Der Wandel ist ein Start-up

Our Emotional Participation in the World
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Interview
Publiziert am:

July 14, 2015

Mit:
Natalie Kho
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AUSGABE:
Ausgabe 07 / 2015
|
July 2015
Die Zukunft in uns
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Wie coole Ideen lebendig werden

Natalie Kho ist Mitgründerin der Cool Ideas Society in Deutschland, einem offenen Forum, in dem Menschen im Spirit gegenseitiger Unterstützung und kollektiver Intelligenz ihre kreativen Ideen schärfen und klären können.

evolve: Was ist die Cool Ideas Society?

Natalie Kho: Das lässt sich mit zwei Dimensionen beschreiben, einmal die größere Vision dahinter und zum anderen die Arbeit vor Ort. Ganz konkret finden im Rahmen der Cool Ideas Society (CIS) in einzelnen Städten Abendworkshops statt, zu denen Leute aus ganz unterschiedlichen Kontexten kommen und Menschen, Organisationen oder Initiativen darin unterstützen, die spannenden Fragen anzugehen, die sie gerade beschäftigen. Das können gestandene Organisationen sein, die neue Wege suchen, oder Menschen, die zum Beispiel ein Start-up gründen wollen. Letztlich geht es darum, aus Unmöglichkeiten, bei denen Menschen Fragen und Herausforderungen haben und nicht weiterkommen, neue Möglichkeiten zu schaffen und neue Perspektiven aufzumachen.

Wenn man einen größeren Blick wagt, kann man sagen, dass wir eine andere Kultur des Miteinanders fördern wollen. Eine Kultur, in der Menschen sich vertrauensvoll und offen begegnen und dadurch ­anders, kollaborativ wirken können. Mit umfassenderem Vertrauen können wir ganz anders kreativ sein. Wir legen auch großen Wert auf ein tieferes Zuhören, um wirklich zu hören, was hinter den Aussagen steht. Im Grunde wollen wir alte Denkweisen in Bezug auf Zusammenarbeit aufbrechen und jeder konkrete Abend trägt dazu bei. Denn dabei erfahre ich eine andere Beziehung zu anderen und stelle meine Denkweisen in Frage. Und so können Menschen auch neue Wege kreativer Zusammenarbeit entdecken, die ihnen im Leben oder in ihrer Arbeit neue Perspektiven aufzeigen.

e: Du bist Mitgründerin der CIS in Deutschland. Wie bist du dazu gekommen?

NK: Das Format Cool Ideas Society kommt ursprünglich aus den Niederlanden und gibt es heute außerdem in China, Mexiko, Kanada und Deutschland. Ich selbst habe mich schon immer in Kontexten bewegt, in denen man sich gegenseitig in seinen Projekten unterstützt hat. Die Methode der CIS habe ich dann in China kennengelernt. Dort hat mich begeistert, dass die multikulturelle Verschiedenheit der Teilnehmer an dem Abend zu so einer kreativen Zusammenarbeit geführt hat, wobei die Unterschiede zu einer Bereicherung für alle wurden. Als ich wieder in Deutschland war, habe ich mich vor zwei Jahren mit den Gründern von CIS in Verbindung gesetzt und das Format mit meiner Kollegin und guten Freundin Anne Kliebisch unter ihrer Begleitung ausprobiert. Von da aus hat es sich sehr organisch entwickelt. Mittlerweile gibt es CIS-Abende in zehn Städten in Deutschland, die von ehrenamtlichen Moderatoren geleitet werden, die eine Ausbildung in unserem Ansatz gemacht haben. In der Ausbildung werden Elemente aus der Kreativitätsarbeit, dem Coaching und Hosting miteinander verbunden, um erfahrbar zu machen, wie man einladende Räume für kreativen Austausch gestalten kann.

Wir arbeiten mit Brainstorming, Bewegung, Innovationsprozessen und Improvisation, in Zweier- und Vierergruppen, mit kreativem Ausdruck wie zum Beispiel malen oder mit Assoziationsketten. Die Moderatoren können aus einem ganzen Reservoir von Methoden auswählen, was für die Gruppe angemessen ist, um verschiedene Ausdrucksformen anzubieten. Zum Teil nutzen wir auch Meditation, wobei die Menschen aus ganz verschiedenen Hintergründen kommen und deshalb auch unterschiedlich darauf reagieren. Daher arbeiten wir beispielsweise mit Bildern oder Momenten der Stille, um die Leute innerlich anzusprechen. Bei den Feedbacks sagen dann manche, dass es ihnen zu spirituell war, und andere mögen gerade solche Zugänge. Aber in einem Umfeld des Vertrauens kann sich jeder erst mal darauf einlassen.

