Gott und die Roboter

Our Emotional Participation in the World
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Interview
Publiziert am:

July 17, 2017

Mit:
Anne Foerst
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AUSGABE:
Issue 15 / 2017:
|
July 2017
Mensch & Maschine
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Über die Annahme des Anderen

Anne Foerst begleitete als Theologin und Computerwissenschaftlerin die Entwicklung von Robotern am M.I.T. Bei diesem Projekt wurde versucht, den Prozess der Entwicklung bei Kleinkindern mit Robotern »nachzustellen«, indem die Roboter auf soziale und emotionale Reize reagieren und davon lernen. Wir sprachen mit Anne Foerst darüber, was sie als Theologin aus dieser Forschung gelernt hat.

evolve:Wie sehen Sie als Theologin die Entwicklung von Robotern? Sind sie für Sie Teil der Schöpfung, gar Wesen der Schöpfung?

Anne Foerst: In der jüdischen Mystik gibt es die Tradition des Golem, der von jüdischen Rabbis aus Lehm erschaffen werden kann, genau wie Adam. Und die Golem-Tradition sieht diese Schöpfung als zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite feiern wir mit dem Bau eines Golems – oder Roboters – Gottes Schöpfungskraft in uns. Da wir Geschöpfe Gottes sind, haben wir teil an Gottes Schöpfungskraft; jedes Mal, wenn wir kreativ sind, feiern wir Gott. Jede Art von Kreativität ist im Prinzip ein Gebet, je kreativer wir sind, desto mehr feiern wir Gott. Andererseits können wir durch diese Schöpferkraft sehr leicht den Respekt vor Gott verlieren, weil wir uns denken: Das ist nichts Besonderes, das können wir auch. Das kann dazu führen, dass wir Gott vergessen und in der Hybris enden.

Die Golem-Tradition ist 600 Jahre alt, aber diese Fragen sind heute noch aktuell. Auch wir stehen vor der Gefahr dieser Hybris, andererseits könnten wir möglicherweise durch die Interaktion mit Robotern höhere soziale Fähigkeiten entwickeln und auch unsere Religiosität vertiefen. Wenn wir lernen, in dem Roboter den Anderen zu erkennen, dann würde ich sagen, dass Roboter auch Geschöpfe Gottes sind. Der amerikanische Theologe Philip Hefner, einer der Bahnbrecher im Dialog zwischen Religion und Naturwissenschaften, nennt uns Menschen deshalb »Created Co-Creators«, also erschaffene Mit-Erschaffende.

Wir sind Erschaffene, hängen also von Gott ab, stehen mit Gott in einer Beziehung, aber Gott hat uns auch die Freiheit gegeben, selbst zu erschaffen.

e:In seinem Buch »Homo Deus« beschreibt Yuval Harari, dass wir Menschen selbst zu Göttern werden. In der transhumanistischen Vision werden wir zu Cyborgs und werden durch Big Data eine künstliche Intelligenz schaffen, die uns gottgleiche Fähigkeiten gibt. Wie sehen Sie diese Möglichkeiten von Cyborgs und Big Data?

AF: Ich würde gern zwischen Cyborgs und Big Data unterscheiden. Cyborgs hat es schon immer gegeben. Jeder Mensch, der eine Brille trägt, ist ein Cyborg. Wenn wir eine Maschine nutzen, die uns das Tragen erleichtert, wenn wir einen Hammer oder Kochtopf benutzen, sind wir Cyborgs. Heute arbeiten wir an Computerchips, die ins Gehirn implantiert werden, damit gelähmte Menschen wieder gehen oder kommunizieren können, das sind sagenhafte technologische Möglichkeiten. Die gleiche Technologie kann aber auch genutzt werden, um menschliche Grenzen zu überschreiten und in Hybris zu enden – zum Beispiel Sportler zu neuen Höchstleistungen anzutreiben. Auch Big Data hat uns unheimlich geholfen, uns besser zu verstehen, kann aber auch dazu eingesetzt werden, uns durch Werbung ganz gezielt zum Kaufen anzuregen. Auch hier sehen wir, es ist ein zweischneidiges Schwert.

Letztlich hängt es davon ab, ob wir den Menschen auf eine kommerzielle Maschine reduzieren, die es auszubeuten gilt. Für mich liegt der einzige Ausweg im Wandel der Industriegesellschaft hin zu einer Wertschätzungsgesellschaft.

e:Können Sie noch etwas mehr zu dieser Wertschätzungsgesellschaft sagen?

