Ganzheitliche Bildung

Our Emotional Participation in the World
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Essay
Published On:

April 5, 2021

Featuring:
Otto Scharmer
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Ausgabe 30 / 2021:
|
April 2021
Kunst öffnet Welten
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Persönlichkeitsentwicklung und Verantwortlichkeit

In unserem Bildungssystem bedeutet Pädagogik meist vor allem die Vermittlung bestimmter Wissensinhalte. Dabei gibt es im Deutschen das schöne Wort Bildung, das ein umfassenderes Wachstum meint. Wilhelm von Humboldt beschrieb es so: »Es giebt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf.«

Hier bedeutet Bildung eine erfahrungsorientierte ganzheitliche Förderung der Potenziale eines Menschen. Dieser umfassenden Sicht von Bildung folgen einige Schulformen wie Waldorf- oder Montessoripädagogik, die unter Eltern immer größeren Zuspruch finden.

Zudem gibt es Projekte, die in der Bildung junger Erwachsener solch integrale Ansätze anwenden. Eine dieser Initiativen ist der »Bachelor of Being«, konzipiert von dem Philosophen und Hochschullehrer Maik Hosang. In diesem »philosophischen Orientierungssemester« lebt eine Gruppe von 25 jungen Leuten für fünf Monate auf einem ehemaligen Klostergut zusammen, um sich den wesentlichen Fragen des Lebens zu widmen. »Praktisches Experimentieren, theoretisches Ergründen und persönliche Reflexion« sollen hier miteinander verbunden werden: »Wir lernen, uns zu zeigen, zu uns zu stehen, transparent zu kommunizieren und mit unterschiedlichen Gefühlen und Bedürfnissen umzugehen. Zwischenmenschliche und psychische Prozesse bekommen viel Aufmerksamkeit, Selbst- und Welterfahrung bereichern einander.« Besonders an diesem Projekt ist auch die inhaltliche Inspiration durch die integrale Philosophie oder Ansätze wie die Theorie U von Otto Scharmer oder »Reinventing Organization« von Frederic Laloux. Der erste Durchgang dieses Experiments soll Ende Oktober 2021 beginnen.

Eine Initiative, die solch eine Lerngemeinschaft schon seit einigen Jahren praktiziert, ist das »Project Peace«, das in der Gemeinschaft Sulzbrunn eine neue Heimat gefunden hat. Hier leben 15 junge Menschen neun Monate zusammen, um innere Entwicklung mit einer Verantwortung für die Welt zu verbinden. Dieses Projekt führt die jungen Menschen in drei Teilen durch eine Art Initiationsprozess. Im ersten Modul, der Studienzeit, wird die Frage: »Wie geht Frieden?« aus verschiedenen individuellen, kollektiven, ökologischen und spirituellen Perspektiven erforscht. Im zweiten Teil, der Wandlungszeit, geht es verstärkt um innere Entwicklung mittels Achtsamkeit und einer individuellen Unterwegszeit in einem globalen Projekt. Im dritten Modul, dem ko-kreativen Aktivismus, werden Aktionen oder Projekte gemeinsam umgesetzt.

Dieser Erfahrungsprozess hat scheinbar eine nachhaltige Wirkung, die eine Teilnehmerin aus dem ersten Jahrgang so beschreibt: »Project peace scheint so weit weg und ist doch ganz nah, in mir verwurzelt. Project peace begleitet mich jetzt noch, es hat viele Spuren in mir hinterlassen, auch sechs Jahre später schöpfe ich daraus Kraft!« Im September beginnt der zehnte Jahrgang dieses Projekts.

 BILDUNG BEDEUTET HIER EINE ERFAHRUNGSORIENTIERTE FÖRDERUNG DER POTENZIALE EINES MENSCHEN.

Ist es auch online möglich, Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen? Die App 29k.org verbindet wissenschaftlich geprüfte Verfahren der Selbstentwicklung mit der Vernetzung mit Menschen, die ebenfalls auf diesem Weg sind. Ein Nutzer erklärt: »Ich hätte nie gedacht, dass durch Technologie solch eine tiefe Verbundenheit entstehen kann.« Auch im universitären Bereich gibt es Impulse für eine erweiterte Bildung, zum Beispiel durch den Einbezug von Achtsamkeit und Meditation. So wird an der Frankfurt University of Applied Sciences ein neuer Studiengang zu »Meditation als kulturelle Praxis« angeboten. Dabei wird Meditation im Zusammenhang mit Philosophie, Wissenschaft, Wirtschaft und Religion vertieft, aber auch durch eigene Praxis verinnerlicht und »als Verhaltensweise zur Abrundung der eigenen Persönlichkeit« eingeübt. Für die Forschung über solch eine Potenzialbildung der Menschen wurde an der Universität zudem ein »Zentrum für Persönlichkeitsentwicklung und Gesellschaftliche Verantwortung« gegründet, in dem Persönlichkeitsbildung, gesellschaftliche Verantwortung und Hochschuldidaktik in ihrer wechselseitigen Wirkung interdisziplinär erforscht werden sollen.

Diese und viele andere Projekte experimentieren mit neuen Ansätzen der Bildung, die unser lebenslanges Entwicklungspotenzial ernst nehmen und verstehen, wie sehr Persönlichkeitsbildung darüber entscheidet, wie wir erlerntes Wissen in der Welt umsetzen.

www.bachelor-of-being.de

www.projectpeace.de

Author:
Mike Kauschke
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