By clicking “Accept All Cookies”, you agree to the storing of cookies on your device to enhance site navigation, analyze site usage, and assist in our marketing efforts. View our Privacy Policy for more information.
Yene Assegid engagiert sich in Afrika für eine Entwicklungshilfe, die die Menschen dabei unterstützt, ihr Leben selbstverantwortlich zu gestalten. Wir sprachen mit der Weltbürgerin über das Zusammenspiel von innerer Entwicklung und Veränderung der Lebensumstände in Afrika.
evolve: Seit langer Zeit arbeiten Sie als Beraterin in Projekten, die Menschen mit HIV unterstützen und nutzen dabei Elemente des integralen Ansatzes. Können Sie uns mehr über Ihre Arbeit sagen?
Yene Assegid: Ja, ich war in verschiedenen Projekten engagiert, die Menschen mit HIV halfen und dabei auch mit gemeinnützigen Organisationen und den UN zusammengearbeitet. Aber ich war mit deren Ansatz nicht völlig einverstanden. Als ich die integrale Theorie kennenlernte wurde mir klar, dass wir wirklich eine andere Art der Entwicklungshilfe brauchen. Wir müssen einen Weg finden, der die Eigenständigkeit der Menschen respektiert und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit gibt, selbst Verantwortung zu übernehmen. Das Innere beeinflusst das Äußere: Wenn die Menschen gestärkt werden und sich innerlich verändern, ändert sich auch ihr Handeln. Deswegen gründete ich „everyONE“, um den Menschen Ressourcen an die Hand zu geben, mit denen sie ihr Leben umfassender verstehen und lernen, wie sie autonom und unabhängig sein können. Die Grundaussage ist: „Wenn du eigenständig und verantwortlich bist und die Kontrolle über dein Leben hast, dann tust du das, was für deine Gesundheit, dein Leben und den Umgang mit HIV nötig ist.“ Anstatt zu fordern, „Bitte, bleiben Sie bei einem Partner“ oder „Bitte benutzen Sie Kondome“ oder „Kein Sex“, sagen wir: „Das geht uns nichts an, das ist Ihre Entscheidung, aber hier gibt es etwas, das Sie tun können, um Ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Hier gibt es eine Arbeit, mit der Sie Geld verdienen können und von der Sie sich eine Gesundheitsfürsorge leisten können.“ So unterstützen wir mittellose Menschen, damit sie nicht länger handlungsunfähig in einer Situation verharren müssen, sondern Verantwortung für ihr Leben übernehmen können.
„Das Innere beeinflusst das Äußere: Wenn die Menschen sich innerlich verändern, ändert sich auch ihr Handeln.“
„EveryONE“ besteht nun seit 14 Jahren und bald fliege ich nach Addis Abeba, um einen nächsten Schritt zu gehen. Wir wollen uns von einer gemeinnützigen Organisation zu einem sozialen Unternehmen entwickeln. Das heißt, wir ändern unsere rechtliche Struktur und machen uns damit unabhängig von Spenden. Wir wollen unsere Unternehmensform so organisieren, dass wir Einkünfte erzielen können, wenn wir Menschen oder Organisationen bei ihrer Entwicklung helfen. Unser Fokus wird nicht mehr nur auf grundlegender Unterstützung für das Überleben liegen, sondern auch darauf, neue Infrastrukturen zu schaffen oder neue Wege des Denkens zu vermitteln. Wir möchten dabei einfache Aspekte des integralen Ansatzes thematisieren, zum Beispiel wie es sich auf die Arbeit und das Leben insgesamt auswirkt, wenn Menschen ihr eigenes Erleben bewusster erfahren und verändern. Auch können die vier Quadranten der integralen Theorie – innen und außen, individuell und kollektiv – eine hilfreiche Landkarte sein, mit der Menschen ihre Welt besser verstehen. Ich hoffe, dass dies eine Fortsetzung eines Projektes wird, das ich schon vor zehn Jahren entworfen habe, als ich an der „University for Integral Studies“ in Kalifornien studiert habe. Es war ein Förderprogramm für Führungskräfte mit dem Titel „Integral Africa“.
