Klöster für eine Zeit der Wende

Our Emotional Participation in the World
English Translation
0:00
0:00
Audio Test:
Article
Published On:

January 30, 2020

Featuring:
Categories of Inquiry:
Tags
No items found.
Issue:
Ausgabe 25 / 2020:
|
January 2020
Ende oder Wende
Explore this Issue

Please become a member to access evolve Magazine articles.

Entwicklungsorte einer neuen Kultur

Im Mittelalter gab es Tausende Klöster in Asien und Europa, in denen Zehntausende Mönche und Nonnen auf der Suche nach einem einfachen, asketischen Leben waren, geprägt von Arbeit und Gemeinschaft und dem direkten Kontakt mit dem Heiligen. Die unterschiedlichen Ansätze des Hinduismus und des Buddhismus sowie des östlichen und westlichen Katholizismus ermöglichten den Menschen, eine Beziehung zum Göttlichen zu pflegen und über Übungen wie Ritual, Gebet, Meditation und Kontemplation die eigene Verantwortlichkeit zu entwickeln. In diesem Sinne könnte man sagen, dass die von den Klöstern ausgehende Bewegung einen starken Beitrag zur Weiterentwicklung des menschlichen Bewusstseins geleistet hat. Mittelalterliche Klöster wurden zu Entwicklungsorten menschlicher Individuation.

Jetzt, im Zeitalter der Hyperindividuation, erleben die Klöster möglicherweise aus einem fast entgegengesetzten Grund eine Renaissance. Orte wie das Kloster NaturSinne in Österreich bieten Menschen einen Ort, der es ihnen erlaubt, Gemeinschaft und Verbundenheit zu erfahren. »Ehre, was anderen heilig ist« – so der oberste Wert des »Ersten konfessionslosen Klosters … ohne Dogma und Guru«. Udo Boessmann, Arzt und Psychotherapeut, und Claudia Fabrizy wollen mit seiner Gründung einen Raum für Stille, Rituale und Naturerleben schaffen. Dadurch sollen menschliche Entfremdung geheilt und die Entwicklung individueller Tiefe gefördert werden, was beide als therapeutischen Wert an sich ansehen, der ohne spezielle Therapien auskommt.

Der Rhythmus des Lebens im Kloster, die Anforderungen der Gemeinschaft und das Eintauchen in meditative Praxis haben therapeutische Wirkung.

Nico Czinczoll, Gründer der Home - coming Academy, teilt den Gedanken der Heilkraft klösterlichen Lebens. Der Rhythmus des Lebens im Kloster, die Anforderungen der Gemeinschaft und das Eintauchen in meditative Praxis haben, so Czinczoll, therapeutische Wirkung an sich. Er sieht in dieser Ausrichtung das Gegenstück zu all dem Druck, der zu Burnout oder zu einem Narzissmus führt, der so vielen Menschen in leitender Funktion zu eigen ist. Die Homecoming Academy, deren Ziel es ist, eben diesen Menschen in der Hightech-Drehscheibe Berlin Unterstützung anzubieten, ist im Moment eine virtuelle Community. Es ist jedoch geplant, einen physischen Raum zu schaffen, in dem Menschen das Leben in Gemeinschaft und die Verantwortung füreinander erfahren können.

Die Monastic Academy for Preserving Life on Earth (MAPLE) hat sich die Aufgabe gestellt, Führungspersönlichkeiten in Spiritualität und Führungskompetenzen weiterzubilden. Der Name ist Programm: Es geht darum, in der genannten Zielgruppe ein klares Bewusstsein und ein tiefes Verantwortungsgefühl in Bezug auf unsere Beziehung zur Natur und zum Thema soziale Gerechtigkeit herzustellen. Damit gibt MAPLE der beschriebenen neuen klösterlichen Bewegung eine etwas andere Richtung, indem eine intensive spirituelle Praxis als Grundlage für einen tieferen Sinn des Lebens gelehrt wird. Der Gründer von MAPLE Soryu Forall war Mönch und Aktivist in Japan, Indien und China. Im Bereich der neuen klösterlichen Bewegung ist MAPLE mit drei Standorten in den USA und dem erklärten Ziel, einen »Wald von Klöstern« schaffen zu wollen, vielleicht besonders etabliert. Es ist denkbar, dass junge Führungspersönlichkeiten zunächst an einem Standort ausgebildet werden, um danach einen weiteren zu gründen. Daniel Thorson, bei MAPLE zuständig für die Aufnahme von Kandidaten, sieht in den Klöstern ein »Gegengewicht zu unserer destruktiven Kultur«.

In dieser Zeit des Übergangs – in den Worten Czinczolls »einer tiefgreifenden Veränderung« – wird das klösterliche Umfeld durch Räume für menschliches Wachstum einer neuen Verwendung zugeführt. Das Kloster wird zu einem Ort, in dem das Heilige und die Verbundenheit das Trennende und die Entfremdung, die die westliche Kultur so stark ausmachen, heilen können. Thorson erklärt, die Praxis der Meditation und die Chance, ein klösterliches Leben zu führen, »erlauben mir, mich den Versuchungen des kapitalistischen Systems zu entziehen, sodass ich für die neue Welt stehe, die wir zu schaffen versuchen«. Diese Klöster mögen vielleicht zu neuen Entwicklungsorten werden, aus denen die Führungspersönlichkeiten und Gemeinschaften hervorgehen, die diese neue Welt gestalten.

Author:
Dr. Elizabeth Debold
Share this article: