Wegmarken
Wesentliche Gespräche aus 10 Jahren evolve
In Ihren Händen halten Sie die Wegmarken zu einer neuen Bewusstseinskultur, eine Jubiläumsausgabe, in der wir wesentliche Gespräche aus 10 Jahren evolve versammelt haben. Diese 10 Jahre des Forschens und der Dialoge waren und sind ein Lern- und Entwicklungsprozess, um die Relevanz und die lebendigen Konturen einer Kultur der Bewusstwerdung tiefer zu verstehen und ins Gespräch zu bringen.
In dieser Zeit hat sich der Fokus auf verschiedene Ausdrucksformen von Spiritualität und Impulse für die eigene bewusste Lebensgestaltung immer mehr erweitert, um die drängenden Fragen unserer Zeit mit einzubeziehen. Zunehmend haben wir in unseren Ausgaben erforscht, welche Veränderungen im menschlichen Bewusstsein notwendig sind, um unsere Kultur regenerativ und lebensdienlich umzugestalten. Und wie jeder und jede von uns und wir gemeinsam dazu beitragen können.
Ein Weg, den wir gemeinsam gehen
Mit dieser Ausgabe möchten wir nun innehalten und den Weg, den wir als evolve in den vergangenen 10 Jahren zurückgelegt haben, reflektieren. Wir wollen herausarbeiten, welche Wegmarken sich dabei für uns gezeigt haben. Wegmarken kennzeichnen einen Weg, der erst noch im Entstehen ist. Sie weisen in eine Richtung, ohne schon definitiv festgelegt zu sein. Sie laden ein, einen neuen Weg gemeinsam zu erkunden. Wir nutzen dieses Innehalten auch dazu, evolve um eine Welt zu erweitern: In der Zwischenzeit haben wir an der Fertigstellung unserer Online-Plattform evolve World gearbeitet, die ich zum Abschluss dieses Textes noch ausführlicher vorstellen werde.
Diese Ausgabe enthält eine kleine Auswahl aus der Fülle der Beiträge, die in den letzten 10 Jahren unserer evolve-Reise entstanden ind. Einige der Interviews haben wir gekürzt, Sie finden die längere Version in unserer neuen Library auf evolve World. Wir haben sie nach vier Themenschwerpunkten versammelt, die sich für uns als wegweisend herausgestellt haben: Imagination & Visionen, Krise & Aktivismus, Das Heilige & die Gesellschaft, Dialog & Verbundensein.
Die Welt neu sehen und gestalten
In den letzten Jahren ist uns immer klarer geworden, wie sehr es unsere imaginativen Fähigkeiten braucht, um uns die Welt anders vorzustellen, den Status quo nicht als gegeben und felsenfest anzunehmen, sondern unser eigenes Leben und unsere Kultur als gestaltbar zu erleben. Gerade in unserer heutigen Zeit, die geprägt ist von Formen des Zusammenlebens, die uns an den Rand der Katastrophe bringen, ist es deshalb entscheidend wichtig, dass wir die Formen des Wirtschaftens, der politischen und sozialen Interaktion, der Lebensführung, der Kommunikation, des Umgangs mit der lebendigen Welt grundlegend hinterfragen und uns wagen, alle Bereiche unseres Lebens neu zu gestalten.
Zudem erleben wir uns dann nicht als passive Konsumenten oder ohnmächtige Beobachterinnen und sind nicht in bisherigen Verhaltensweisen gefangen, sondern erleben uns als schöpferisch und unsere Welt als gestaltbar, wie es die Demokratieaktivistin Claudine Nierth ausdrückt. Diese schöpferische Energie in uns ist eine kraftvolle Quelle der Hoffnung und der Motivation, uns als Agenten und Mitwirkende des Wandels zu verstehen.
