Jede Krise beginnt im Kopf

Our Emotional Participation in the World
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Interview
Published On:

January 14, 2014

Featuring:
Otto Scharmer
Categories of Inquiry:
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Issue:
Ausgabe 01 / 2014
|
January 2014
Das neue Interesse an Politik
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evolve: Worin besteht Ihrer Ansicht nach unsere gegenwärtige Krise und wie können wir als Menschen darauf antworten?

Otto Scharmer: Die heutige Krise lässt sich vielleicht am besten anhand eines Eisbergmodells veranschaulichen. Nur 10 Prozent eines Eisbergs sind oberhalb der Wasseroberfläche sichtbar. Der sichtbare Teil unserer Krise lässt sich mit drei Krisenregionen vereinfacht zusammenfassen: die ökologische Krise (Umweltzerstörung), die soziale Krise (Armut, Ungleichheit) und die spirituelle Sinnkrise, wie beispielsweise Burnout und Depression. Die ökologische Krise ist letztlich der Ausdruck einer sich weitenden Kluft zwischen unserem Selbst und der Natur, die soziale Krise ist Ausdruck einer Kluft zwischen unserem Selbst und den Anderen, und die spirituelle Krise ist Ausdruck einer Kluft zwischen Selbst und Selbst, zwischen dem gewordenen Selbst und dem werdenden (höheren) Selbst. Einer der Parameter, wie sich diese Kluft in entwickelten Ländern manifestiert, ist der Umstand, dass eine Steigerung des Bruttosozialproduktes nicht länger die Lebensqualität der Bevölkerung steigert. Zum Beispiel können sich die Geschäftigkeit und die Arbeitsbelastung erhöhen, aber Menschen sind depressiv und ohne Lebenssinn.
Was haben wir aus der Vergangenheit gelernt? Vielleicht, dass wir keine nachhaltigen Lösungen finden, wenn wir diese drei Krisen isoliert angehen und nur Einzelsymptome adressieren. Denn dann schaffen wir für jedes dieser Probleme ein oder mehrere Ministerien, ein oder mehrere akademische Abteilungen, NGOs (Non-Profit-Organisationen) und Stiftungen etc., die sich genau auf diesen einen Spezialbereich fokussieren. Für jeden dieser symptomorientierten Fokusbereiche organisieren wir Konferenzen, Förderungsmechanismen und Karrierelaufbahnen. Das Problem ist, dass bei diesem Ansatz die meisten Antworten zu kurz greifen. Wir haben nicht wirklich das Ganze in den Blick genommen, nicht die 90 Prozent unterhalb der Wasseroberfläche, wo das System wirkt, das diese Symptomlandschaft immer wieder reproduziert.

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Wie wir die ökologische, soziale und spirituelle Trennung überwinden können


Otto Scharmer ist ein unermüdlicher Denker und Gestalter der Transformation. Er berät seit vielen Jahren Firmen, Non-Profit-Organisationen und Regierungen bei Veränderungsprozessen. Diese Erfahrungen hat er nun in einem Entwurf des gesellschaftlichen Wandels gebunden, der visionär und konkret zugleich ist.

evolve: Worin besteht Ihrer Ansicht nach unsere gegenwärtige Krise und wie können wir als Menschen darauf antworten?

