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Ist es möglich, die Medizin zu heilen? Für Klaus-Dieter Platsch ist dies nicht nur eine Vision, sondern ein gangbarer Weg zu einem ganzheitlicheren Verständnis von Menschsein und den Prozessen der Heilung. Diese integrale Medizin lehrt er in einem Begleitstudium für Medizinstudierende und Ärztinnen und Ärzte. Das einjährige Studium Caring and Healing findet während der Semester ortsunabhängig online statt und in den Semesterferien in Präsenzzeiten. Durch eine Kooperation mit der Steinbeis Hochschule ist das Studium akademisch legitimiert und verbindet Wissen der Ganzheitsmedizin, Meditation sowie Ansätze aus integraler Theorie, Dialog und Psychologie.
evolve: Was ist der Kern des Projekts Caring and Healing?
Klaus-Dieter Platsch: Im Kern von Caring and Healing steht die Möglichkeit, sich selbst immer mehr als Heilmittel, als heilsame Persönlichkeit zu entwickeln. Zudem wollen wir weitere Perspektiven von Medizin aufzeigen, die über das biopsychosoziale Modell hinausgehen und eine integrale Medizin ermöglichen – eine Medizin, die das Ganze des Menschen im Blick hat. Wir vermitteln wissenschaftliche Erkenntnisse, die in der Medizin noch kaum berücksichtigt werden, jedoch ein tieferes Verständnis von Heilungsprozessen ermöglichen, wie z. B. Feldtheorien, Kybernetik bis hin zur Quantenphilosophie.
Bei Caring and Healing geht es sowohl um Wissensvermittlung als auch um die Unterstützung im inneren Entwicklungsprozess, für den wir Räume der Erfahrung und des Übens bieten. Ein Grundelement ist die Praxis der stillen Meditation. Darüber hinaus gibt es viele Erfahrungsräume und Übungen, in denen es um Fragen von Verbundenheit und Liebesfähigkeit geht. Wir fördern die Selbsterkenntnis, damit die jungen Menschen ihre Ich-Struktur kennenlernen, um mit den eigenen psychologischen Themen umgehen zu können und aus Projektionsflächen herauszutreten. Wichtig sind uns insbesondere Übungsräume der tieferen Wahrnehmung, die auch subtile, unsichtbare Ebenen mit einbeziehen. Ein einfaches Stichwort dafür wäre Intuition, die jedoch nur einen Bruchteil dessen ausmacht, was uns als größere Bewusstseinsmöglichkeit zugänglich ist. Die Studierenden üben, mit ihrem Wollen, ihren Vorstellungswelten und ihrem Wissen zur Seite treten zu können, um einen unverstellten Raum der Wahrnehmung freizumachen. Dadurch kommt es zu offeneren Begegnungen und einer Wahrnehmung des ganzen Menschen, insbesondere des Unausgesprochenen und des nicht vordergründig Ausgedrückten. Das ist für das Erkennen dessen, was ein Patient jenseits von Diagnose oder Therapie für seinen Heilungsprozess braucht, ein großer Schatz.
e: Wie würdest du eine heilsame Persönlichkeit beschreiben?
KDP: Ein wesentlicher Aspekt ist die Frage, worauf ich mich ausrichte. In der gängigen Medizin richten wir uns an dem Krankhaften, an der Pathologie aus. Aber wir können uns auch an dem Gesunden, an dem gesunden Potenzial des Menschen ausrichten. Dazu gehört das Wissen, dass alles, was jemand zur Heilung braucht, in ihm selbst angelegt ist. Eine heilsame Persönlichkeit bedeutet zudem, um die Rolle des Bewusstseins und einer liebenden, offenen Haltung bei der Heilung zu wissen und damit zu arbeiten.
e: Eine heilsame Persönlichkeit zu entwickeln, ist ja ein hoher Anspruch. Wie gehen die Studierenden mit dieser Möglichkeit um?
KDP: Es ist erst einmal ein Ankommen. Diejenigen, die in unser Studienjahr kommen, sind oft sehr enttäuscht von ihrem Studium. Sie haben erwartet, dass es in der Medizin in erster Linie um die Menschen geht, dass in der Arzt-Patient-Beziehung ein Raum von Menschlichkeit, Fürsorge oder gar Liebesfähigkeit entsteht. All das erleben sie in der Regel nicht. Ich kenne nicht wenige, die das Studium an den Nagel hängen wollten. Aber das sind genau diejenigen, die wir für den Wandel der Medizin brauchen. Wenn sie zu uns kommen, sind sie einfach nur glücklich, dass diese menschlichen Fragen angesprochen werden, und sie ein Handwerkszeug bekommen, um das – auch innerhalb des Systems – zu leben und die Medizin damit zu wandeln.
