Sichtbar gemachte Energie
Diese Ausgabe von evolve konnten wir mit Arbeiten von Eva Dahn-Rubin gestalten. Wir sprachen mit ihr über die Beweggründe ihrer Kunst.
April 16, 2020
Diese Ausgabe konnten wir mit Fotos der Arbeiten von Stefanie Welk gestalten. Wir sprachen mit ihr über ihre Kunst.
evolve: Wie sind Sie zur Kunst gekommen? Und was hat Sie dazu bewogen, mit dem Material Draht zu arbeiten?
Stefanie Welk: Kreativ war ich schon immer, das liegt in meiner Natur. Ich habe schon immer Theater gespielt, gemalt und mich auf verschiedenen Wegen ausgedrückt. Mit 19 Jahren gab es dann diesen einen Moment, als ich auf der Suche nach Material war und im Keller meiner Eltern eine Rolle mit Blumendraht fand. Ich nahm den Draht in die Hand und entdeckte dieses Material für mich. Ich war fasziniert davon, mit dieser aufgewickelten Linie im Raum zu arbeiten. Ohne Ausbildung, ohne Lehrer und ohne Vorbild hat sich meine Kunst aus sich selbst heraus immer weiterentwickelt.
Ich hatte schon Werke aus Draht gesehen und wusste, dass es möglich ist, Draht als künstlerisches Material zu verwenden. Im spielerischen Umgang entwickelte sich dann mein eigener Ausdruck. Relativ schnell habe ich für mich den menschlichen Körper als Thema entdeckt und fand diese Auseinandersetzung sehr spannend. Da der Körper in einer bestimmten Art und Weise aufgebaut ist, habe ich eine klare Führung und kann diese Formen mit dem Draht von innen heraus nachvollziehen.
e: Wie entstehen die Ideen für die Arbeiten?
SW: Sie kommen meistens intuitiv zu mir. Es ist ein inneres Bild, das auch meistens schon sehr vollständig ist. Dieses Bild setze ich dann um. Die Entwicklungen, die Sie auf meiner Webseite gesehen haben, sind das Produkt von vielen Jahren in vielen kleinen Schritten. Über 25 Jahre habe ich dieses Thema ständig weiterentwickelt. Am Anfang waren die Figuren dicht gewickelt und abgegrenzt, fast wie kleine Mumien, sehr körperlich. Und dann haben sich daraus Tierkörper entwickelt – Hörner, Flügel und mythologische Gestalten wie der Minotaurus. Daraus ergaben sich wieder neue Richtungen, auch mit Bezug zum menschlichen Körper. Die Drähte breiteten sich mehr in den Raum aus und die Trennung zwischen Körper und Raum war nicht mehr so klar. Energiefelder entstanden um die Körper herum, haben diese durchdrungen und wieder neue Räume geschaffen.
e: »Entwicklung« ist eines Ihrer Themen. Viele Arbeiten drücken das aus mit einer Beziehung zu »Aufbruch«, »In-Bewegung-Sein« und »Ineinem-Prozess-Sein«. Können Sie dem zustimmen?
SW: Ja, es geht mir immer wieder um ein Aufbrechen, um persönliche Grenzen zu überschreiten, mich in Neues hineinzuentwickeln und dem in der Kunst Ausdruck zu geben. Ich habe dafür eine positive Bildersprache für mich entdeckt, dieses Ausschlüpfen, Springen, Fliegen, Laufen, der Sprinter als häufig vertretene Figur.
e: Unser Magazin hat das Thema »Reifung«. Können Sie sagen, was für Sie Reifung bedeutet?
SW: Ich glaube, dass Reifung nie endet, solange wir Menschen sind. Es es ist ein beständiger Entwicklungsweg, der sich durch uns Menschen verkörpert, was sich ja auch in meinen Arbeiten zeigt. Für mich selbst bedeutet das, eine größere innere Ruhe zu entwickeln und diese Stürme und schwierigen Emotionen nach und nach in mehr Gelassenheit zu überführen. Und auch die Schwierigkeiten im Leben nutzen zu können und ihrer bewusst zu werden, und zu erkennen, dass ich die Schöpferin meines Lebens bin – sodass ich nicht versuche, Schwierigkeiten im Außen zu lösen, sondern im Innern.
e: Gibt es für Sie Reife oder Reifung auch in Bezug auf Ihre Kunst? Oder ist das nicht die richtige Kategorie?
ES GEHT MIR IMMER WIEDER UM EIN AUFBRECHEN, UM MICH IN NEUES HINEIN ZU ENTWICKELN.
SW: Ich denke, die Reife entwickelt sich ganz automatisch, weil ich immer wieder feststelle, dass ich in Verhaftungen steckenbleibe. Wenn ich spüre, dass ich mich wiederhole oder etwas automatisch wird. Dann entsteht ein Druck dahingehend, mich wieder in etwas Neues hineinzuentwickeln. Wie eine Schlange, die sich häutet. Diesen Prozess kenne ich sehr gut: Anfangs das Gefühl von Verhaftetsein, von Genervtsein, von Feststecken und dann kommt ein Durchbruch in etwas Neues hinein. Das Thema »Körper« verfolge ich ja schon sehr lange über etliche Entwicklungsschritte bei gleichzeitiger Vertiefung. Ich glaube, über dieses »Dranbleiben« mit entsprechender Auseinandersetzung entsteht Reifung ganz automatisch.
Das Gespräch führte Mike Kauschke.