Otto Scharmer: Die heutige Krise lässt sich vielleicht am besten anhand eines Eisbergmodells veranschaulichen. Nur 10 Prozent eines Eisbergs sind oberhalb der Wasseroberfläche sichtbar. Der sichtbare Teil unserer Krise lässt sich mit drei Krisenregionen vereinfacht zusammenfassen: die ökologische Krise (Umweltzerstörung), die soziale Krise (Armut, Ungleichheit) und die spirituelle Sinnkrise, wie beispielsweise Burnout und Depression. Die ökologische Krise ist letztlich der Ausdruck einer sich weitenden Kluft zwischen unserem Selbst und der Natur, die soziale Krise ist Ausdruck einer Kluft zwischen unserem Selbst und den Anderen, und die spirituelle Krise ist Ausdruck einer Kluft zwischen Selbst und Selbst, zwischen dem gewordenen Selbst und dem werdenden (höheren) Selbst. Einer der Parameter, wie sich diese Kluft in entwickelten Ländern manifestiert, ist der Umstand, dass eine Steigerung des Bruttosozialproduktes nicht länger die Lebensqualität der Bevölkerung steigert. Zum Beispiel können sich die Geschäftigkeit und die Arbeitsbelastung erhöhen, aber Menschen sind depressiv und ohne Lebenssinn.
Was haben wir aus der Vergangenheit gelernt? Vielleicht, dass wir keine nachhaltigen Lösungen finden, wenn wir diese drei Krisen isoliert angehen und nur Einzelsymptome adressieren. Denn dann schaffen wir für jedes dieser Probleme ein oder mehrere Ministerien, ein oder mehrere akademische Abteilungen, NGOs (Non-Profit-Organisationen) und Stiftungen etc., die sich genau auf diesen einen Spezialbereich fokussieren. Für jeden dieser symptomorientierten Fokusbereiche organisieren wir Konferenzen, Förderungsmechanismen und Karrierelaufbahnen. Das Problem ist, dass bei diesem Ansatz die meisten Antworten zu kurz greifen. Wir haben nicht wirklich das Ganze in den Blick genommen, nicht die 90 Prozent unterhalb der Wasseroberfläche, wo das System wirkt, das diese Symptomlandschaft immer wieder reproduziert.

Unsere Krise lässt sich mit drei Regionen vereinfacht zusammenfassen: die ökologische Krise, die soziale Krise und die spirituelle Sinnkrise.


Wie können wir diese drei Themengebiete systemisch miteinander verbinden? Sie sind drei Manifestationen ein und desselben Grundproblems. Was sind die strukturellen Grundprobleme, wenn wir die systemischen Kausalfaktoren unterhalb der Wasseroberfläche erkunden? Wenn wir genauer hinschauen, um wirklich zu verstehen, wie das System unter der Wasseroberfläche beschaffen ist, dann sehen wir zuerst eine Reihe von strukturellen Entkoppelungen: zwischen den Finanzmärkten und der Realwirtschaft, zwischen unendlichem Wachstum und begrenzten Ressourcen, zwischen Reich und Arm und so weiter.
In dem begrifflichen Bezugsrahmen, den wir entwickelt haben, sehen wir acht verschiedene strukturelle Entkoppelungen und entsprechende Akkupunkturpunkte für soziale Transformation (vgl. Kasten 1). Was ist der Ausgangspunkt für diese strukturellen Probleme?
Ich glaube, dass die Hauptursache für die Krise der Gegenwart in unserem Kopf entspringt: Es beginnt mit dem Denken, das wir hervorbringen, besonders mit dem Denken über ökonomische Beziehungen und Ökonomie generell. Es beginnt mit einer ökonomischen Theorie, die auf einem Ego-System-Bewusstsein basiert.
Während die ökonomische Realität heute lokal wie global in ökosystemische Feedbackschleifen eingebunden ist, verharrt unser ökonomisches Denken immer noch auf der Stufe des Ego-System-Bewusstseins. Dieses Auseinanderfallen von ökonomischer Theorie und Praxis, d. h. von Ego-System-Bewusstsein versus Öko-System-Realität, ist der blinde Fleck des vorherrschenden ökonomischen Denkens. Aber, wie schon Einstein bemerkte, wir können die Probleme nicht durch das gleiche Denken bewältigen, das sie hervorgebracht hat.

Ich sehe Anfänge einer Bewegung, die Ökonomie, Gesellschaft und Bewusstsein neu denkt und der es darum geht, die drei Krisen unserer Zeit zu überwinden.


