3.000 Mohnblumen auf Münchner Königsplatz
Im November 2018 wird ein bemerkenswertes Kunstprojekt in München stattfinden: Der Aktionskünstler Walter Kuhn lässt den Königsplatz für drei Wochen in einem Meer von über 3.000 roten Mohnblumen erstrahlen und nutzt die starke Wirkung für seine Botschaft: Never again! Ein klares Plädoyer für den Frieden. Der Auftakt des Projekts am 11.11. ist zugleich sein Anlass: Die Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkrieges vor genau 100 Jahren mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrags von Compiègne. Doch Walter Kuhn geht mit seiner Aktion bewusst über das Gedenken an gefallene Soldaten hinaus und erinnert auch an die zivilen Opfer aller Kriege bis in die Gegenwart.
In vielen englischsprachigen Ländern wird der blutrote Klatschmohn am »Poppy Remembrance Day« zur Erinnerung an die Opfer der Kriege millionenfach getragen. Diese Geste bezieht sich auf John McCraes Gedicht »In Flanders Fields« aus dem Jahr 1915 und ist zugleich Anspielung auf die Mohnblume als Pionierpflanze, die sich auch auf den Grabhügeln der Soldaten rasch verbreitete und blühte. Der Künstler möchte sie mit seiner Aktion zu einem weltweiten Zeichen der Erinnerung und Versöhnung werden lassen. Zugleich verbindet er dieses Symbol auch mit der Bitte um Verzeihung für das, was wir Deutschen an Leid und Zerstörung in der Vergangenheit zu verantworten haben.
Walter Kuhn wählt bewusst den Königsplatz mit seiner unheilvollen Geschichte für die Aktion. König Ludwig I. legte den von klassizistischen Bauwerken gerahmten Stadtplatz Mitte des 19. Jahrhunderts in bester Absicht als Kulturzentrum an. Bereits 1933 zählte er mit zu den Orten, an denen nationalsozialistisch überzeugte Studenten Bücher unliebsamer Schriftsteller*innen verbrannten. Zwei Jahre später veranlasste Adolf Hitler seine Umgestaltung zum zentralen Aufmarschplatz und zur Weihestätte der »Hauptstadt der Bewegung«.
Wo Hitlers Soldaten paradierten, soll sich ein Blütenteppich von roten Mohnblumen ausbreiten.
Auf den vier zentralen Grünflächen des Königsplatzes, die erst 1988 wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt wurden, installiert nun Walter Kuhn die über 3.000 etwa hüfthohen Mohnblumen aus Kunstseide auf Drahtstängeln, damit sie sich im Wind bewegen. Besucher können sie beim Durchlaufen der Felder unmittelbar sinnlich erleben. Gleichzeitig sind in einer Black Box vor der Glyptothek Aufnahmen von Texten zu den Themen Krieg, Frieden und Widerstand zu hören, gelesen von Schülerinnen und Schülern der nahe gelegenen Städtischen Anita-Augspurg-Berufsoberschule.
Die Idee zu der Kunstaktion »Never again – 3.000 Mohnblumen auf dem Königsplatz« entwickelte Kuhn aufgrund persönlicher Erfahrungen: Die Berichterstattung aus Syrien erinnert den 1946 geborenen Künstler an seinen eigenen, täglichen Schulweg durch die völlig zerbombte Nürnberger Stadtlandschaft. In seiner Zweitheimat, dem französischen Zentralmassiv, sind Denkmäler und Gedenkfeiern zu den Kriegen des letzten Jahrhunderts, besonders aber zum Ersten Weltkrieg weit mehr präsent als in Deutschland. Dieses Bewusstsein ließ in ihm den Wunsch entstehen, die Erinnerung an jene Ereignisse auch bei uns stärker zu vertiefen und gleichzeitig ein Mahnmal gegen aktuelle und künftige Kriege entstehen zu lassen. So wuchs seine Vision, dass dort, wo Hitlers Soldaten paradierten, sich bald ein Blütenteppich aus roten Mohnblumen ausbreitet.
Damit verbunden ist die Idee, dass Jede und Jeder die Friedensbotschaft in die Welt oder auch in ihr oder sein Haus tragen kann: Mit der Übernahmen von Patenschaften ab 20 Euro für einzelne Blumen soll ein Teil der hohen Kosten gedeckt werden und nach Abschluss der Aktion dürfen die Pat*innen die Blumen als Geschenk mitnehmen. Die Kunstaktion findet im Rahmen der Münchner Friedenswochen statt.