Der Schritt aus der Ohnmacht

Our Emotional Participation in the World
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Interview
Publiziert am:

July 19, 2018

Mit:
Andreas Renolder
Anna Heringer
Birgit Engelhart
Gabi Schweiger
Judith Schachinger
Michael Kitzberger
Nicole Scherg
Niko Mayr
Teresa Distelberger
Walter Ötsch
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AUSGABE:
Ausgabe 19 / 2018:
|
July 2018
Stadt & Land
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Ein Film, der die Angst vor der Zukunft nimmt

Der ermutigende Film »Die Zukunft ist besser als ihr Ruf« porträtiert sechs sehr unterschiedliche Menschen, die sich von einer gesamtgesellschaftlich vorherrschenden Krisenstimmung nicht lähmen lassen, sondern in ihrem Umfeld einfach anpacken. Teresa Distelberger ist eine der Regisseurinnen des Films. Im Gespräch mit ihr wird deutlich: Das Bessere in der Welt erwächst aus jeder kleinen Veränderung.

evolve: Wie ist die Idee zu eurem Film entstanden?

Teresa Distelberger: Der Filmproduzent Michael Kitzberger hatte die Idee für den Film. Wir sind heute gut darüber informiert, was alles falsch läuft. Offen bleibt dabei: Was kann ich tun, was ist der nächste Schritt? Für Michael Kitzberger war in Momenten der Ohnmacht häufig das Gespräch mit Menschen ermutigend, die selbst aktiv sind. Deshalb fragte er verschiedene Regisseure und Regisseurinnen aus seinem Umfeld: »Wen kennt ihr, der oder die euch inspiriert, welche Menschen geben euch Mut?«

e: Was zeigt ihr in dem Film?

TD: Zunächst war uns wichtig, Menschen zu finden, die an einem Platz im Leben angekommen sind, von wo sie ausstrahlen. Dabei ging es nicht um irgendwelche Helden, wo man im Kino sitzt und denkt: Ja, die sind toll und die verändern die Welt, aber ich kann das nicht. Wir wollten Menschen finden, wo man leicht sagen kann: »Ja, das könnte ich eigentlich auch, weil die so wie meine Nachbarin ist.«

Außerdem wollten wir mit dem Film zeigen, dass Engagement sehr unterschiedlich sein kann. Alles ist wichtig und kann sich sogar ergänzen: Judith Schachinger arbeitet zum Beispiel daran, dass Vertriebssysteme für Lebensmittel so gestaltet werden, dass kein Abfall entsteht. Andrea Roschek macht fast etwas Gegensätzliches. Sie gibt Lebensmittelabfälle, die aus den Überschüssen des jetzigen Vertriebssystems entstanden sind, weiter an Menschen, die wenig Geld haben. Walter Ötsch betrachtet als Professor für Ökonomie und Kulturgeschichte das System aus der Vogelperspektive. Andreas Renolder ist Schriftsteller und arbeitet als Heimhelfer bei einer alten Frau. Anna Heringer baut als Architektin mit Lehm. Ihre Bauwerke gehen bei Verfall rückstandsfrei wieder in die Natur über und mit Rita Trattnigg portraitieren wir die Zukunft der Demokratie. Sie organisiert BürgerInnenräte.

e: Ihr habt mit vier RegisseurInnen an dem Film gearbeitet. Wie habt ihr es geschafft, dass der Film ein Ganzes geworden ist?

TD: Das war ein langer Prozess. Der Film musste reifen. Jeder Regisseur, jede Regisseurin hatte auf eigene Weise die Gespräche geführt und die Kameraeinstellungen waren auch sehr unterschiedlich. Aus dem ungeschnittenen Rohmaterial haben Wolfgang Widerhofer, der Dramaturg, Michael Kitzberger und ich einen Vorschlag erarbeitet und ihn den anderen Regisseuren geschickt.

Die Vielfalt in der Unterschiedlichkeit der ProtagonistInnen und der unterschiedlichen Arbeitsweise der RegisseurInnen hat uns manchmal ganz schön herausgefordert. Es gab Phasen, wo ich dachte: Hoffentlich wird das irgendwie noch ein Film, hinter dem wir insgesamt auch stehen können. Nachdem ich mit Wolfgang viel Zeit im Schneideraum verbracht hatte, gab es einen Punkt, wo wir feststellten: Wir brauchen einen Anfang und einen Schluss und da führt besser nur eine Person Regie. Das war in dem Fall ich. Ich habe dafür allen sechs ProtagonistInnen dieselben Fragen gestellt und einen visuellen Rahmen geschaffen. Eine halbtransparente Folie, die wir in ihren privaten Räumen gespannt haben, diente dazu, die verschiedenen Räume zu vereinen. Die Porträtierten scheinen nun miteinander zu sprechen, obwohl sie in ihrer Vision aus ihrem persönlichen Themenbereich reden.

Wir wollten Menschen finden, wo man leicht sagen kann: »Ja, das könnte ich eigentlich auch.«

e: Sehr verbindend in eurem Film ist auch die moderne Blasmusik. Neben den ProtagonistInnen, die Dialekt sprechen, macht die Musik den Film zu einem sehr österreichischen Film. Sie ist verbindend, bringt aber auch die Vielfalt zum Ausdruck, weil sie jeweils bezogen auf den jeweiligen Protagonisten komponiert wurde. Und sie würzt den Film mit einer guten Prise Humor.