In unserem neuen Buch versuchen wir, einen neuen begrifflichen Bezugsrahmen dafür zur Verfügung zu stellen. Diesen Bezugsrahmen nutzen wir auch in unserer Arbeit in Transformationsprozessen in unterschiedlichen, gesellschaftlichen Schlüsselbereichen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Führungsherausforderungen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Systemen viel Ähnlichkeit miteinander aufweisen. Nämlich, dass komplexe Stakeholder-Systeme eine Transformation von Interaktionsmustern mit einem engen Ego-System-Bewusstsein hin zu Interaktions- und Kommunikationsmustern mit einem erweiterten Öko-System-Bewusstsein, das auf das Wohlbefinden aller ausgerichtet ist, durchlaufen müssen.

evolve: Was verstehen Sie unter Ego-System-Bewusstsein und Öko-System-Bewusstsein?

Otto Scharmer: Ego-System-Bewusstsein ist ein Bewusstsein, in welchem die Weltsicht, die Entscheidungsfindung und das Verhalten weitgehend davon angetrieben werden, Wohlergehen für mich selbst und nicht für andere zu erzeugen. Das Öko-System-Bewusstsein ist eine Haltung und Weltsicht, die sich darauf fokussiert, Wohlergehen für sich selbst und für alle anderen Akteure innerhalb des Ökosystems, in welchem man lebt und arbeitet, herzustellen (vgl. Kasten 2). Das Öko-System Bewusstsein schließt das Ego-System-Bewusstsein ein, erweitert und vertieft es aber und umfasst die gesamte Realität, mit der wir es zu tun haben.

Veränderungsprozesse bestehen zum Großteil darin, dass man den Interessengruppen eines Systems hilft, die Probleme aus der Sicht der anderen Interessengruppen zu sehen.


Wenn man genauer hinschaut, was in Zeiten von Wandel und Umbrüchen wirklich geschieht und wenn man mit komplexen Systemen arbeitet, dann besteht die Gestaltung von Veränderungsprozessen zum Großteil darin, dass man den verschiedenen Interessengruppen eines Systems hilft, die Probleme aus der Sicht der jeweils anderen Interessengruppe zu sehen. Dazu müssen sie sich in die Lage der anderen Interessengruppe versetzen können, insbesondere müssen sie lernen, die Situation aus der Sicht der am stärksten marginalisierten Interessengruppe zu sehen. Beim Beispiel des Gesundheitssystems in Namibia würde es bedeuten, dass man sich in die Lage der Patienten versetzt, die in entfernten Regionen leben und die tagelang zu einer Klinik reisen müssen. Dies wird den Entscheidern im System helfen, das System so neu zu gestalten, dass im Ergebnis die Prozesse so gestaltet sind, dass sie allen nützen, statt nur dem Wohlergehen einiger weniger Interessengruppen. Diese Transformation von Ego-System-Bewusstsein zu Öko-System-Bewusstsein ist heute die wichtigste Herausforderung für Führungskräfte.

evolve: Dies ist also ein Teil des Prozesses, in den Sie die Menschen mit hineinnehmen, um sie zu befähigen, über das Ego-System hinauszublicken, in das sie zuvor eingeschlossen waren.

Otto Scharmer: Ja, die allgemeine Herausforderung für Führungskräfte in fast allen institutionellen Feldern hat damit zu tun, sich vom organisationalen Ego-System-Bewusstsein zum Öko-System-Bewusstsein zu bewegen. Dieser Umschwung erfordert einen Entwicklungsweg. Wir nutzen dabei den U-Prozess, d. h. einen Weg, der auf drei Instrumente des inneren Wissens zielt: die Öffnung des Denkens (Open Mind), des Fühlens (Open Heart) und des Wollens (Open Will).
Open Mind ist die Fähigkeit, neu hinzusehen und alte Denkgewohnheiten außer Kraft zu setzen. Open Heart ist die Fähigkeit, sich einzuspüren und die Situation durch die Augen eines Anderen zu sehen. Open Will ist die Fähigkeit, loszulassen und kommenzulassen: Loslassen in Bezug auf alte Identitäten („Wir versus die Anderen“) und Kommenlassen als Erspüren meiner höchsten zukünftigen Möglichkeit.
Diese Arbeit mit dem U-Prozess haben wir auf vielen Ebenen entwickelt und eingesetzt. Doch heute mit 52 Jahren denke ich, dass meine wirkliche Lebensaufgabe erst richtig beginnt. Unser soeben erschienenes Buch, Leading from the Emerging Future (dt. etwa „Aus der entstehenden Zukunft führen“), war das Buch, das ich bereits seit meiner Studentenzeit schreiben wollte, und nun, nach der Finanzkrise, war die Gelegenheit plötzlich da. Ich bin so glücklich, dass es jetzt erschienen ist und 2014 auch in Deutschland erscheinen wird. Wir möchten es zu einem Mittel für eine soziale Erneuerungs-Mobilisierung machen, denn wir glauben wirklich, dass wir auf diesem Planeten eine neue Bewegung brauchen (s. Kasten 3).

