Der Blick aus dem All

Our Emotional Participation in the World
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Interview
Published On:

October 26, 2015

Featuring:
Edgar Mitchell
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Issue:
Ausgabe 8 / 2019
|
October 2015
Eine Welt im Dialog
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Erfahrungen eines Astronauten

Im Jahre 1971 flog Edgar Mitchell mit der Raumfähre Apollo 14 ins All und betrat als sechster Mensch den Mond. Bei seiner Mission machte er eine Erfahrung, die sein Leben für immer verändern sollte.

evolve: Was bedeutet der Flug mit Apollo 14 für Ihr Leben und Ihren Blick auf die Welt?

Edgar Mitchell: Es war ein Moment, der mein Leben zutiefst veränderte – unseren Planeten aus dem Weltall zu sehen, die Erde im Himmel zu sehen als Teil eines größeren Ganzen vor dem Hintergrund der Sterne und der anderen Planeten. Es war ein Gipfelerlebnis, und später habe ich begriffen, dass dieses Erlebnis dem ähnelte, was im Sanskrit als Nirvikalpa Samadhi bezeichnet wird oder im Griechischen als Metanoia: ein tief gehender Wandel in Geist und Herz, im Buddhismus spricht man von Satori oder Erleuchtung.

Anstelle der verstandesmäßigen Suche war da plötzlich ein sehr tiefes Bauchgefühl, die Wahrnehmung, dass etwas anders ist. Es geschah, als ich die Erde sah und beobachtete, wie dieser blau-weiße Planet da schwebte. Ich wusste, dass er die Sonne umkreist, und ich sah die Sonne, sah, wie sie vor dem Hintergrund des tiefschwarzen, samtenen Kosmos steht, sah – oder besser gesagt, wusste sicher, dass der Kosmos erfüllt ist von der Sinnhaftigkeit eines Fließens, einer Energie, von Zeit und Raum. Das geht weit hinaus über die menschliche Fähigkeit, etwas mit dem Verstand zu erfassen. Und dann war da plötzlich ein nichtrationales Verstehen, das meine bisherige Erfahrung weit überstieg: Das Universum scheint aus mehr zu bestehen als nur aus den zufälligen, chaotischen, ziel- und zwecklosen Bewegungen einer Ansammlung von molekularen Partikeln. Auf dem Heimflug, bei dem Blick über 400.000 Kilometer Weltraum auf die Sterne und auf den Planeten, von dem ich stamme, erschien mir das Universum auf einmal als intelligent, liebevoll und harmonisch.

Im gesamten Lauf der Geschichte machten Menschen immer wieder ähnliche Erfahrungen und alle unsere Religionen versuchen, etwas über diese Fragen zu sagen: Wer sind wir, wo gehen wir hin und was hat das alles für einen Sinn?

Die Sehnsucht, das Leben ganz tief zu erfahren, mehr Wissen zu erlangen, aus der ökonomischen Tretmühle auszusteigen, all das sind typische Reaktionen auf diese Erfahrung in veränderten Bewusstseinszuständen. Die Angst vor dem Tod, die einen bis dahin beherrscht hat, verflüchtigt sich. Wenn man nach einer solchen Erfahrung in diesem existenziellen Zustand des Gewahrseins bleibt, ist das erfüllende Empfinden der Ewigkeit sehr tief und unerschütterlich.

e: Auf welche Weise könnte diese Erkenntnis, die Sie im Weltraum hatten, unser Handeln und unsere Beziehung zu unserer globalen Einen Welt verändern?

EM: Der erste Schritt ist, zu sehen, wer wir sind und wo wir uns innerhalb der großen Ordnung der Dinge befinden. Das kann uns Demut lehren. Dann entwickelt man augenblicklich ein globales Bewusstsein, eine Orientierung an den Menschen, eine tiefe Unzufriedenheit mit dem Zustand der Welt und das dringende Bedürfnis, daran etwas zu ändern.

Die nächste Phase der menschlichen Evolution wird eher eine Evolution des Denkens sein, sie wird eher unser Wissen, unsere Spiritualität und Bewusstheit betreffen als unsere Biologie oder Physiologie. Sie wird wahrscheinlich eine Evolution des Bewusstseins sein, sie wird dramatische Veränderungen der Wahrnehmung, der Werte, des Glaubens und der Haltung beinhalten und zu einem tiefen Wandel im menschlichen Verhalten führen. Wir brauchen eine neue Kosmologie, die diese Dimensionen von Materie und Bewusstsein integriert und ein größeres Bild entstehen lässt. In der Folge dieses Wandels wird sich das von Habsucht angetriebene Paradigma »Jeder für sich« verändern und zu dem Paradigma »Alle für einen, einer für alle« werden, das seine Kraft aus einem neuen Geist des Altruismus und der Einheit bezieht.

Das Gespräch führte Elizabeth Debold.

Author:
evolve
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