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Vor Kurzem beteiligten sich etwa 10.000 Frauen – Israelis, Palästinenserinnen, Jüdisch-Orthodoxe, Muslime, Atheistinnen, Linke, Rechte – an einem 14-tägigen Friedensmarsch durch die Wüste in der Westbank in Israel. Dieser Marsch war bisheriger Höhepunkt der Arbeit von Woman Wage Peace, einer Organisation, die – mit der Kraft der Liebe – das scheinbar Unmögliche erreichen will: Frieden zwischen Israel und Palästina. Wir sprachen mit Yael Treidel, einer der Aktivistinnen, über diese Initiative.
evolve: Women Wage Peace ist mit 29.000 registrierten Mitgliedern und rund 45.000 Followern auf Facebook eine wichtige Stimme für den Frieden in Israel. Eure Arbeit berührt und beeindruckt mich sehr. Wie ist diese Initiative entstanden?
Yael Treidel: Nach dem Krieg in Gaza 2014 gab es eine Gruppe von Frauen in Israel, die der Überzeugung waren, dass es so nicht weitergehen könne. Sie hatten den Eindruck, dass Krieg bereits zur Gewohnheit geworden war. Alles schien sich zyklisch zu wiederholen, auf beiden Seiten wurden jedes Mal Menschen getötet. Einige der Frauen waren Mütter von Soldaten. Sie saßen während des Krieges tagelang in Panik zu Hause und befürchteten, dass jemand an ihre Tür klopfen und sagen würde: »Ihr Kind ist gefallen.« Der Alltag war geprägt von Schmerz, Verzweiflung und Frustration. Daher sagten sich diese Frauen: »Wir müssen das Leiden beenden, sonst tut es niemand.« Auch ich war damals verzweifelt und frustriert. Ich traf Women Wage Peace bei ihrer ersten Aktion und damit veränderte sich mein Leben.
e: Ihr seid eine Gruppe von israelischen Frauen und auch Männern. In eurer Friedensarbeit ist es euch wichtig, möglichst vielen unterschiedlichen Standpunkten Raum zu geben. Wie schafft ihr es, auf dieser Grundlage ein gemeinsames Ziel zu verfolgen?
YT: Für uns bedeutet das sehr viel Arbeit und fordert uns immer wieder heraus, die Grenzen unserer eigenen Vorstellungen auszudehnen. Wir müssen uns auf Sichtweisen und Ideen einlassen, mit denen wir nicht übereinstimmen. Zum Beispiel fühlen sich Frauen in der Bewegung wegen der Besetzung der palästinensischen Gebiete schuldig. Sie sprechen von Besatzung und möchten darüber diskutieren. Für andere Frauen gibt es keine Besatzung, sie fühlen sich von der ersten Gruppe beschuldigt und halten diese für pro-palästinensisch und illoyal gegenüber unserem Land. Eine Möglichkeit, darauf zu reagieren, wäre nun: »Wir haben Recht, ihr seid im Unrecht.« Das würde einen Konflikt zwischen uns aufheizen, deshalb versuchen wir, eine Sprache zu entwickeln, mit der alle mitgehen können: Das heißt, wir sprechen nicht von Besatzung, sondern vom gewalttätigen Konflikt zwischen Israel und Palästina. Wir denken darüber nach, wie er respektvoll für beide Nationen gelöst werden kann. So nehmen wir die ausschließenden Positionen aus unserem Gespräch, seien sie links, rechts, religiös oder was auch immer.
Unserer Bewegung gehören Araberinnen und Siedlerinnen, Linke und Rechte, Orthodoxe und Areligiöse an. Mit der Sprache einen Raum zu schaffen, der für alle akzeptabel ist, ist ein wirklich unerbittlicher Prozess. Kaum sind wir an einem Punkt übereingekommen, kommt schon der nächste Zündstoff aus einer anderen Ecke. Es geht um eine Frage des Überlebens, um Selbstidentität und nationale Identität. Klar, dass das sehr emotional ist.
e: Mir scheint, dass ihr euch bereits darin übt, Frieden in eurer Bewegung zu finden.
YT: Ja, die Übersetzung unseres Namens aus dem Hebräischen ist: Frauen schaffen Frieden. Für uns gilt: Was wir von unseren Politikern verlangen, müssen wir selbst leben.
e: Euer ambitioniertes Ziel ist, dass es 2018 Frieden in Israel geben soll.
YT: Ja, drei Jahre haben wir nun gute Arbeit gemacht. Jetzt ist es Zeit, Druck auf die Regierung auszuüben. Das ist 2018 unsere Aufgabe.
e: Druck ausüben klingt für mich nach Rebellion oder Revolution. Ich erlebe euch als eine offenherzige Organisation. Sprichst du von einer anderen Art von Druck?
