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Sinal do Vale ist ein Regeneration-Center in der Nähe von Rio de Janeiro, in dem erforscht wird, wie ein nachhaltiges gemeinschaftliches Leben und Lernen möglich ist, das aus den Qualitäten und der Fülle eines Ortes schöpft. Die Gründerin Thais Corral ist überzeugt, dass solche regenerativen Orte wichtig für eine Lebenskultur der Zukunft sind.
evolve: Sie haben sich viele Jahre als Aktivistin für Frauenrechte, soziale Gerechtigkeit und Umweltthemen engagiert. Inwiefern hat sich durch die Gründung von Sinal do Vale Ihr Verständnis von Aktivismus verändert?
Thais Corral: Aktivismus bedeutete für mich, neue Lösungsansätze für soziale und ökologische Probleme zu finden und in der Gesellschaft sichtbar zu machen. Der Aktivismus, den wir im Sinal do Vale entwickeln, ist eher der Versuch, alle für einen Wandel wichtigen Aspekte miteinander zu verbinden. Das ist ein Aktivismus, der nicht vorgibt, dass allein andere verantwortlich sind und zum Handeln bewegt werden müssen, seien es die Regierung oder Unternehmen. Es geht vielmehr darum, eine Gemeinschaft mit verschiedenen Interessengruppen, Wissensdisziplinen, Dimensionen der Wahrnehmung und Kulturen wieder mit einem Ort, einem Gebiet, einer Region zu verbinden und dadurch eine Regeneration zu ermöglichen.
e: Wie setzen Sie diesen multi-dimensionalen Ansatz der Regeneration um?
TC: Von Anfang an ließ dieser Fokus auf die Qualität des Ortes eine heilige Dimension spürbar werden. Jeder lebendige Ort in der Natur ist heilig. Von Anfang an wollten wir diese besondere Qualität eines Ortes bewusst machen und uns nicht nur darauf konzentrieren, der Zerstörung der Natur etwas entgegenzusetzen. Wir wollen die Aufmerksamkeit auf die Kraft des Ortes oder den Geist des Ortes richten, der sich durch unseren Umgang und unsere Fürsorge zeigen kann. So kann sich durch uns eine neue Verbundenheit mit dem Ort und seinen Qualitäten verwirklichen.
Sinal begann vor zwölf Jahren damit, dass wir Unternehmer, Führende und Changemaker aufnahmen, um ihnen einen Raum für die tiefere Reflexion über ihre Arbeit zu geben. Sieben Jahre später entstand Sinal als weitaus integraleres und ganzheitlicheres Projekt. Wir sehen unsere Arbeit in vier Hauptdimensionen, die wir in einem Mandala beschreiben. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf Regeneration durch Lernen mittels vier Aspekten und Arbeitsfeldern: Das erste ist die Gastfreundschaft, womit unser Projekt begonnen hat. Das zweite Arbeitsfeld nennen wir Agenten des Wandels. Das sind vor allem junge Menschen, die unsere Arbeit mit der Natur kennenlernen wollen. Ein drittes Feld sind resiliente Gemeinschaften, hierbei unterstützen wir Gemeinden bei einem nachhaltigen Umgang mit der Natur. Wir arbeiten vor allem mit den Gemeinden in der Nähe von Sinal zusammen, weil unser Tal in der Pufferzone zwischen Rio de Janeiro und großen Naturschutzgebieten mit ausgedehnten Wäldern liegt. Der letzte Aspekt des Mandalas umfasst Boden, Nahrung und Wald, wobei wir uns auf lokale Ernährungssysteme konzentrieren.
In jedem Projekt versuchen wir, mittels Prototypen einfache Lösungen zu finden und sie mit den vielen Dimensionen des lebendigen Systems, von denen sie getrennt waren, wieder zu verbinden. Ich kann Ihnen ein Beispiel anhand eines Projektes zum Thema Ernährung geben. Es gibt auch in Brasilien den Trend, sich einer biologischen Landwirtschaft zuzuwenden, aber viele Obst- und Gemüsesorten wachsen hier nicht so gut und müssen importiert werden. Deshalb konzentrierten wir uns auf die Waldfrüchte, die es hier reichlich gibt, wie die Jackfrucht. Aber wir sind es nicht gewohnt, der Fülle eines Ortes zu folgen, statt unseren Ideen. Deshalb begannen wir mit Kursen darüber, wie man diese Waldfrüchte zubereiten kann. Wir nutzen das, was im Überfluss an diesem Ort wächst und fanden einen ko-kreativen Umgang damit. Dieses Arbeiten mit dem, was mit den geografischen Gegebenheiten kompatibel ist, erfordert nicht so viel Anstrengung. Wenn man anfängt, den Ort sprechen zu lassen und auf den Ort zu hören, können sich Lösungsansätze zeigen, an die wir vorher nie gedacht hatten. Und sie erfordern weniger Aufwand, was auch heißt, weniger Geld, Transaktionen und Ressourcen.
