Die Digitale Zukunft

Our Emotional Participation in the World
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Essay
Publiziert am:

July 17, 2017

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Issue 15 / 2017:
|
July 2017
Mensch & Maschine
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Die Digitalisierung wird alle Bereiche unseres Lebens verändern. Aber wie? Und welche Möglichkeiten haben wir, um diesen Wandel zu gestalten? Wir haben fünf Menschen, die sich mit den individuellen und sozialen Veränderungen durch neue Technologien beschäftigen, gefragt:

Was sind Ihre Hoffnungen und Bedenken für unsere digitale Zukunft?

Julia von Winterfeldt

Autos abmelden und Carsharing-Angebote wahrnehmen. Statt auf der Zulassungsstelle einfach im Internet. Steuererklärungen, Anträge, viele Behördengänge online erledigen. Modernisierte elektronische Kommunikationswege mit Verwaltungen in Anspruch nehmen. »Swapping« und nicht nur Kaufen von Produkten online entdecken. Bankgeschäfte von überall mobil erledigen. Neuen Initiativen durch Crowdfunding nachgehen. Gegenstände mit dem Internet und untereinander vernetzen. Nicht nur Computer und Handys, sondern Geräte und Systeme, ganz gleich ob Automaten, Fahrzeuge oder Gebäude. Körperliche Leistungen oder Gesundheitswerte und Vitaldaten aufzeichnen lassen. Gesundheit und medizinische Selbstkontrolle digital versorgen. Standardisierte Arbeitsvorgänge durch Automatisierung, Bots, künstliche Intelligenz und Roboter ausführen. So den Stellenwert von Arbeit im Leben neu aufladen. Arbeit und Freizeit fließender gestalten. All das erscheint nützlich und sinnvoll.

So macht digital das Leben »smarter«. Wird es aber auch schöner und lebenswerter? Das sind meine Bedenken! Im Arbeiten. Im Leben. Sind unsere gelebten Gemeinschaften nur noch fabelhafte Selbstdarstellungen im Netz? Können wir uns auf gehaltvolle Beziehungen überhaupt noch einlassen? Meine Hoffnung: Wir Menschen versuchen nicht, die besseren Maschinen zu werden, sondern wir bewahren uns das Menschliche, das Emotionale, das Unerwartete, das Kreative in uns, im Arbeiten, im Leben. Wir erkennen an, dass der Faktor »Mensch« und damit das reale Zwischenmenschliche das Leben wirklich schöner und lebenswerter macht.

Julia von Winterfeldt, Gründerin von SOULWORX für

Kulturwandel und Neues Arbeiten.

Andreas Neider

Die Digitalisierung unseres gesamten Kommunikations- und Informationslebens durch das Internet lässt sich vor allem unter dem Vorzeichen der­»Effektivierung« begreifen. Sergej Brin und Larry Page, die Gründer von Google, sind die Apostel des Effektivierungsglaubens, also eines Fortschrittsglaubens, dessen Credo auf dem Prinzip der Effektivität, das heißt, der Beschleunigung von zeitlichen Abläufen beruht. Maschinen lassen sich effektivieren, zu höherer Leistung optimieren. Sofern man den Menschen als eine Maschine betrachtet, lässt er sich auch diesem Prinzip unterwerfen.

Google sowie die anderen führenden Internet-Oligarchen wollen deshalb Mensch und Maschine immer enger bis zur sogenannten »Singularität« verschmelzen. Diesem Prinzip der Entmenschlichung durch Beschleunigung von elementaren Lebensvorgängen aber kann man sich widersetzen. Ja, immer mehr Menschen werden an den Folgen dieser Tendenz zur Entmenschlichung zu ihrer Menschlichkeit, das heißt ihrer zeitlichen Existenz erwachen.

Die Zeit als das eigentliche Medium des Menschen erfahren wir zum Beispiel in der Meditation, durch das Erleben des Hier und Jetzt, durch die Hinwendung zur Natur und ihren zeitlich-rhythmischen Vorgängen. Auch in der Hinwendung zu sich selbst, der Geduld mit sich und seinen Unvollkommenheiten und deren langsamer Verwandlung kann Zeitlichkeit erlebt werden. Möge uns die immer weiter fortschreitende Herrschaft der digitalen Oligarchie zu unserem eigentlichen Menschsein erwachen lassen und ihr die Erleuchtung möglichst vieler menschlicher Individuen entgegensetzen.

Andreas Neider, Dozent und Autor für Anthroposophie,

Spiritualität, Meditation und Medienpädagogik.

OM C. Parkin

Ob die digitale Revolution Fluch oder Segen für die Menschheit ist, hängt nicht von den eingesetzten Technologien ab, sondern ausschließlich vom Bewusstseinszustand der Menschen, die sie nutzen. Doch wird diese Revolution angeführt von idealistischen Menschheitsbeglückern aus dem Silicon Valley, die gemeinsam ein großes Missverständnis teilen: Sie alle erliegen einer gravierenden Innen-/Außen-Ebenenverwechslung. Im denkenden Geist der digitalen Welteroberer herrscht der Glaube an eine religionssubstituierende Heilslehre für die gesamte Menschheit durch technologischen Fortschritt. So verwechseln sie die scheinbar unendlichen, kreativen Möglichkeiten der digitalen Revolution und die lebensverbessernden Umstände für viele Menschen weltweit, die sie schaffen können, mit einem Erwachensweg für die Menschheit. Ein Erwachensweg ist jedoch ein innerer Weg und die Anweisungen dieses Weges sind die gleichen wie vor 500 Jahren. Das wahre Wissen wird durch Selbstversenkung »aus erster Hand« und von innen durch einen Sterbeprozess erfahren.

