Das Projekt »Kooperative Werden«
Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind’s noch nicht, wir werden’s aber.« Mit diesen Worten des Werdens von Martin Luther als Motto hat Wilfried Belschner, Psychologie-Professor an der Uni Oldenburg und im deutschsprachigen Raum ein Vorreiter der transpersonalen Psychologie, ein neues Projekt gestartet, das sich gegen die Misere im Gesundheitswesen richtet. Oder besser gesagt: für einen neuen Umgang mit Gesundheit und Krankheit eintritt. Der Ökonomisierung des Gesundheitswesens, in dem kranke Menschen zu Objekten werden, die eine Maschinerie von technisch aufgerüsteten Krankenhäusern durchlaufen, die auf Gewinne und kurze Verweildauern ausgerichtet sind, will er eine menschlichere Alternative entgegensetzen. Denn selbst die Bereiche der Medizin, die von Natur aus nah am Menschen sein könnten und sollten, wie die Psychologie, gehorchen meist den gleichen marktwirtschaftlichen Zwängen. Zudem schlägt sich in unserem Umgang mit Krankheit und krisenhaften seelischen Ereignissen die Vereinzelung in unserer Gesellschaft nieder. Menschen werden zu Problemfällen, die von professionellen Therapeuten behandelt und oft mehrfach »weitergereicht« werden.
Ungeachtet der unbestreitbaren Verdienste dieser modernen Medizin und Psychologie sieht Belschner die Zeit für etwas Neues und Ganzes gekommen. Statt sich auf einen Aspekt im Leben eines Menschen zu beziehen, geht es ihm um die Unterstützung des inneren Wesenskerns des Einzelnen. Anknüpfend an die transpersonale Psychologie sieht er in jedem Menschen solch einen tieferen »Funken«, der einzigartig verwirklicht werden will. Wenn wir diese tiefere Quelle nicht kennen, ihr keinen Raum in unserem Leben geben, kann es uns krank machen. Deshalb sieht er in einem radikalen Ansatz der »Prävention« die Arbeit am Werden des Menschen als entscheidend: »Der konzeptuelle Kernpunkt des hier vorgetragenen Ansatzes ist, dass es nicht mehr ›therapeutisch‹ um die Behebung von Krankheit geht, es geht auch nicht mehr ›salutogenetisch‹ um noch mehr Gesundheit (vgl. die sich anbahnende ›Pflicht zur Selbstoptimierung‹), sondern es geht um das Aufspüren der ›Idee eines würdevollen Lebens‹, die für diesen spezifischen Menschen angelegt und angemessen ist.«
Wie wir wohl alle wissen, gibt es auf diesem Weg der Werdens Momente, wo man allein nicht weiterweiß, wo das Zuhören und der Rat eines anderen Menschen weiterhelfen können. In einer Erweiterung der Idee von Selbsthilfegruppen schwebt Belschner eine Gemeinschaft vor, in der sich Menschen einander diese Unterstützung geben. Eine Gemeinschaft, die nach dem Modell landwirtschaftlicher Kooperativen bzw. »solidarischer Landwirtschaft« funktioniert, wobei man durch einen monatlichen Beitrag ein Netz von »Werdensbegleitern« unterstützt und deren Rat und Begleitung in Anspruch nehmen kann.
-ES GEHT UM DAS AUFSPÜREN DER »IDEE EINES WÜRDEVOLLEN LEBENS«, DIE FÜR DIESEN SPEZIFISCHEN MENSCHEN ANGELEGT IST.-
Zu einer ersten Verwirklichung dieser Idee bietet Wilfried Belschner zusammen mit den Ko-Intitiatoren Franz-Theo Gottwald, Vorstand der Schweisfurth-Stiftung und Honorarprofessor für Umwelt-, Agrar- und Ernährungsethik an der Humboldt Universität Berlin, Thilo Hinterberger, Professor für Angewandte Bewusstseinswissenschaften in der Psychosomatischen Medizin am Universitätsklinikum Regensburg und Sabine Poetsch, Dipl.-Kauffrau und Coach, eine Weiterbildung in der »Kunst der Werdens-Begleitung« an. Die Initiatoren verstehen ihre Idee aber vor allem als ein offenes Angebot an alle, die an einer neuen Werdens-Kultur mitwirken wollen und laden zur Ko-Beantwortung der Fragen ein, die sich bei der konkreten Umsetzung einer solchen »Kooperative Werden« stellen.