Deshalb widmen wir uns im zweiten Themenschwerpunkt dieser Ausgabe dem Themenfeld »Krise & Aktivismus«. Denn es gehört zu unserem gegenwärtigen Lebensgefühl, dass wir in multiplen Krisen leben, die sich gegenseitig bedingen und beeinflussen: die Zerstörung unserer ökologischen Lebensgrundlagen, die Klimakatastrophe, das Artensterben, soziale Ungerechtigkeit, instabile Demokratien, soziale Polarisierung, die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz – um nur einige zu nennen. Angesichts solcher Szenarien können wir leicht in Ohnmacht verfallen. Dem wirkt das Vergewissern unserer eigenen Gestaltungsfähigkeit entgegen: Wir können etwas tun, können Teil der Lösung werden.
Dabei haben wir in evolve immer wieder eine Form des Aktivismus ergründet, die sich nicht nur in äußeren Aktionen ausdrückt, sondern auch in einer Veränderung unseres Bewusstseins. Ein »Sacred Activism«, ein heiliger oder spiritueller Aktivismus, ein Aktivismus jenseits des Widerstands, wie es die indische Aktivistin Mallika Dutt beschreibt. Solch ein Aktivismus agiert nicht mit den gleichen Bewusstseinshaltungen, die uns in diese Krisen gebracht haben, sondern handelt aus Verbundenheit und schöpferischer Dialogfähigkeit in der Wahrnehmung der Würde aller Lebensformen.
Diese Dimension des Letztgültigen, Wesentlichen, zutiefst Sinnhaften kann man auch als »Das Heilige« ansprechen. Wir haben uns in evolve auf verschiedene Weisen dieser Seinsdimension angenähert, die auch die Grundlage einer aufgeklärten, integralen, offenen Spiritualität ist. Und dabei immer wieder erkannt, dass damit das Herz oder die Seele unseres Lebens aber auch einer Gesellschaft angesprochen ist: Wie wollen wir eigentlich leben? Was ist uns zutiefst wichtig? Ja, was ist uns heilig? Wie finden wir eine Verbindung mit dem Wunderbaren, wie es der christliche Mystiker David Steindl-Rast und der integrale Denker Ken Wilber formulieren.
Für eine offenen Spiritualität und eine offene Gesellschaft ist die dialogische Grundhaltung ein entscheidend wichtiges Element. Deshalb ist unsere gesamte redaktionelle Arbeit von einem dialogischen Prozess getragen. Jedes Thema finden wir im Dialog in der Redaktion, mit unserem redaktionellen Beirat, mit Menschen in unseren verschiedenen kulturellen Netzwerken und auch in Resonanz zum Zeitgeist, zu den Bewegungen und Fragen unserer Kultur. Und wir haben die transformative Kraft einer dialogischen Lebenshaltung im Magazin in ihren vielen Dimensionen erforscht, die der Dichter David Whyte in treffende Worte bringt: »Niemand überlebt ein echtes Gespräch«.
Die Kunst des Dialogs
Unsere evolve-Ausgaben gestalten wir jeweils auch im Dialog mit der Kunst. Deshalb haben wir auch die vier Themenbereiche mit Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern gestaltet, die schon länger mit evolve verbunden sind und mit denen wir schon bei vorherigen Ausgaben zusammengearbeitet haben: dem Maler Alfred Bast, der Bildhauerin Susan Stockwell, der Malerin Emanuela Assenza und dem Bildner sozialer Skulpturen Ernesto Neto. Sie alle bewegen in ihrer Kunst ähnliche Fragen, wie wir sie im Magazin vertiefen. Und wir sahen bei ihnen auch jeweils eine Assoziation zu den vier Themenfeldern dieser Ausgabe. Wir danken ihnen dafür, dass wir ihre Arbeiten verwenden konnten, um auch diese evolve-Ausgabe zu einem Gesamtkunstwerk zu machen, in dem sich Gestaltung und Themen gegenseitig dialogisch ergänzen, durchdringen und verstärken.
