Was tun im Mittleren Osten?

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Kolumne
Published On:

October 29, 2014

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Ausgabe 04 / 2014:
|
October 2014
Führung neu denken
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Der Aufstieg des Islamischen Staates im Mittleren Osten ist bei Weitem das gefährlichste Phänomen, das aus dem Chaos entstanden ist, das diese Region nun seit Jahren heimsucht. Die erschreckend rücksichtslose Macht, mit der IS agiert, deutet auf zwei Faktoren hin, die im Westen immer wieder übersehen werden. Erstens, in der Region selbst bedeutet der Aufstieg der IS ein Wiedererstarken der sunnitischen Macht im Irak und Syrien, um die schiitische Macht zurückzudrängen. Es handelt sich um einen Stammeskrieg, der aus den historischen Konflikten gespeist wird, den diese beiden islamischen Sekten miteinander ausgetragen haben. Zweitens muss der Westen verstehen lernen, wie man die sozialen und politischen Werte durch eine Perspektive betrachten kann, die ich als „indigene Intelligenz“ bezeichne.
Solange in der Region eine sektiererische Motivation vorherrscht, wird sie nicht die nächste folgerichtige Stufe kultureller Entwicklung erreichen, in der es um die Bildung von Nationen geht. Um diese politischen Konflikte in eine größere Perspektive zu fassen, betrachte ich sie mit Bezug auf Ideen, die ich in meiner Arbeit in der Region in Zusammenhang mit einem Bezugssystem namens Spiral Dynamics erarbeitet habe, dass sich auf die Entwicklung von Wertesystemen stützt. Teil dieses Modells ist das Konzept einer „funktionalen Demokratie“, in der Regierungsformen unterstützt werden, die zur betreffenden Kultur passen. Dieser Ansatz führt zu dem entscheidend wichtigen Verständnis, dass unterschiedliche Kulturen verschiedene Regierungssysteme brauchen. So können wir Bereiche erkennen, in denen die Entwicklung einer Kultur gehemmt wird. Dann arbeiten wir mit lokalen Beobachtern, die die politische und kulturelle Geschichte kennen und Insider-Informationen über die Ursachen haben, die den Fortschritt behindern.
Unsere Erfahrungen und Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass sich der Mittlere Osten durch eine der schwierigsten Phasen der menschlichen Entwicklung bewegt. Es ist der Übergang von einem System, in dem die Macht bei einem individuellen Klanführer liegt, auf eine Ebene, wo die Macht in den Händen einer Institution liegt. Während der Einfluss von Al-Qaida abgenommen hat, konnten sich mit dem IS destruktive Werte auf hohem organisatorischem Niveau etablieren. Unterdessen fällt Syrien weiter auseinander und Flüchtlinge strömen in die Nachbarländer.

Der Mittlere Osten bewegt sich gerade durch den gleichen Übergang, den der Westen während des Mittelalters erlebt hat.


So traurig und erschütternd diese Realität ist, der Mittlere Osten bewegt sich gerade durch den gleichen Übergang, den der Westen während des Mittelalters erlebt hat, bis das kollektive Bewusstsein eine Ebene erreicht hatte, wo die Menschen der Macht der Institutionen vertrauten.  In diesem Jahrhundert wird der Mittlere Osten durch diesen Übergang in die Ebene der kulturellen Entwicklung gekennzeichnet sein, auf der Nationalstaaten entstehen können. Zusätzlich zum gegenwärtigen Blutvergießen wird dieser Übergang noch durch weitere Faktoren erschwert: Erstens, die tief verwurzelte Treue zu Stammesführern, die viele Generationen lang nepotistisch regiert haben und auch brutale Gewalt anwenden, um moderate Stimmen zum Schweigen zu bringen. Zweitens, die Ölreserven, eine Quelle von Reichtum, der den Führern in der Region die Gelegenheit gab, den Fehler der Moderne nachzuahmen, nach dem Wohlstand in den Händen weniger das Ziel sei. Dies hemmte den kulturellen Fortschritt aus einem kulturellen Gefühl von Anspruchshaltung und Selbstzufriedenheit. Drittens, das Versagen des arabischen Nationalismus als ein Konzept, das nicht aus der Region selbst stammt, sondern von arabischen Philosophen, die im Westen studiert hatten. Sie aber gaben ihre Ideologie an Militärführer weiter, die schnell zu Diktatoren wurden.
Obwohl die vor uns liegenden Aufgaben sehr herausfordernd sein werden, spielt der Westen eine wichtige Rolle. Eine passive Politik gegenüber dieser Region wird Russland, China und Iran die Macht geben, die Region zu destabilisieren und die Entstehung höherer Werte zu hemmen. Aber das westliche Engagement muss sich entwickeln und andere Ausdrucksformen von Macht zeigen. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel, weg von militärischen Interventionen und hin zur Bildung der Menschen in der Region. Das ist die Herausforderung, die die globale Politik in den nächsten Jahrzehnten prägen wird. Dazu müssen wir ein tieferes Verständnis für die Werte, die eine Kultur motivieren, entwickeln, um die Regierungsformen zu unterstützen, die ein Land auf einen nachhaltigen Weg in die Zukunft bringen.

Author:
Elza Maalouf
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