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Artikel
Publiziert am:

April 17, 2019

Mit:
Dr. Hildegard Kurt
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AUSGABE:
Ausgabe 22 / 2019:
|
April 2019
Soziale Achtsamkeit
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Eine Initiative für ein neues Naturbewusstsein

Die Fakten sind hinreichend bekannt, der Klimawandel ist längst wahrnehmbar. Und doch tun wir als Menschheit uns unsagbar schwer, in Anbetracht dieser Signale angemessenere und umweltgerechtere Verhaltensweisen zu entwickeln. Mit der Ende 2017 gestarteten ERDFEST-Initiative versuchen die Nachhaltigkeitsforscherin Hildegard Kurt und der Philosoph und Biologe Andreas Weber, den Nachhaltigkeitsdiskurs auf ganz eigene Weise im wahrsten Sinne des Wortes zu beleben. Mit bundesweit und darüber hinaus begangenen Erdfesten möchten sie »dem Lebendigen Lebendigkeit zurückschenken« und Menschen wieder dafür öffnen, dass die Natur, die uns umgibt, in gewisser Weise auch unsere eigene Natur ist.

Ihr Vorstoß versteht sich auch als frischer Impuls im stark von der Wissenschaft geprägten und teils recht festgefahrenen Naturschutz- Diskurs. Studien des Bundesamts für Naturschutz zum Naturbewusstsein zeigen: 90 Prozent der Bevölkerung lieben es, in der Natur zu sein. Doch wenn es um initiatives Handeln im Sinne eines echten Miteinanders mit dieser Umwelt geht, können sich nur rund 30 Prozent aufraffen, auch etwas zu tun. Die Zahlen, Daten und Fakten, die uns tagtäglich in den Medien entgegenkommen, sind womöglich zu abstrakt, um uns so zu berühren, dass wir uns auch zu nachhaltigem Engagement inspiriert fühlen. »Die ERDFFEST-Initiative schafft Raum für ein emotionales und ästhetisches In-Beziehung-Treten. Gemeinschaftliches Wirken und inspirierende Erfahrungen können die organische Lebendigkeit unserer Naturbeziehungen wieder spürbar machen«, so die beiden Initiatoren.

Erdfeste versetzen Menschen in die Rolle von Teilhabenden in einem Netzwerk von Beziehungen.

Hildegard Kurt ist Kulturwissenschaftlerin, Autorin und praktisch auf dem Feld des Erweiterten Kunstbegriffs (Beuys) tätig, zuletzt besonders mit Lebendigkeitswerkstätten. Andreas Weber ist mit seinen Büchern über Biopoetik und die erotische Ökologie der Lebendigkeit bis in den Mainstream vorgedrungen und gegenwärtig Deutschlands wohl populärster Naturphilosoph. Mit ihrer ERDFEST-Initiative, gefördert vom Bundesamt für Naturschutz, möchten sie das Zelebrieren des Lebendigen und das Glück der eigenen Erfahrung, in einer mit anderen Wesen geteilten Welt selbst lebendig zu sein, als neue Ressource für nachhaltige Entwicklung erschließen. Bei der Erdfest-Premiere im Juni 2018 beteiligten sich aus dem Stand rund 80 Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen aus Permakultur und Landwirtschaft, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Naturpädagogik, auch Schulen und soziale Einrichtungen waren dabei. Die Idee scheint einen Nerv zu treffen. Doch wie erwächst aus dem bunten Treiben der Erdfeste auch ein neues Naturbewusstsein? »Wir behandeln Natur allzu leicht wie eine Sache. Die Erdfeste versetzen Menschen in die Rolle von Teilhabenden – in einem Netzwerk von Beziehungen, das von Geschenken und Gaben lebt. Gemeinsam mit der Lebendigkeit in der Natur und in mir selbst inne zu werden, kann etwas Tieferes in uns berühren und öffnen. Dann bin ich nicht mehr nur ein Spaziergänger, der die Eindrücke einer schönen Landschaft konsumiert, ich werde anwesend für die größeren und verbindenden Prozesse der Natur. Und das geht nicht spurlos an mir vorüber«, sagt Andreas Weber.

Diese Wechselseitigkeit ist auch das organisatorische Prinzip der Erdfeste. Die dynamisch wachsende Initiative wird bereits von rund 20 Organisationen und Institutionen unterstützt, die über ihre Netzwerke den Samen weitertragen, darunter die Deutsche Gesellschaft des Club of Rome, das World Future Council und die Schweisfurth Stiftung. »Unser Anliegen ist es, auf diese Weise ein neues kulturelles Muster zu etablieren und eine kulturelle Allmende zu schaffen. Aus dem Zusammenwirken vielfältigster Akteure, verbunden in geteilten Werten, erwächst kulturschöpferische Ko-Kreativität und ein übergreifender Beziehungsraum gelebten Naturbewusstseins entsteht. Vielleicht wird das Erdfest eine neue kulturelle Allmende – ein Gemeingut für nachhaltige Entwicklung und für den Schutz biologischer Vielfalt«, so Hildegard Kurt. Dieses Anliegen wurde auch im Rahmen der UN-Dekade Biologische Vielfalt gewürdigt, wo die ERDFEST-Initiative jüngst im Sonderwettbewerb »Soziale Natur – Natur für alle« ausgezeichnet worden ist. Die Erdfeste 2019 finden vom 21. bis 23. Juni statt.

Author:
Dr. Nadja Rosmann
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