Immer wieder treffen Menschen oder Bewegungen den Nerv einer breiteren Öffentlichkeit, indem sie unsere tief empfundene Frustration mit den umfassenden Fehlentwicklungen unserer Welt zum Ausdruck bringen. Während der Finanzkrise war dies die Occupy-Bewegung, und in jüngster Vergangenheit war es in Großbritannien Schauspieler und Enfant terrible der britischen Medien Russell Brand. Er war eingeladen worden, eine Ausgabe des politischen Magazins The New Statesman redaktionell zu betreuen. Diese Gelegenheit nutzte er, um seine Version von „Revolution“ anzubieten: „Ich habe noch nie gewählt. Wie die meisten Menschen bin ich von der Politik vollkommen enttäuscht. … Ich wähle nicht, weil mir dies wie ein stillschweigendes Einverständnis und Mitmachen vorkommen würde“. Und damit ist Brand nicht allein. Immer mehr von uns erkennen, dass Politik nach heutigem Zuschnitt nicht imstande ist, den wahren Problemen unserer Zeit wirksam zu begegnen – insbesondere globalen Problemen wie dem Klimawandel.
Doch es gibt einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen einer gesunden kritischen und distanzierten Haltung gegenüber unserem politischen System und einer ungesunden Abspaltung und Dissoziation von diesem System. Das Problem einer vollständigen Dissoziation durch Verweigerung der Wahl-Teilnahme ist paradoxerweise, dass wir das System nicht verändern können, ohne uns in einem geeigneten Maß auf seine Regeln einzulassen. Verweigere deine Stimme, und du verabschiedest dich einfach nur von einem System, dass du ja eigentlich verbessern und überwinden wolltest! Wie die fast schon wieder vergessene Occupy-Bewegung hast du am Ende nichts anderes okkupiert als einen kurzen Medien-Hype.
Es gibt einen Unterschied zwischen einer gesunden distanzierten Haltung gegenüber unserem politischen System und einer ungesunden Dissoziation.
Wie aber können wir den Glauben an konstruktives und effektives politisches Handeln wiedergewinnen – aber auf einer höheren, übergeordneten Ebene? Und was noch wichtiger ist: auf einer globalen Ebene? Wie können wir uns im System engagieren – ohne davon assimiliert und am Ende nur ein Teil von ihm zu werden? Meiner Meinung nach liegt die Antwort auf diese Frage nicht darin, nicht mehr zu wählen, sondern darin, das System zu unseren Gunsten neu zu interpretieren, indem wir unsere Stimmen auf eine vollständig neue Weise nutzen. Indem wir uns als ein wachsender transnationaler Wählerblock organisieren, der seinen Politiker/innen signalisiert, dass wir bei zukünftigen Wahlen für diejenigen Politiker/innen oder Parteien stimmen werden, die unsere globale Agenda implementieren.
Das mag einfach klingen, aber in Wahrheit ist es revolutionär. Durch immer knappere Wahlentscheidungen kann ein relativ kleiner Wählerblock mit einer globalen Perspektive eine enorme Wirkung entfalten. Und was noch besser ist: Es beginnt bereits. Die Simpol (Simultaneous Policy) Initiative konnte bei der letzten Wahl in Großbritannien trotz minimaler Ressourcen bereits 200 Kandidaten dafür gewinnen, ihre globale Nachhaltigkeits- und Gerechtigkeits-Agenda zu unterzeichnen. Eine Agenda, die nicht von Politikern ausgearbeitet wurde, sondern demokratisch von Bürgerinnen und Bürgern. Von diesen 200 Kandidaten sitzen nun 24 im Parlament. Darüber hinaus macht die Kampagne Fortschritte in anderen Ländern, wie Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Im Jahre 2012 ist der integrale Philosoph Ken Wilber dem Beirat von Simpol beigetreten. Er sagt: „Die zentrale Idee von Simpol ist sehr wirkungsvoll: Wählerstimmen in verschiedenen Ländern miteinander zu verbinden und so politisches Handeln in einem Land mit Handeln in einem anderen Land zu verknüpfen. … Das ist wirklich faszinierend und hoffnungsvoll. Meiner Meinung nach ist es die zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts“.
Daher möchte ich Sie einladen, sich der Politik engagiert und zuversichtlich zuzuwenden. Simpol steht bereit, um Sie wieder willkommen zu heißen.