Sichtbar gemachte Energie
Diese Ausgabe von evolve konnten wir mit Arbeiten von Eva Dahn-Rubin gestalten. Wir sprachen mit ihr über die Beweggründe ihrer Kunst.
July 19, 2018
Die Gestaltung unserer Lebensräume ist letztendlich eine Frage des Bewusstseins. Deshalb ist der Einbezug vieler engagierter Menschen bei der Entwicklung unserer Städte ein wichtiger Schritt zu nachhaltigen Lebenswelten.
Städte als einigermaßen überschaubare Lebenswelten existieren nicht mehr. In vielen Ländern der Erde hat das Bild einer klar vom Umland abgrenzbaren Stadt nie wirklich gepasst. Es gibt riesige »Peripherien«, die weder ländlich noch städtisch sind, Landwirtschaft in der Stadt und urbanisierte Lebensformen auf dem Land. Die Konzentration von Menschen und Wirtschaftskraft in großen Räumen wird zunehmen. Eine verstädterte Region mit mehr als 80 Mio. Einwohnern, mit mehreren Zentren, Zwischenräumen, Brachflächen, wie z. B. im Perlflussdelta in Südchina, passt nicht in das Schema von Stadt, das die meisten von uns im Kopf haben. Ungleichheiten und damit soziale und räumliche Fragmentierung (und die damit verbundenen Spannungen) werden ebenso wie Umweltschäden und -risiken zunehmen. Hinzu kommt die Globalisierung der Ursachen der Verstädterung, d. h. Probleme lassen sich nicht nur lokal lösen.
Eine wesentliche zivilisatorische Leistung, welche die Städte quer durch die Geschichte immer erbringen konnten, nämlich die Integration ungleicher Stadtbewohner, ist heute in Gefahr. Es geht nicht darum, wie wir leben »wollen«, sondern wie wir auf komplexe Prozesse der Stadtentwicklung Einfluss nehmen können. Es geht nicht nur um die Städte oder ländlichen Gebiete, sondern um neue Paradigmen des Verhältnisses Mensch und Raum.
Die gegenwärtige öffentliche und fachliche Wahrnehmung ist einseitig auf technische Lösungen fixiert. Der Blick ist eingeengt aus der Sicht der technischen Mittel, die man glaubt, in der Hand zu haben.
Natürlich geht es um Elektromobilität, aber auch um die Notwendigkeit und Form von Mobilität in einer veränderten Gesellschaft; natürlich geht es um den Bau neuer Wohnungen, aber eigentlich um den finanziell leistbaren Zugang zu lebenswichtigen Gütern an sich: Wasser, Boden, Wohnraum; natürlich geht es um die Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelten, aber auch um die Bewusstsein prägenden Folgen von Globalisierung und Virtualisierung der Konsumwelt; natürlich geht es um Mittel zur Bewältigung des Klimawandels (Stichwort Resilienz), aber auch um ein neues Verhältnis zwischen Mensch und Natur (Klima, Ressourcen, Kreisläufe).
Das alles führt zu der Frage »Wie können wir den rasenden Zug der Veränderungen, in dem wir alle sitzen, steuern, wenn wir ihn schon nicht anhalten können?«. Bessere städtische Lebenswelten, d. h. solche im Einklang mit der Natur, basierend auf lokalen Wirtschaftkreisläufen, funktionierenden Nachbarschaften und globaler Vernetzung, lassen sich nicht durch technische Lösungen herbeizaubern. Eine lebenswerte Zukunft ist nicht oder nur nachrangig eine Frage der Technologie.
Bessere städtische Lebenswelten lassen sich nicht durch technische Lösungen herbeizaubern.
Erfahrungen in vielen Teilen der Welt deuten darauf hin, dass eine Beeinflussung der Richtung von Stadtwicklung nur durch eine weitgehende Einbeziehung der Menschen, d. h. der Zivilbevölkerung in Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse möglich ist. Dabei geht es um Zusammenarbeit (Ko-Produktion) auf Augenhöhe. Schon jetzt gibt es transnationale Zusammenschlüsse von de-privilegierten Bewohnern, die durch eine gute Organisation und die Zahl ihrer Mitglieder sowie ihre internationale Vernetzung einen neuen Raum für die Auseinandersetzung mit Regierungen, Stadtverwaltungen und Investoren erobert haben. In der Nutzung dieser Räume sehe ich die Chance für die Zukunft, denn ohne Menschen entsteht nicht der Bewusstseinssprung, der notwendig ist, um gute Wohn- und Arbeitswelten zu schaffen.