TD: Ja, die Zusammenarbeit mit der Band »Federspiel« war ein Segen für uns. Sie sind wirklich sehr gute Musiker und verbinden traditionelle Blasmusik mit etwas ganz Weltoffenem. Von zumindest einem der Musiker weiß ich, dass er auch seine eigene Meditationspraxis hat. In den Kompositionen wird spürbar, wie fein sie sich auf unsere ProtagonistInnen musikalisch eingelassen haben. Es war wirklich ein großer Genuss mit ihnen im Studio zu sein.

Birgit Engelhart und Judith Schachinger von der Initiative »Speiselokal«.

e: Ihr habt den Romy-Filmpreis für die »Beste Kino-Doku« gewonnen. Das ist der österreichische Film- und Fernsehpreis. Wart ihr überrascht?

TD: Ja, eigentlich schon. Wir haben nicht damit gerechnet. Die Jury besteht aus Redakteuren von sehr populären Tageszeitungen und Fernsehmagazinen. Ich glaube, der Film hat gewonnen, weil er den Zeitgeist trifft: Menschen wollen heute Filme sehen, wo sie Perspektiven bekommen und ermutigt aus dem Kino gehen. Sie wollen das Gefühl haben, selbst eine relevante Rolle in dem Ganzen zu spielen. »Die Zukunft ist besser als ihr Ruf« ist einfach mal eine Ansage: Vielleicht geht ja doch nicht alles den Bach runter. Es könnte auch besser ausgehen, als wir zu glauben wagen.

e: Ihr macht ein Folgeprogramm. Man kann euch anfragen für Gemeinden oder auch für Schulen. Kannst du davon erzählen?

TD: Ich selbst habe zwei Hauptberufe, ich bin Filmemacherin und Moderatorin. So hat sich angeboten, dass ich etwas entwickle, was zusätzliche Möglichkeiten eröffnet. Beim klassischen Filmgespräch ist es oft so, dass das Publikum zuerst den Film sieht und anschließend den Künstler oder die Künstlerin befragt. Daraus entsteht eine Art Frage-Antwort-Ping-Pong. Ich finde es sehr spannend, mit dem Film in Gemeinden zu gehen und dieses Ping-Pong umzudrehen. Ich beantworte nicht nur Fragen, sondern ich stelle auch welche. So eine Frage ist zum Beispiel: »Wenn ich diesen Film jetzt bei euch in eurem Ort nochmal drehen würde, wen könnte ich zeigen?« Ich bin überzeugt davon, dass wir den Film mit verschiedensten Menschen in verschiedensten Regionen überall in Österreich hätten drehen können. Ich möchte die Menschen vor den Vorhang holen, die die ganze Zeit aktiv sind. Oft sitzen sie im Kinosaal und das ist immer ein schöner Moment, wenn sie geehrt werden. Die zweite Frage, die ich stelle, ist: »Wenn ich diesen Film in zehn Jahren bei euch drehen würde, wen von euch könnte ich dann zeigen?« Es entstehen sehr interessante Gespräche dadurch.

In den Schulen schaue ich den Film erst mal mit ein paar Klassen an. Dann gebe ich den SchülerInnen Zeit, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Sie suchen zum Beispiel in ihrer Umgebung nach inspirierenden Menschen, drehen selbst Kurzfilme oder gestalten Plakate. In einem zweiten Schritt treffen wir uns in der Schule wieder zu einem Open Space. Dazu können auch die Personen eingeladen werden, die die SchülerInnen vor Ort gefunden haben und es geht um Themen, die Schüler und Schülerinnen bewegen. Eine Schülerin redete zum Beispiel berührend darüber, wie sie in ihrer Familie und der Familie ihres iranischen Freundes Vorurteile abbauen.

Die RegisseurInnen des Films: Nicole Scherg, Teresa Distelberger, Niko Mayr und Gabi Schweiger (v. l. n. r.).

e: Ich finde es spannend, dass ihr mit dem Film weiterarbeitet. Oft ist es ja so, dass man sich etwas anschaut und es dann rasch wieder vergessen hat, weil die Zeit so schnelllebig ist.

TD: Ja, ich glaube, an diesem Punkt stehen Film und Kino gerade. Immer mehr Filme werden flüchtig konsumiert. Wir machen bewusst das Angebot, dass man sich nach dem Film begegnen kann. Dabei ist auch mein Interesse an mystischen Prinzipien eingeflossen. Eines dieser Prinzipien ist das Verhältnis von etwas, was einen Impuls setzt und etwas, das einen Raum schafft, damit sich eine Bewegung darin ausdrücken kann. Der Film setzt den Impuls und ich schaffe danach einen Raum für Menschen, auch ihre eigene Gestaltungsmöglichkeit spüren zu können. Für mich war wichtig: Wie kann ich der Grundintention am besten dienen, dass bei den Menschen, die den Film gesehen haben, das eigene Feuer entflammt wird, sie selbst ihren Platz einnehmen und auch aktiv werden?

Das Gespräch führte Elke Janssen.

Author:
Elke Janssen
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