Es gibt keinen geraden Weg in die Zukunft

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Kolumne
Publiziert am:

October 23, 2023

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Ausgabe 40 / 2023
|
October 2023
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Probleme sind die Symptome einer dysfunktionalen Gesellschaft. Unterschiedliche Kulturen führen zu unterschiedlichen Problemen. Jedes Problem trägt die Eigenschaften der jeweiligen Kultur in sich. Wenn man den Versuch unternimmt, eine Utopie mit dem primären Ziel zu entwerfen, diese Probleme zu lösen, wird man sehr wahrscheinlich Bedingungen verstärken, die zu diesen Problemen geführt haben. Hier ist Einsteins ­bekannter Ausspruch relevant, der besagt, dass man Probleme nicht mit der gleichen Denkweise lösen kann, durch die sie entstanden sind.

Kulturen können ihre Eigenschaften nicht auf Kommando ablegen. So kann zum Beispiel die Ungleichheit, die in einer tief gespaltenen Gesellschaft entsteht, nicht durch das Recht auf Gleichheit behoben werden, solange die Spaltung nicht beseitigt ist. Es entstehen neue Probleme, die oft ähnlicher Natur sind. Das ist der Unterschied zwischen Konfliktlösung und Konflikttransformation: Die erste bietet Alternativen, indem sie die Sprache nutzt und die Bedingungen der zu behandelnden Konflikte benennt. Bei der zweiten wird eine andere Realität angestrebt, in der diese Probleme nicht auftreten.

Dennoch ist es schwierig, einen wirklich alternativen Denkstil zu aktivieren. Einige engagieren sich für das »Verlernen«, indem sie die Unzulänglichkeit einer Kritik anprangern, die sich ihrer selbst gewiss ist. ­Andere – oft Frauen oder Vertreter anderer Kulturen – würzen den herrschenden Diskurs mit ungewohnten Seinsweisen, indem sie für den öffentlichen Raum ganz neue Realitäten vorschlagen.

Als wir in Großbritannien »The ­Alternative UK« ins Leben riefen, wollten wir uns von dem dysfunktionalen System abwenden. Aber im Laufe der sechs Jahre, in denen das Netzwerk zusammenkam, wurden wir zu »The Alternative Global«, weil wir durch verschiedene Formen von Informationen und Akteuren aus der ganzen Welt viel besser mit den akuten Problemen umgehen konnten.

Dies zeigt sich in lokalen Gemeinschaften durch das Phänomen des Kosmolokalismus. Mehr als neue »Ideen« wird uns die Annahme multipler Ontologien helfen, schneller zu »verlernen«. Dies wird uns für neue Partnerschaften öffnen und transformative Antworten auf die vielfältigen Krisen, in denen wir uns befinden, hervorbringen.

»Kulturen können ihre Eigenschaften nicht auf Kommando ablegen.«

So ist der Hunger in Großbritannien ein Symptom für eine entfremdete und ungleiche Gesellschaft. In der indischen Sikh-Gemeinschaft steht der Dienst am Nächsten im Mittelpunkt des Glaubens und des Verhaltens, so dass die Menschen – ob reich oder arm – leichter miteinander verbunden bleiben, und der Hunger viel weniger verbreitet ist.

Die multikulturelle Vergangenheit Großbritanniens hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass ein solches »alternatives« Denken in verschiedenen Teilen des Landes auf natürliche Weise entstehen kann. Aber es ist nicht leicht, es durchzusetzen und zu entwickeln. Immy Kaur spricht beispielsweise vor dem Hintergrund ihrer Sikh-Erziehung über ihre Vision des Civic Square. Dabei wird die Nachbarschaft als die wichtigste Einheit für eine radikale gesellschaftliche Transformation verstanden. Dieser Ansatz ist radikal egalitär, aber schwer aufrecht zu erhalten. Vielleicht liegt es daran, dass Kaur versucht, die Idee in einem Kontext außerhalb der Sikh-Gemeinschaft umzusetzen: Sie will von Einrichtungen finanziert werden, die von den Werten des alten Systems geprägt sind.

Vielleicht geht es nicht so sehr um Vielfalt und Inklusion, um die Assimilation und Integration verschiedener Kulturen. Stattdessen ist ein durchdachter und aktiver Kosmolokalismus erforderlich, ein Prozess, der unsere gewohnten Zustände unterbricht und unsere Kreativität freisetzt.

Möglicherweise braucht es unvorhergesehene Eingriffe in unseren vertrauten Diskurs aus verschiedenen Teilen der Welt – solche, die uns beunruhigen, aber auch unsere Neugierde wecken. Vielleicht aktivieren und beschleunigen wir auf diese Weise die Sehnsucht, mehr zu sein, als wir bisher sind.

Author:
Indra Adnan
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