Bei der Zusammenstellung der Beiträge zu dieser Sonderausgabe haben wir gemerkt, wie aktuell viele der Texte sind, oft noch aktueller als beim Erscheinen. Und weil wir die Beiträge durch die gewählten vier Themenschwerpunkte in einen neuen Kontext stellen, eröffnen sich auch neue Verbindungen zwischen ihnen. Denn die angesprochenen Themenfelder hängen zuinnerst miteinander zusammen. In unserem Interview mit Thomas Steininger, mit dem wir diese Ausgabe beginnen, werden die Wegmarken, die wir in unserer Arbeit gestalten, angesprochen und vertieft. Thomas spricht darin auch über unsere journalistische Grundhaltung, in der wir evolve als eine Einladung verstehen, sich umfassender zu bilden und sich zu verbinden, um in der Welt wirksam zu sein. Und genau das ist das Anliegen von evolve World.
Einladung in eine neue Welt
Auf evolve World können Sie neben vielem anderen alle evolve-Artikel in einer umfangreichen Library mit fast 1000 Beiträgen und über 500 Sendungen von Radio evolve finden. Durch die Suchfunktion können Sie die Library durchsuchen, um bestimmte Themen selbst zu vertiefen. Wenn Sie beispielsweise den Begriff »Weisheit« eingeben, werden alle Beiträge von evolve und Sendungen von Radio evolve angezeigt, in denen dieses Thema vorkommt. Die Library wird dadurch zu Ihrer Selbstlernplattform, in der Sie ein Thema unter verschiedenen Perspektiven aufarbeiten können. Bald wird diese Lernmöglichkeit durch Aufnahmen anderer Online-Veranstaltungen wie evolve Live oder One World Bearing Witness erweitert.
Dabei ist uns bei evolve der Dialog ein zentrales Anliegen. Und wir sehen es als zutiefst wichtig, Orte zu schaffen, an denen ein offener, co-kreativer Dialog möglich ist. Das ist das Anliegen der evolve Salons.
Mit dem virtuellen Begegnungsraum Communiverse umfasst unsere Seite evolve World auch ein neues Zuhause für Sie, für Menschen, die sich im Dialog gemeinsam mit den tieferen Fragen unserer Zeit beschäftigen wollen, um zu erforschen, wo sie zusammen mit anderen wirksam sein können. Das Communiverse bietet die Möglichkeit der Vernetzung und des Austauschs, ähnlich wie andere soziale Medien, wobei hier keine Algorithmen bestimmen, was angezeigt wird. Außerdem gibt es nicht nur die Möglichkeit für Chat- und Textkonversationen, sondern auch für gemeinsame Videokonferenzen auf der Plattform, um Ihre Gespräche wirklich lebendig zu machen. Dieses Netzwerk ermöglicht es Ihnen also, sich ungestört von Manipulation mit anderen im respektvollen, dialogischen Austausch zu verbinden. Verbindungen, die dann auch zu Begegnungen, Initiativen und Projekten jenseits des virtuellen Raums führen können.
Den Zugang zu evolve World erhalten Sie durch eine Mitgliedschaft, die neben dem Zugang zur Library verschiedene weiterführende Angebote, Dialogforen oder Gespräche mit evolve-Autorinnen beinhaltet. Als evolve-Abonnent erhalten Sie 60 Tage lang einen kostenlosen Zugang, um die Seite zu erforschen und in Austausch zu kommen. Nach dieser Zeit haben wir ein spezielles Angebot für Sie, das wir auf der Website veröffentlichen werden. Im Laufe der Zeit werden wir auch ein englischsprachiges evolve-Archiv gestalten, in dem unsere englischen Originalbeiträge zum ersten Mal veröffentlicht werden. Mit diesem Modell der Mitgliedschaft möchten wir auch die finanzielle Nachhaltigkeit von evolve sichern. Eine Mitgliedschaft unterstützt also unser gesamtes Projekt.
Wir hoffen, dass Sie evolve World als neuen digitalen Bewusstseinsort, als ein Gewebe der Vernetzung und co-kreativen Werderaum mit uns und miteinander bewohnen, gestalten, lebendig werden lassen. Wir sind gespannt auf dieses Abenteuer!
Herzlichst
Mike Kauschke
Redaktionsleiter
