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