Was wir von unseren Politikern verlangen, müssen wir selbst leben.
YT: Wir nennen es eine Revolution der Liebe. Wir sind nicht gegen die Politiker, wir unterstützen sie. Wir legen uns nicht fest, wie die Lösung aussehen soll. Wir sagen: »Setzt euch hin und redet und kommt zu einer Übereinkunft, welche es auch sein mag. Aber ihr müsst Frauen in den Prozess einbeziehen.« Neulich waren wir mit einer Gruppe von Aktivistinnen im Parlament, die Reaktion war größtenteils positiv. Wir gehen auch in die Lokalparlamente. Weil wir Likud-nahe Mitglieder haben, kooperieren Politiker aus der Likud-Partei mit uns: Der Bürgermeister von Dimona war zu einem unserer Events eingeladen. Er kam und sagte, dass die Parteien Likud, Labor und Meimad zusammen Frieden schaffen können. So etwas hat bisher niemand gesagt. Frieden ist keine Angelegenheit einer Partei, er kann nur durch Zusammenarbeit entstehen. Unsere Art der Sprache erreicht die Politiker. 2019 haben wir Wahlen – sie müssen auf die Stimmen der Frauen hören.
e: Mir scheint, dass diese Revolution der Liebe euch bereits verändert. Wie habt ihr euch verändert, wie hast du dich verändert?
YT: Die Bewegung verändert sich dauernd. Wir werden immer diverser, weitere Gemeinschaften kommen hinzu. Wir werden stärker und wir werden wahrgenommen. Uns kennt inzwischen fast jeder in Israel und die Medien berichten über uns. Von mir selbst dachte ich, ich sei eine gute Zuhörerin – ich musste erkennen, dass ich das nicht bin. Zunächst musste ich den Gedanken aufgeben, dass ich es besser weiß, dass ich die Wahrheit kenne und dass meine Werte besser sind als die der anderen. Ich lernte zuzuhören, kreativ zu sein und nicht im Glauben steckenzubleiben. Ich habe erkannt, es gibt nichts, was man nicht durch Dialog lösen kann. Wir hatten immer wieder sehr aufgeheizte Situationen voller Uneinigkeit. Für mich hat es sich so angefühlt, als würde die Bewegung jetzt auseinanderfallen – aber es ist beim ersten Mal nicht passiert, beim zweiten Mal nicht und auch beim dritten Mal nicht. So entwickelt man ein Vertrauen, dass sich alles lösen lässt. Die Bewegung ist die ganze Zeit wie ein Spiegel. Eine Freundin von mir sagt: »Ich tue es für meine Freunde, für meine Kinder und Enkel, aber es ist auch eine Reise der Selbstentwicklung.« Wir wollen Erfolg haben, und so fragen wir uns immer wieder: »Wie kann es gehen?« Und dafür müssen wir uns entwickeln.
e: Das klingt sehr lebendig. Wie eine Aufgabe, die viel in euch bewegt und euch stärkt und Zuversicht gibt.
YT: Ja, für uns alle ist es unbezahlte Arbeit, wir müssen motiviert bleiben. Wir arbeiten zum Beispiel mit erstaunlichen palästinensischen Frauen zusammen, die uns Hoffnung geben, und wir geben ihnen Hoffnung. Palästinensische Frauen und Politiker unterstützen die Bewegung. Neulich haben wir uns bei einer Aktion in der Wüste getroffen. Die Wüste liegt in einem Verwaltungsbezirk Israels, wo sowohl Israelis als auch Palästinenser ohne staatliche Erlaubnis hinkommen können. Es ist der einzige Bezirk, in dem Massenveranstaltungen stattfinden können. Und in meiner persönlichen Sicht ist die Wüste ein mystischer Ort, wo es leicht ist, sich mit etwas Höherem oder Gott zu verbinden.
Women Wage Peace versucht etwas zu erreichen, was niemand bisher erreicht hat. Am Anfang war die Reaktion von vielen: »Oh, der palästinensisch-israelische Konflikt, lass mich damit in Ruhe.« Inzwischen wollen die Menschen mit uns reden. Eine unserer größten Inspirationen sind die Frauen aus Liberia, die dort am Frieden mitgewirkt haben. Die Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gwobee besuchte uns. Uns inspirieren die am Friedensprozess beteiligten Frauen aus Irland. Auch in Kolumbien gab es ein Friedensabkommen, an dem Frauen beteiligt waren. Eine Genfer Professorin, die zu Friedensprozessen forscht, sagt: »Wenn Frauen zusammenkommen, sind sie meistens erfolgreich.« Wir haben also eine gute Chance.
Das Gespräch führte Elke Janssen.
Author:
Elke Janssen
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