Zum Tod von Barbara Marx Hubbard
Es gibt Menschen, deren Lebensfreude so umwerfend ist, dass man sie nie vergisst. Barbara Marx Hubbard war eine von zu ihnen. Ihre Lebensgeschichte zeichnet sich aus durch den beständigen Versuch, das Unmögliche zu wagen – von ihrer Kandidatur als Vizepräsidentin der USA bis hin zu dem Vorhaben, als Katalysatorin für einen grundlegenden Bewusstseinswandel zu wirken –, und sie tat das mit bezauberndem Charme und hinreißender Gewissheit. Als sie im April im Alter von 89 Jahren nach kurzer Krankheit unerwartet starb, markierte dies das Ende nicht nur eines außergewöhnlichen Lebens, sondern auch einer ganzen Generation evolutionär orientierter Denker der Nachkriegszeit.
Möglicherweise getragen vom Aufwind der Frauenbewegung, traf Barbara, gut betuchte Mutter von fünf Kindern, in den 1970er-Jahren die radikale Entscheidung, ihre Familie zu verlassen und sich auf die Suche zu begeben. Inspiriert durch die evolutionäre Vision Teilhard de Chardins und zugleich geängstigt durch die destruktive Kraft der Atombombe, entwickelte sie eine lebendige Vision vom zukünftigen Potenzial der Menschheit, die zu ihrem Leitstern wurde. Ungeachtet der Liebe zu ihren Kindern ließ Barbara das bequeme Leben in der Vorstadt hinter sich, um alles ihr Mögliche zur Verwirklichung ihrer Vision zu unternehmen. Sie lernte die brillantesten Köpfe ihrer Zeit kennen – Jonas Salk, Buckminster Fuller, Abraham Maslow, Marilyn Ferguson und Béla H. Bánáthy, um nur einige zu nennen – und arbeitete mit ihnen zusammen. Sie entwickelte eine enorme Kreativität darin, Menschen zu »Syncons« (synergistic convergences) genannten Treffen zusammenzubringen.
Auch der Umgang mit ihrem eigenen Sterben war geprägt von diesem Geist der Neugeburt.
In den letzten zehn Jahren brach Barbara, vor allem durch die gemeinsame Arbeit mit Stephen Dinan im »Shift Network«, noch einmal zu Neuland auf. Wie ein Magnet wirkte sie auf Frauen nach der Menopause, deren Kinder ausgeflogen waren und die nach einem neuen Lebenssinn suchten. Für diese Frauen und für sich selbst entwickelte Barbara die Idee der »Regenopause«. Dieser Begriff befreite die Menopause von negativen Assoziationen wie »Verfall« und »altes Eisen« und wandelte sie um in Freiheit, Entscheidungsmöglichkeit und Regeneration der Lebensenergie. Die »Regenopause« löste ein schmerzliches Dilemma in ihrem eigenen Leben auf: Ihr Partner war auf Sex aus, Barbara, mitten in der Menopause, hingegen nicht. Sie verlegte sich auf Visualisierungen während des intimen Zusammenseins: Sie stellte sich vor, wie sie die Zellen und die Lebenskraft ihres Körpers erneuerte. Die Resonanz, die sie damit bei älteren Frauen fand, überraschte Barbara und sie begann, die Jahre jenseits der Menarche als Katalysator einer tiefgehenden Dynamik zu betrachten, die auf eine Wiedergeburt des Selbst abzielt. Anstelle von sexueller Erregung sprach sie von »Erregung durch eine größere Berufung«: Die Bewegung des Eros im Körper einer reifen Frau sah sie als Ruf in einen neuen Lebenssinn – Ko-Kreation anstelle von Pro-Kreation (Zeugung). Mit den Jahren verfeinerte Barbara ihre Erforschung der »Regenopause« immer weiter, sie wurde eines der Markenzeichen ihrer evolutionären Lehre und Vision.
Barbaras imaginative Fähigkeiten machten sie zu der Visionärin, die sie war. Die Kraft ihres Geschichtenerzählens erwuchs aus ihrer Überzeugung, so als ob das, was sie sich vorstellte, dadurch Wirklichkeit würde. Sie organisierte große Kampagnen, um den Bewusstseinswandel voranzutreiben, der alles ändern sollte, etwa an Silvester 1999, dem Vorabend des Jahres 2000, oder anlässlich der angeblichen Maya-Prophezeiung zum 21. Dezember 2012. Sie schickte ihren kreativen Geist und ihre Vorstellungskraft weit voraus in die Zukunft, um durch diesen Prozess die Gegenwart zu verändern. Sie meinte, die Klimakatastrophe und die Gefährdung der Biosphäre würden uns dazu bringen, die große Reise ins All anzutreten. Wir sollten aus unseren Fehlern auf der Erde lernen und neue Welten bewohnen. Unsere Zeit, in der wir befürchten müssen, dass unser wunderschöner Planet stirbt, war nach ihrem Gefühl eine Zeit der Geburt. Auch der Umgang mit ihrem eigenen Sterben war geprägt von diesem Geist der Neugeburt und der endlosen Möglichkeiten. Es war das letzte Zeugnis eines Menschen, dessen schöpferische Vorstellungskraft in so vielen anderen ein Gespür für unser tieferes Potenzial eröffnete.