Wir brauchen institutionelle Innovationen, die es Gruppen erlauben, von alten Kommunikationsformen hin zu neuen Formen schöpferischer Zusammenarbeit zu gelangen.


Viele Leute denken, dass es nur neue Ideen braucht, um sich in Richtung einer neuen Wirtschaftsordnung zu bewegen. Das ist natürlich nicht zutreffend. Wir brauchen wesentlich mehr als nur neue Ideen. Wir brauchen institutionelle Innovationen und neue soziale Techniken, die es Gruppen erlauben, von alten Denkmustern und Kommunikationsformen hin zu neuen Formen schöpferischer Zusammenarbeit zu gelangen. Der Prozess, den wir hierfür verwenden, umfasst die folgenden Stufen: (1) gemeinsam initiieren, (2) gemeinsame Wahrnehmung, (3) gemeinsame Willensbildung, (4) gemeinsames Prototyping, (5) gemeinsame Weiterentwicklung von institutionellen Ökosystemen. Was wir heute brauchen, ist ein globales Netzwerk von „Hotspots“ der gesellschaftlichen Transformation: Orte, die es lokalen, regionalen und globalen Mitwirkenden erlauben, sich über bestimmte Themengebiete zu verbinden, um durch multi-lokales Prototyping miteinander Neues in die Welt zu bringen.
Ich sehe an vielen Stellen Anfänge einer Bewegung, die Ökonomie, Gesellschaft und Bewusstsein neu denkt und der es darum geht, die drei Krisen unserer Zeit – der ökologische, soziale und spirituell-kulturell – zu überwinden. Immer mehr Menschen spüren diese Anfänge, die Teil einer erwachenden globalen Bewegung sind.

1. Die acht Akkupunkturpunkte

Die folgenden Akkupunkturpunkte beschreiben institutionelle Innovationen, die zusammen das Potenzial für eine nachhaltige Veränderung haben. Jeder dieser acht Punkte beschreibt eine Kluft zwischen dem ökonomischen Handeln, den Wirkungen und dem Bewusstsein der Handelnden im ökonomischen System:

Natur: Die Kluft zwischen Produktion, Konsum und Wiederverwendung durch „geschlossene Kreisläufe“ schließen.
Arbeitswelt: Die Kluft zwischen „Erwerbsarbeit“ und „schöpferischer Eigeninitiative“ durch Infrastrukturen, die inspiriertes Unternehmertum begünstigen, schließen.
Kapital: Die Kluft zwischen Finanz- und Realkapital schließen und anstelle von Spekulation Investitionen in ökologische, soziale und kulturell-kreative Erneuerung ermöglichen.
Technologie: Die Kluft zwischen technischen Innovationen und realen gesellschaftlichen Bedürfnissen durch Ermitteln der Bedürfnisse und partizipativer Planung schließen.
Leadership: Die Kluft zwischen Leadership und der entstehenden Zukunft des Gesamtsystems durch das Schaffen gemeinsamer Räume der Wahrnehmungs- und Willensbildung schließen.
Konsum: Die Kluft zwischen wirtschaftlicher Produktion und dem Wohlbefinden aller durch bewussten und gemeinschaftlichen Konsum und durch neue Indikatoren für die Messung wirtschaftlichen Fortschritts (z. B. GNH: Gross National Happiness) schließen.
Koordination: Die Kluft zwischen den einzelnen Wirtschaftsakteuren und dem Ganzen durch ABC (awareness-based collective action – bewusstseinsbasiertes, gemeinsames Handeln) schließen.
Eigentum: Die Kluft zwischen Eigentumsrechten und der bestmöglichen gesellschaftlichen Nutzung von Eigentum und Vermögen durch die Entwicklung einer dritten Kategorie von Eigentumsrechten (Staats-, Privat- und Gemein-Eigentum), schließen, die insbesondere bei Gemeingütern Anwendung findet und die Interessen zukünftiger Generationen bewahrt.