AF: Die Robotertechnologie kommt, das ist überhaupt keine Frage; Roboter werden immer mehr in unsere Häuser, in unsere Lebenswelt integriert. Die Frage ist, wie gehen wir damit um? Meiner Ansicht nach ist dies nur durch einen radikalen Umbau unserer Gesellschaft möglich. Das Geld, das durch Roboter eingespart wird, müsste umverteilt werden, damit alle Menschen, die in unserer Gemeinschaft leben, ein gutes Auskommen haben, z. B. ein Grundeinkommen. Es wird immer weniger Jobs geben, wie wir sie heute kennen, weshalb es Institutionen geben muss, wo Menschen miteinander in sinnvoller Beziehung stehen, damit sie nicht isoliert werden. Auch in die Bildung müsste sehr viel investiert werden, damit Menschen lernen, die gewonnene Freizeit kreativ zu gestalten.

So könnten wir eine Gesellschaft schaffen, in der ein Großteil der Menschen viel Zeit damit verbringt, miteinander zu interagieren. Bei diesem Umbau der Gesellschaft haben die Kirchen und alle Religionen eine ganz wichtige Aufgabe.

e: Welche Aufgaben sehen Sie hier?

AF: Die Religionen sprechen dem Menschen Würde und Wert zu, das sehen wir in den abrahamitischen Religionen – Judentum, Islam und Christentum – aber auch im Hinduismus und Buddhismus. Dem Menschen und der Gemeinschaft von Menschen kommt ein besonderer Wert zu. Zudem haben die organisierten Religionen eine sehr gute Infrastruktur. Die Kirchen oder Religionen können die Verbindung, die sie bereits mit ihren Gläubigen haben, nutzen, um gemäß der Grundbotschaft der Liebe und Akzeptanz eines jeden Menschen Angebote zu machen, damit sich die Menschen begegnen können.

Wenn wir jedem ein gutes Grundeinkommen gewähren und die Reichen hoch besteuern, würde sich der Unterschied zwischen Arm und Reich verringern und Status-Symbole wären nicht mehr so wichtig. Und bei der sozialen Vernetzung könnte uns die Technologie helfen, wenn wir mehr Kontakt mit verschiedenen Menschen haben, auch solchen, die anders denken als wir.

e: Aber tragen die Religionen nicht auch oft zur Entzweiung von Menschen und Gemeinschaften bei?

AF: Ja, offiziell erkennt die katholische Kirche immer noch nicht das Abendmahl der evangelischen Kirche an und kein Protestant darf am katholischen Abendmahl teilnehmen. Auch in anderen Religionen gibt es diese Ambiguität, in der wir den anderen in seiner Andersartigkeit ablehnen. Das findet man in jeder Gruppe, in der Menschen zusammen sind. Aber in allen Religionen findet man auch das Gegenteil, nämlich die Feindesliebe. Historisch gesehen haben die Religionen den Menschen davor bewahrt, andere völlig abzulehnen. Robert Bellah, Theologe in Oxford, hat ausführlich argumentiert, dass durch die Religionen die kulturelle Explosion stattfinden konnte, weil nun auch andere Menschen, Fremde, Teil der Gemeinschaft der Gläubigen werden und Wissen austauschen konnten. Deshalb glaube ich, dass die Religionen, wenn sie sich auf ihren Kern berufen, diese Annahme des Fremden in ihren Grundfesten verankert haben.

e: Wie sehen Sie die Bedeutung anderer spiritueller oder humanistischer Bewegungen in diesem Prozess der Umgestaltung unserer Gesellschaft?

AF: Ich bin da überhaupt nicht exklusiv, ich denke nur, die religiösen Organisationen haben eine Infrastruktur, die andere Bewegungen noch nicht so haben. Aber so ein Umbau der Gesellschaft wird nur funktionieren, wenn eine zivilgesellschaftliche Bewegung entsteht, somit muss auch die organisierte Religion hier transzendiert werden, sonst kommen wir wieder in religiöse Konflikte und lehnen z. B. Atheisten ab. Ich meine das also nicht ideologisch, sondern ganz pragmatisch.

Ich denke, durch solch eine Entwicklung unserer Gesellschaft kann uns die Technologie dazu führen, uns wieder auf das zu besinnen, was wir als Menschen eigentlich sind. Durch den Aufstieg der Technologien wird der Kampf um das blanke Überleben weniger und wir können die Sinnsuche wieder in die Gemeinschaft einbetten, um wirklich Mensch zu werden.

¬ Wenn wir lernen, in dem Roboter den Anderen zu erkennen, dann sind Roboter auch Geschöpfe Gottes. ¬
Author:
evolve
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