Mehr als je zuvor braucht jeder Mensch, jede Familie, jedes Team, jede Organisation ein eigenes, lebendiges Verständnis und tiefgehendes Erleben von Resilienz und Bewusstheit. All die täglich zu lösenden Fragestellungen und großen Dilemmata von Krieg, Klima, gesellschaftlichen Spannungen und Polarisierungen dringen immer tiefer in unsere Seelen ein. Nicht vorstellbare Ereignisse berühren unser Innerstes. Gepaart mit persönlichen Belastungen und Lebensthemen ergibt sich ein ständig zu bewältigender Parcours, an dem sich immer mehr Menschen, ob jung oder alt, erschöpfen. Gerade jetzt, wo wir möglichst kraftvoll, klar und besonnen inmitten unserer Handlungsfelder wirken möchten, geht vielen die Energie aus. Das eigene Selbstverständnis wird perforiert, das Nervenkostüm wird immer dünnhäutiger. Die Seele spiegelt durch körperliche Symptome ihre Last.
Seit 15 Jahren begleite ich Einzelpersonen, Teams und Unternehmen in der Erkundung ihrer Möglichkeiten zu persönlicher und gemeinsamer Resilienz. Oft besteht der dringende Wunsch, innerhalb der täglichen Beanspruchungen und Verwirbelungen eine Art Schutzmauer aufbauen zu können. Eine Robustheit, um Irritationen, quälende Gedanken und Gefühle, Schmerzen, Hilflosigkeit und Erschütterungen zu parieren und in Schach zu halten. Die Sehnsucht ist verständlich, doch lohnt sich eine ehrliche Hinterfragung: Um was geht es wirklich? Sollen Instabilitäten ausgeglichen werden, um schnell wieder funktionstüchtig zu sein? Widerstandsfähigkeit kann bestens dafür benutzt werden, alte Prägungen und Musterketten unreflektiert aufrecht zu erhalten. Systeme werden gestärkt, um sie im Gegenzug noch besser ausbeuten zu können.
Ich selbst kenne diese »Fallen« unserer kollektiven Konditionierungen zur Genüge. Ich kann mich mit den liebevollsten, sozialsten, menschlich hochwertigsten Projekten beschäftigen. Wenn ich dabei meine eigenen Kräfte missachte, mich verausgabe und meine Mitte verliere, reproduziere ich das Muster der Ausbeutung, wie es in unzähligen anderen Kontexten auch passiert. Die Überschätzung meiner Kapazitäten lässt sich auf den gleichen Ursprung zurückführen, wie jede andere Form der Ausplünderung von Ressourcen. Wir hebeln diese starken Programmierungen nur aus, wenn wir sehr genau hinschauen und Mut fassen, auch unsere eigenen, unbequemen Schatten auszuleuchten.
»Unsere Verbundenheit schafft Geborgenheit im Sturm.«
Eine ganzheitlich angelegte Resilienzentwicklung verbindet die Bedürfnisse und Wünsche sowie die Fähigkeiten und das intuitive Wissen von Körper, Herz, Geist und Seele. Die gezielte, aufmerksame Aktivierung und Wertschätzung all dieser Ebenen bringt inspirierende Unordnung in den eingefahrenen Trott von Dauerstress und Überreizung. Wir erleben, dass unser Organismus von zuverlässigen Kräften der Selbstheilung und Revitalisierung durchdrungen ist.
Wir Menschen suchen ständig vielfältige Herausforderungen und verkraften sie auch, weil sie uns Entwicklungsreize schenken und uns wachsen lassen. Unser Verstand, unser Körper, unser Herz und unsere Seele sind mit phänomenalen Fähigkeiten der Verarbeitung und Transformation ausgestattet. Von Natur aus tragen wir Resilienz in uns. Allerdings braucht unser Organismus nach einer Beanspruchung auch Zeit für Ruhe und Regeneration. Nur so erhält sich jede Art von Lebenssystem gesund. Es ist eine grundlegende Wahrheit, die wir trotz aller sichtbaren Konsequenzen immer noch nicht ernst nehmen. Damit hebeln wir uns unausweichlich aus.
Ein tiefgehender Resilienzprozess schenkt uns das Zutrauen, sowohl Verdrängung und Kompensation als auch Überzeichnung und Dramatisierung in den Fokus zu nehmen. Wir spüren immer feiner, dass Dauerstress und Anspannungen tiefe Spuren hinterlassen. Es bilden sich Anhäufungen, Schlackenstoffe, die wie Sandbänke mehr und mehr unseren natürlichen Lebensstrom verengen.
Meine Resilienz schenkt mir den inneren Halt, nicht auszuweichen. Meine Bewusstheit schenkt mir die Klarheit und Liebe, offen in der Berührung und Erforschung zu bleiben. Ich lerne, wach und ehrlich in mich hineinzulauschen: Hand aufs Herz – was ist das eigentliche Thema hinter dem Thema?
In dem Moment der wahrhaftigen Berührung mit dem, was ist, öffnet sich die Tür zu meiner Wesensmitte, meinem Da-Sein. An diesem innersten Ort durchströmen mich Ruhe, Weitsicht, Liebe, Verständnis und Weisheit. Angereichert kehre ich in meine Alltagssituationen zurück und durchstrahle sie mit meinem inneren Licht.
Verankert in meinem Sein gestalte ich nährende, tragfähige Beziehungen. Wir verbinden uns. Jeder in seiner Kraft und wir gemeinsam in größerer Kraft. Unsere Verbundenheit schafft Geborgenheit im Sturm.