2. Entwicklungsstufen der Wirtschaft

Die Geschichte der Ökonomie und des modernen ökonomischen Denkens kann als Verkörperung eines sich entwickelnden kollektiven Bewusstseins verstanden werden. Die moderne Ökonomie gründet sich auf Arbeitsteilung, was in Folge zu einer enormen Steigerung der Produktivität geführt hat. Gleichzeitig heißt Arbeitsteilung, dass eine Gesellschaft vor der Frage steht, wie die individuellen Aktivitäten bestmöglich koordiniert werden können?
Auf diese Frage lassen sich vier verschiedene Antworten geben, die auch die Stufen ökonomischer Entwicklung beschreiben:

Durch eine zentrale Koordination: Hierarchie und zentrale Planung schaffen eine zentralisierte Ökonomie (Sozialismus, Merkantilismus) basierend auf traditionellen Werten wie Loyalität, Gefolgschaft, etc.
Durch eine dezentralisierte Koordination: Märkte und Wettbewerb schaffen einen zweiten, den privaten Sektor, die Geburt der freien Marktwirtschaft. Diese Wirtschaftsordnung basiert auf der Bewusstseinsform des Ego-System-Bewusstseins, das heißt, die massive Aktivierung von individueller, unternehmerischer Initiative.
Durch Dialog zwischen Interessengruppen: Verhandlungen und Dialoge von organisierten Interessengruppen schaffen den dritten, sozialen Sektor, und mit dem Zusammenspiel der drei Sektoren die Soziale Marktwirtschaft (Stakeholder-Kapitalismus). Diese Wirtschaftsordnung basiert auf der Bewusstseinsform des Stakeholder-Bewusstseins, das heißt, die Sorge um sowohl das eigene Wohlbefinden als auch das Wohlbefinden der unmittelbaren Partner.
Durch die Vergegenwärtigung des Ganzen: gemeinsames schöpferisches Handeln, das auf einer gemeinsamen Anschauung der Situation basiert, auf einem Bewusstsein des Ganzen, das auf das Wohlsein aller zielt (Öko-System-Bewusstsein).

In unserem Buch beschreiben wir, wie verschiedene Ökonomien historisch diese Stufen unterschiedlich durchlaufen haben und durchlaufen. Wenngleich jede Kultur und jedes Land seinen eigenen Weg findet, gibt es dennoch eine Tendenz, diese Stufen schrittweise von 1.0 zu 4.0 zu durchlaufen. Zudem erhöht sich die gesellschaftliche und ökonomische Komplexität von Stufe zu Stufe und frühere Formen bleiben in späteren erhalten, zum Beispiel 1.0-Institutionen (wie Hierarchien) und 2.0-Institutionen (wie Märkte) bestehen in 3.0- oder 4.0-Ökonomien weiter, allerdings dann in einem fortschreitenden größeren Kontext, der von der jeweiligen (nächsten) Stufe konfiguriert wird.