¬ IM GRUNDE WOLLEN WIR ALTE DENKWEISEN IN BEZUG AUF ZUSAMMENARBEIT AUFBRECHEN. ¬

e: Wie läuft so ein Abend ab?

NK: Der Abend fängt damit an, dass wir einen kurzen Einblick in die Arbeit der CIS geben. Dann gibt es Kennenlern-Elemente, damit die Teilnehmer miteinander in Kontakt kommen können, wobei wir über das Gängige hinausgehen wollen und fragen: Warum bis du heute wirklich hier? Welche Themen beschäftigen dich? Was ist dir wichtig im Leben? Wovor hast du Angst? Unser Anliegen ist, eine tiefere Atmosphäre zu schaffen und nicht auf einer oberflächlichen Ebene zu bleiben. Es gibt zwei bis drei »Pitcher« – also Personen, die ihre Fragen einbringen. Das können ganz verschiedene Anliegen sein, wie zum Beispiel: Wie erreiche ich am besten meine Zielgruppe? Wie kann ich meine App verbessern? Wie kann ich mein Projekt weiterentwickeln? Wir wenden dann verschiedene kreative Elemente an, mit denen die Anwesenden den Pitchern weiterhelfen können. Dazu bekommen die Pitcher Feedback von den Teilgebern – wie wir sie nennen –, aber der Gedanke ist, vor allem auch neues Wissen zu generieren und zu schauen, was das Projekt noch braucht.

e: Was für Menschen kommen zu euren Abenden?

NK: Wir ziehen extrem unterschiedliche Menschen an und das macht, glaube ich, auch das Besondere aus. Es gibt eine Community von Leuten, die regelmäßig zu ­unseren Abenden kommen und Lust haben, mit anderen kreativ zu sein und neue Lösungen zu entwickeln. Es kommen aber auch Leute zu uns, die eine Idee haben, sich aber nicht sicher sind, ob und wie sie diese umsetzen können. Wir hatten zum Beispiel gestern einen Abend, an dem auch 60- und 70-jährige teilgenommen haben, die ihre Erfahrungen weitergeben wollten. Es kommen Studenten, junge Sozialunternehmer, Gründer oder Leute, die in großen Unternehmen arbeiten und mal eine andere Form der Zusammenarbeit erleben wollen. Die Teilgeber kommen eigentlich aus allen Altersgruppen, weil es in der Konzeption der Abende dieses stark verbindende Element gibt, wo jeder etwas beitragen kann.

e: Erleben die Leute bei euren Abenden auch innerliche Veränderungen?

NK: Ja, viele Leute kommen auch, weil sie merken, dass an diesen Abenden etwas mit ihnen passiert. Sie erleben, wie man anders miteinander umgehen und zusammenarbeiten kann. Und diese Erfahrungen können sie dann in ihren Alltag mitnehmen. Gerade die Kennenlern-Elemente fordern auch. Es ist gar nicht so leicht, einem Wildfremden zu erklären, was meine größten Ängste sind. Aber es entsteht an den Abenden ein Raum von Vertrauen, wo das möglich ist. Es ist, glaube ich, diese neue Kultur von Wertschätzung und Vertrauen, die die Leute bei uns finden. Und auch den Mut, eigene Ideen zu verwirklichen, und das Gefühl, zu einem größeren Ganzen beizutragen, weil sie gemeinsam mit anderen an Herausforderungen bei Projekten arbeiten, die meist auch das Anliegen haben, unsere Gesellschaft menschlicher und nachhaltiger zu machen.

e: Was motiviert dich in der Arbeit mit der Cool Ideas Society?

Mein Anliegen ist es, Menschen zu befähigen, in ihre eigene Kraft zu kommen und ihnen neue Blickwinkel auf die Welt aufzumachen. Ich möchte die Menschen dort abholen, wo sie sind, und von dort weitere Entwicklungsschritte anstoßen. Und dabei die eigenen Schritte als Teil eines größeren Ganzen und auch im Kontext der momentanen gesellschaftlichen Umbrüche zu sehen.

Author:
Mike Kauschke
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