WENN MAN ANFÄNGT, AUF DEN ORT ZU HÖREN, KÖNNEN SICH NEUE LÖSUNGSANSÄTZE ZEIGEN.
e: Wie sehen Sie diese lokale Arbeit in einem globalen Kontext?
TC: Globalisierung scheint eine sehr große Perspektive zu sein, aber in vielerlei Hinsicht schränkt sie die lokalen Möglichkeiten ein. Es ist ein System, in dem zum Beispiel Produkte in China hergestellt und künstlich billig gehalten werden. Es gibt eine neue Herangehensweise, in der das Bewusstsein und die Kultur global sein können, aber die Lösungen und die Lebensweise werden lokal bestimmt. Fragen der Machbarkeit, Nachhaltigkeit oder der Reduzierung unseres ökologischen Fußabdrucks sind alles lokale Themen. Wir alle leben an einem bestimmten Ort, zu dessen Regeneration wir beitragen können.
e: Sinal ist auch eine Gemeinschaft, und Menschen kommen für eine bestimmte Zeit an diesen Ort und leben hier zusammen. Welche Herausforderungen erfahren Sie bei der Bildung solch einer Gemeinschaft?
TC: Bei einem neuen Konzept besteht die Herausforderung immer darin, die Idee in unserem Kopf zu einem lebendigen System für uns alle zu entwickeln. Zwei Dinge haben uns bei diesem Prozess geholfen: Eines ist der intergenerationelle Aspekt, in Sinal leben Menschen verschiedenen Alters zusammen. Und auch sonst gibt es eine große Vielfalt: Es ist eine Gemeinschaft über Generationen, soziale Klassen und Kulturen hinweg. Der andere Aspekt ist das Kultivieren von Freude. Freude hilft dem Verstand, nicht in Kategorien von falsch und richtig zu denken.
Vielfalt und Freude sind die wichtigsten Qualitäten unserer Arbeit, außerdem sind wir entschlossen, immer weiterzugehen. Es ist eine konstante Bewegung, eine Dynamik, ein permanentes Lernen, Evolution. Der Feind dieser Beweglichkeit ist Dogmatismus. Mir ist es wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Dogmen ständig hinterfragt werden.
e: Welche Rolle sehen Sie für einen Ort wie Sinal do Vale im Kontext der neuen politischen Situation in Brasilien, nach der Wahl einer rechtspopulistischen Regierung?
TC: Die Kategorien rechts und links, mit denen man im 20. Jahrhundert verstehen konnte, wie sich Gesellschaften politisch strukturieren, Regierungen bilden und Märkte erschließen, passen nicht mehr. Heute brauchen wir auf Achtsamkeit basierende soziale Systeme, die von unten nach oben strukturiert sind und die Lösungen finden, die für lokale Bedürfnisse und Kontexte angemessen sind. Auch in der Bildung müssen Aspekte berücksichtigt werden, die über technische und eingeprägte Fertigkeiten hinausgehen. Die neuen Agenten des Wandels müssen in der Lage sein, sich auf sich selbst und ihre Team-Ressourcen zu besinnen, auf das Feld kollektiver Intelligenz und all die unterschiedlichen Ressourcen, die lokal vorhanden und auch Teil des lebendigen Ökosystems sind. Was auf nationaler Ebene in Brasilien passiert, ist in diesem Sinne eine Gelegenheit, um zu zeigen, dass viel mehr regenerative Zentren wie Sinal do Vale gebraucht werden, um Gesellschaften so zu transformieren, dass sie den Erfordernissen unserer Zeit gerecht werden können.
Author:
Mike Kauschke
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