3. Eine globale Bewegung und eine neue Leadership-Schule

Der Wandel von der Ego-System-Ökonomie zur Öko-System-Ökonomie erfordert neue soziale Technologien und Führungs- und Innovationsfähigkeiten. Diese auszubilden bedarf einer neuen Leadership-Schule, die im besten Fall eine gemeinschaftliche Plattform schafft, die Sektoren, Systeme und generationenübergreifend verbindet, indem sie Wissenschaft, Kunst und die Praxis eines grundlegenden und bewusstseinsbasierten Wandels integriert.
Die Gegenwartskrise beginnt in unserem Kopf, in unseren alten Denkmustern, insbesondere unseren ökonomischen Theorien. Diese Muster zu verändern, erfordert nichts Geringeres als eine bewusste globale Infrastruktur (oder Leadership-Schule), die nicht nur ein neues Bezugssystem in den Blick nimmt, sondern auch praktische Methoden und Werkzeuge entwirft und bereitstellt, um die Verwandlung von Ego zu Öko und eine neue Qualität des Denkens zu ermöglichen, die Kopf, Herz und Hand miteinander verbindet.
Eine derartige neue Leadership-Schule würde ein weltweites Netz von regionalen „Hubs“ entwickeln, in denen die Initiatoren und Veränderungsmacher der 4.0-Transformation gemeinsam die inneren und praktischen Grundlagen für die unterschiedlichen gesellschaftlichen Transformationsprozesse kultivieren, austauschen und weiterentwickeln. Gleichzeitig wäre eine solche Leadership-School Prototyp einer Universität des 21. Jahrhunderts, die drei Wissensformen integriert: technisches Wissen (wissen, was), praktisches Wissen (wissen, wie) und Transformationswissen (wissen, wer: Selbsterkenntnis). Die bisherigen Prototypen einer solchen Schule haben die folgenden Kernprinzipien angewendet und entwickelt, die die intendierten Replikationen dieser Schule unterstützen sollen:

Integration aller System- und Entwicklungsebenen: Unter Verwendung der Matrix der Sozialen Evolution alle Ebenen des sozialen Systems und alle Entwicklungsstufen mit einbeziehen (vom Ego-System-Bewusstsein zum Öko-System-Bewusstsein).

Integration aller Intelligenzen: Integrieren von Open Mind (IQ: intellektuelles Wissen), Open Heart (EQ: emotionales und Beziehungswissen) und des Open Will (SQ: Selbsterkenntnis).

Systemisches Denken: Methoden in die Forschung und Praxis einbeziehen, die auf 30-jähriger Erfahrung mit lernenden Organisationen basieren.

MOOCs: Weiterentwicklung von „Massive Open Online Courses“, um das klassische Online-Learning durch interaktive Werkzeuge, individuelle reflektive und kontemplative Praktiken, Kleingruppendialogen, praktische Anwendung und durch Präsenzerlebnisse einer globalen Gemeinschaft von Veränderungsmachern zu erweitern und vertiefen.

Lernprozesse: „Deep Dives“ (Tiefes Eintauchen) in transformativen Lernerfahrungen und Übungen des „schöpferischen Zuhörens“ („Generative Listening“) erlauben den Lernenden, in die Realität und die Orte einzutauchen, wo neues Potenzial sichtbar wird, und erste Erfahrungen mit Veränderungsprozessen erfolgreich umsetzen.

Wissenschaft 2.0: Die Herausforderungen dieses Jahrhundert machen es erforderlich, das Konzept von Wissenschaft zu erweitern und über die Grenzen der von außen analysierten Daten („Blick der dritten Person“, Es) hinauszugehen. Wenn wissenschaftliche Beobachtung wieder auf den Beobachter selbst zurückführt wird, können die subtileren Erfahrungsebenen der ersten (Ich) und zweiten (Wir) Person in den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess einbezogen werden.

Presencing: Praktiken, die es den Führungspersonen erlauben, aus einer im Entstehen begriffenen Zukunftsmöglichkeit heraus zu handeln und Handlungsmuster, die auf der Vergangenheit basieren, zu durchbrechen.

Die Kraft der Intention: Die Fähigkeit, die tiefere Intention des eigenen Lebens zu gegenwärtigen.

Prototyping: Verbindung von Kopf, Herz und Hand, um reale Prototypen zu schaffen und damit die Zukunft im Handeln zu erforschen.

Die Kraft des Ortes: Innovationen geschehen an Orten. Erweiterung des Online-Lernens mit einem globalen Netzwerk unternehmerischer Knotenpunkte, in denen individuelle und gemeinschaftliche (Sozial-)Unternehmer die Kooperationsformen der Zukunft im Tun erkunden.

Author:
evolve
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