e: Was war Ihre Vision für „Integral Africa?“
YA: Es gibt viele engagierte Menschen in Afrika, die sich um die Entwicklung ihrer Gemeinden und ihrer Gesellschaft kümmern, aber sie sind nicht immer mit den geeigneten Mitteln ausgerüstet, die sie brauchen, um ihre Visionen umzusetzen. Ich wollte ein Online-Forum entwickeln, damit sie sich verbinden und kennenlernen können, um ein Netz von Unterstützung und Gemeinschaft jenseits von Landesgrenzen zu finden. Aber damals wir konnten wir nicht genug Geld zusammenbekommen. Im Nachhinein betrachtet, begannen wir mit der naiven Einstellung, dass so eine Projekt funktionieren wird, nur weil es wohlwollende Menschen gibt, die sich daran beteiligen wollen. Aber mir wurde klar, dass es nicht ausreicht, sich einfach nur in dieser Absicht zu verbinden, ohne effektive Wege der Umsetzung zu finden. Wenn wir etwas Gutes tun wollen, muss es nicht einem Mangel oder dem Mitleid für andere entspringen. Es liegt es an uns, es in die Welt zu bringen und wir müssen auch das Geld generieren, das wir dafür brauchen.
e: Sie haben in vielen Gegenden der Welt gelebt, in Afrika, den Vereinigten Staaten, Europa und China. Aus einer globalen Perspektive betrachtet, was sehen Sie als die dringlichste Sache an, die in Afrika geschehen muss?
YA: Auf der kommunalen Ebene brauchen die Menschen in Afrika eine Gelegenheit, sich selbst etwas aufzubauen. Sie brauchen die entsprechende Infrastruktur, das fängt bei einer stabilen Stromversorgung, Internetanbindung und Mobiltelefonen an, um sich effektiv miteinander verbinden zu können. Wir müssen den Menschen mehr vertrauen und sie dabei unterstützen, ihr Leben selbst zu gestalten. Sie brauchen Unterstützung im Bereich von Sozialkompetenz, Lesematerialien, Zugang zu hochqualitativer Bildung – nicht nur irgendein theoretisches Wissen, sondern auch praktisches Verständnis, das die Menschen in ihrem Leben anwenden können. Ich habe ein tiefes Vertrauen in Afrika, wegen seiner Menschen. Die Menschen in Afrika sind so resilient und kreativ und allgemein gesprochen sehr freundlich. Trotz der harten Umstände, in denen viele von ihnen leben, gibt es vielerorts eine freundliche Wärme. Sie besitzen eine gut entwickelte soziale Kompetenz und Beziehungsfähigkeit. Und mit unserem kleinen Unternehmen möchten wir einer großen Zahl von Menschen eine hilfreiche praktische Ausbildung zugänglich machen, damit sie eine Chance bekommen, diese grundlegenden menschliche Fähigkeiten zu entfalten und zum Ausdruck zu bringen.
Author:
Mike Kauschke
Share this article:
Related Articles:
Gemeinsam wachsen und experimentieren
In der Lebensweise Community wird online, in Regionalgruppen und Community-Treffen ein neues Miteinander gelebt und erprobt. Wir sprachen mit der Impulsgeberin Vivian Dittmar und der Community-Hüterin Lina Duppel über die Chancen und Risiken von Gemeinschaft.
Dialogische Erfahrungen ermöglichen uns eine tiefere zwischenmenschliche Begegnung. Es gibt viele Praktiken, die diesen Raum authentischer, ehrlicher und heilsamer Beziehungen eröffnen. In den tiefsten und oft auch als sakrale Momente erlebten Erfahrungen zeigt sich in diesem Zwischenraum für Menschen eine Anwesenheit, die über uns als Einzelne hinausgeht und darauf hindeutet, dass sich ein neuer Lebensraum öffnet.
Pamela von Sabljar ist Gruppenmoderatorin und berät Organisationen und Führende bei Veränderungsprozessen. Dabei arbeitet sie auch mit dem Feld, das zwischen den Beteiligten entsteht. Wir erforschten mit ihr, wie sich aus der Wahrnehmung dieses Zwischenraums gemeinsame Prozesse anders gestalten lassen.