Viele enthusiastische Jünger der digitalen Revolution folgen dem Geist der Väter aus dem Silicon Valley und verlieren sich in einer virtuellen Welt, welche nicht aus Daten oder Informationen im Internet besteht, sondern aus ihrem eigenen Geist. Eine Reduktion unserer äußeren Überaktivität und der Geschwindigkeit auf inneren Datenautobahnen erscheint heilsam, denn die meisten Menschen unserer Zeit sind innerlich zu schnell für Erkenntnis. Unterscheidungskraft ist die große Tugend des inneren Weges. Was sie nährt, ist innere Langsamkeit in Stille.

OM C. Parkin, spiritueller Lehrer der stillen Tradition, Autor von »Das digitale Zeitalter aus Sicht der Weisheitslehre«.

Yvonne Hofstetter

Viele glauben, die Digitalisierung mache frei: durch schrankenlosen Zugriff auf Konsumgüter und globales Wissen. Aber: Die Freiheit des Konsumenten ist eine andere als die Freiheit des Bürgers. Die digitale Quantifizierung des Menschen, seines Wollens, Wissens und Könnens macht ihn berechenbar, vorhersehbar, manipulierbar. Konzerne, der Staat, sogar das Individuum ziehen Bilanz: Wie leistungsfähig bin ich? Genügt meine Leistungsfähigkeit den Anforderungen meines Arbeitgebers, meines Netzwerks, meines Staates und mir selbst?

Sich konform geben (zu müssen), bedeutete für den Philosophen Martin Heidegger die höchste Form der Unfreiheit. Die digitale Überwachung und Vermessung der Person attackieren das humanistische Menschenbild vom selbstbestimmten Menschen, wie er unseren europäischen freiheitlich-demokratischen Verfassungen zugrunde liegt, auf perfide Weise. Sie degradieren die Person zur biologistischen Maschine und zum durch Staat und Technologie-Giganten beeinflussbaren Datenhaufen. Aber Demokratie beruht gerade auf der Idee vom freien Menschen. Wer dieses Menschenbild durch nicht normativ legitimierte »Technosteuerung« des Individuums angreift und verändert, entzieht der Demokratie ihre konstituierende Grundlage.

Das Recht auf Handlungs- und Willensfreiheit als Ausdruck der Menschenwürde ist das Supergrundrecht unserer Verfassungen und die Basis der Demokratie. Fällt dieses Recht, wird die Demokratie schwer defekt. Wenn Digitalisierung künftig etwas für die Demokratie tun soll, müssen wir auf Neustart gehen und bürgerliche Freiheiten gleich zusammen mit der technologischen Entwicklung denken.

Yvonne Hofstetter, Juristin, Essayistin und Sachbuchautorin, u. a. von »Das Ende der Demokratie«.

Sabine Hoffmann

Wir befinden uns mitten in der 3. Industriellen Revolution: dem Übergang vom Industriezeitalter, in dem es fast ausschließlich darum ging, effizienter zu werden in dafür deklinierten Organisationsformen, ins Digitale Zeitalter, in dem Unternehmen mit maximaler Personalisierung und Flexibilität punkten. In dieser heute produktionsbedingten Unbeweglichkeit werden wir konfrontiert mit dem eindringlichen Wunsch der digitalen Generation nach Erlebnissen, möglichst für die momentane Situation passend, in Echtzeit variiert. Gefragt ist für diese Anforderungen der Arbeitsmodus des Experimentierens, um maximal durchlässig zu werden und bei jedem Handgriff dazuzulernen. Experimentieren bedeutet vor allem »Variieren und Testen« und ist der Widerspruch zu »Planen und Kontrollieren«, unserem aktuellen Modus. In dieser Entwicklung wird der Ruf zur organisationalen Transformation immer lauter. Eine digital fitte Kommunikationsabteilung als Einzelkämpfer in Unternehmen reicht längst nicht mehr aus: Um (kommunikative) Chancen in Echtzeit nutzbar zu machen, braucht es siloübergreifendes Zusammenarbeiten in Unternehmen.

Für diese große Vision müssen wir über Leadership sprechen, angefangen von Führungsstilen in den unterschiedlichen Phasen des Change, über das Verhandeln neuer Werte für die Unternehmenskultur, neue Formen des Zusammenarbeitens, aber auch die persönliche Entwicklung von Führungskräften: als Leaders für ein neues Zeitalter. Ein Zeitalter der Kooperation, das für jeden Einzelnen neue Möglichkeiten bringt.

Sabine Hoffmann, Gründerin & Geschäftsführerin ­ambuzzador GmbH.

Author:
Julia von Winterfeldt
Author:
Andreas Neider
Author:
OM C. Parkin
Author:
Yvonne Hofstetter
Author:
Sabine Hoffmann
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