Zwischen Burka und Bikini

Our Emotional Participation in the World
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Projekt-Interview
Published On:

August 1, 2014

Featuring:
Nadia Parvez Manzoor
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Issue:
Ausgabe 03 / 2014
|
August 2014
Maschinen meditieren nicht
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Nadia Manzoor bringt ihr Leben zwischen traditionellem Islam und säkularem Westen auf die Bühne



Nadia Manzoor ist in zwei Welten aufgewachsen. Geboren in einer traditionell pakistanisch- muslimischen Familie wuchs sie in Singapur, Dubai und London auf, inmitten der konstanten kulturellen Spannung zwischen den Erwartungen einer altertümlichen religiösen Tradition und den Verheißungen des westlichen säkularen Lebens – zwischen Burka und Bikini, wie sie es manchmal beschreibt. Heute lebt sie in Brooklyn, New York, wo sie ihr Geschichte in einer „Ein-Frau-Comedy Show“ erzählt, die sie „Burq Off!“ nennt. Darin spielt und tanzt sie 21 Charaktere, von denen viele ihre eigene Familie repräsentieren. Ihre Show stieß sowohl beim Publikum als auch bei den Medien (darunter CNN) auf positive Resonanz und wird nun nach Los Angeles, San Francisco, London und möglicherweise nach Indien reisen. evolve sprach mit Nadia über ihr Leben, ihre Show und ihren Mut.


evolve: Wie ist es für dich, mit deiner Geschichte und den Konflikten aus deiner Jugendzeit so uneingeschränkt an die Öffentlichkeit zu gehen?

Nadia Manzoor: In der traditionellen pakistanischen Kultur, aus der ich stamme, ist es extrem wichtig, wie du von anderen gesehen wirst. Aus diesem Grund spielt die Familienehre eine so große Rolle, und die Ehre der Familie hängt besonders von den Frauen ab. Als Folge dessen bist du nie wirklich ehrlich, wenn es um deine eigenen Konflikte geht und darum, wer du wirklich bist. Du versuchst immer, eine Rolle zu spielen. Für eine Frau bedeutet das, du hast nicht das Recht zu provozieren, für dich selbst zu denken und Fragen zu stellen.
Für mich war es wirklich befreiend, auf die Bühne zu gehen und nicht nur Fragen zu stellen, sondern auch Dinge von mir zu enthüllen, die ich in der Gemeinschaft, aus der ich komme, niemals zugegeben hätte. Da war dieses Gefühl von Erleichterung, weil es erschöpfend ist, immer eine Fassade von sich selbst aufrechtzuerhalten, die ohne Widersprüche und Konflikte erscheint.

e: Was hat dich dazu gebracht, deine Lebensgeschichte in einer „Ein-Frau-Comedy Show“ zu thematisieren?

NM: Es war, als würden viele Aspekte meines Lebens mich auf diesen Weg führen. Als ich nach Brooklyn zog, war ich an einem Tiefpunkt in meinem Leben angelangt, es fühlte sich an, als würde ich von den Konflikten, in denen ich gelebt hatte, zerrissen werden. Als eine Art Katharsis begann ich meine Geschichte niederzuschreiben und schloss mich dafür einer Schreibgruppe an. Gleichzeitig lernte ich Hip-Hop und improvisatorischen Tanz und begann Improvisationstheater und Comedy zu spielen. An einem bestimmten Punkt zeigte ich meine Texte einem Theaterregisseur und wir begannen, daran zu arbeiten, woraus sich dann meine Show entwickelte. Und dann gab es diesen Augenblick, als ich einen 20-minütigen Ausschnitt der Show zum ersten Mal vor Publikum spielte und irgendetwas Klick machte, es war wie: „Deswegen bin ich hier!“ Ich war immer eine sehr wankelmütige Person, unstet in meinen Beziehungen, meinen Studien, meiner Arbeit, in Bezug auf meine Familie und mein Leben im Allgemeinen. Aber in diesem Augenblick wusste ich, was meine Bestimmung war. Es war wie eine spirituelle Erfahrung. In den Jahren davor war ich auf einem spirituellen Weg, war mir aber nie sicher, was mein eigener einzigartiger Ausdruck dieser spirituellen Dimension sein würde. Aber in diesem Moment wusste ich es.    

e: Wie half dir deine spirituelle Sichtweise dabei, die Show auf die Beine zu stellen?

Wenn du in Unklarheit lebst, spürst du kein Gefühl der Macht über dein eigenes Leben.


NM: Ja, alles was ich durch meine spirituellen Erfahrungen und Übungen gelernt und verstanden habe war und ist wesentlich für meine Arbeit. Beispielsweise hat ein tiefes Gefühl von Vertrauen und Hingabe mir erlaubt weiterzumachen. Zudem praktiziere ich vor jeder Aufführung eine Art Meditation. Ich erlaube mir einfach, in meinem Körper anzukommen und für meine Erfahrungen gegenwärtig zu sein. Und eines meiner Mantras bevor ich auf die Bühne gehe ist: „Was auch immer heute geschieht, du hast kein Recht, vor deiner Erfahrung davonzulaufen.“ Das habe ich durch die Meditation gelernt.

e: Du sprichst sehr eindrücklich von einer Erfahrung von Sinnhaftigkeit, die für junge Menschen mit all den Möglichkeiten und der Komplexität unserer Welt häufig schwer zu finden ist. Würdest du sagen, dass du durch die Arbeit an deiner Show etwas über das Dilemma junger Menschen gelernt hast?

NM: Nun ja, es war auch mein Dilemma. Viele von uns jungen Menschen, zumindest solche aus einem relativ wohlhabenden Umfeld, haben Millionen Möglichkeiten. Wir können nahezu alles machen, was wir wollen. Daher habe ich viele Sachen gleichzeitig gemacht, aber mich zu nichts wirklich verpflichtet. Ich kam an einen Punkt, an dem ich wusste, dass es Zeit war, „Nein“ zu bestimmten Sachen zu sagen. Und als ich begann, nein zu sagen, sprengte das eine Blockade in mir. Es gab mir eine gewisse Macht der Selbstbestimmung, die entsteht, wenn wir Entscheidungen treffen. Wenn du immer von einem Ort der Unklarheit lebst, wirst du kein Gefühl der Macht über dein eigenes Leben spüren. Mein Vater sagte oft zu mir, dass mein größtes Problem meine Unfähigkeit sei, Entscheidungen zu treffen, weil ich immer Angst hätte, die falsche Entscheidung zu treffen.

e: Du hast gerade deinen Vater erwähnt, der wie auch dein Bruder kam, um deine Show zu sehen. Hat sich deren Sichtweise durch deine Show verändert?

NM: Bei meinem Vater war es wie ein Wunder, er war bei jeder einzelnen Aufführung und er unterstützt mich absolut, auch in praktischen Dingen wie Marketing. Er hat sich so sehr verändert und ist ein wirklicher Freund geworden. Und als mein Bruder zur Show kam, war das vielleicht der bewegendste Augenblick, denn wir haben wirklich unterschiedliche Wege eingeschlagen, als er sich für ein traditionell muslimisches Leben entschieden hat und einige Zeit auch ziemlich fundamentalistisch war. Aber als er hinter die Bühne kam, haben wir uns einfach umarmt und geweint. Es war, als wäre unsere tiefere menschliche Verbindung stärker, als die Barrieren der Vergangenheit oder unsere unterschiedliche Sicht auf die Welt.

Author:
Mike Kauschke
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