Fürsorge und Liebe werden zu einer Kraft, die die Heilung unterstützt.
e: Wie erlebst du die Dynamik zwischen den Studierenden, die gemeinsam durch diesen Prozess gehen?
KDP: In dieser Arbeit entsteht ein ganz besonderer Wir-Raum. Wir sitzen meist im Kreis und man könnte sagen, dass unser Wir aus 25 einzelnen Menschen besteht. Auf einer Ebene ist das sicher so, aber viel stärker ist das Erleben, dass sich zwischen uns ein kraftvolles Feld bildet. In diesem kraftvollen Feld besteht eine Verbindungsmöglichkeit und Resonanzfähigkeit, die wesentlich stärker ist als nur in der Interaktion von Person zu Person. In dem Feld entsteht eine hohe Energie, die die Prozesse bei Einzelnen oder in der Gruppe in ein höheres Potenzial überführt. Wir bilden ein in sich geschlossenes Gefäß, die Gruppe geht als Ganzes, als ein lebendiger Organismus und ein miteinander verbundenes Feld durch das ganze Jahr. Dabei kommt die Entwicklung jedes Einzelnen mit den anderen in Resonanz.
Die Studierenden spüren dieses Wir-Feld unmittelbar durch das Miteinander, das wir praktizieren. Sie nehmen es aber auch im virtuellen Raum wahr, wenn wir uns zum Online-Teaching treffen. Wir machen Wahrnehmungsübungen, in denen wir in dieses Feld, das wir miteinander kreieren, hineinspüren. Es ist wichtig, eine Wahrnehmung für diesen Zwischenraum zu entwickeln, der auch zwischen dem Arzt/der Ärztin und dem Patienten existiert. Diese Verbundenheit ist weitaus tragfähiger und enthält viel mehr Informationen, als wir es gewöhnlich für möglich halten, und begründet ein tiefer gehendes Vertrauen.
e: Du sprichst von der Liebesfähigkeit als Teil ärztlicher Kompetenz. Warum ist dir gerade das ein tiefes Anliegen und wie kommt das bei den Studierenden an?
KDP: In der Medizin kennen wir den Begriff der Empathie. Empathie bedeutet, dass ich mich in den Anderen einfühlen kann. Das ist eher eine Wahrnehmung. Wenn wir Liebe jedoch erst einmal richtig verstehen, ist sie ein innerer »Ort«, von dem aus wir mit unserem Gegenüber in einer offenen, bejahenden Weise umgehen. Dieses Ja zum anderen Menschen wird vom Patienten so wahrgenommen, dass dort jemand ist, der ihn annimmt und liebevoll behandelt. Das ist eine der Grundvoraussetzungen dafür, dass der Same von Heilung aufgehen kann. Wenn solch eine liebende Atmosphäre nur ein wenig mehr in der medizinischen Landschaft existieren würde, hätten wir eine ganz andere Medizin und keine Krankenhäuser, sondern Heilungs- und Gesundheitshäuser.
In Caring and Healing sind wir über ein Jahr lang zusammen und können diese Herzöffnung üben, die wir letztendlich auch in der Meditation praktizieren. Das ist etwas anderes, als einen Empathie-Kurs an der Uni zu machen und viel über Empathie zu wissen, denn dadurch wird man noch lange nicht empathisch.
e: Was du damit ansprichst ist ein anderes Verständnis von Heilung. Was verstehst du unter Heilung?
KDP: Heilung ist viel mehr als nur die Abwesenheit von Symptomen. Heilung ist für mich sogar möglich in den Situationen, wo jemand nicht gesund werden kann. Es gibt sogar ein Heilsein im Sterbeprozess. Für mich ist Heilung immer dann, wenn das, was im Augenblick da ist, seinen Platz bekommt und voll integrierbar wird. Erst dann kann ich dafür Verantwortung übernehmen und kann schauen, was zu tun ist, um wieder gesund zu werden. Heilung ist mehr ein umarmender, integrierender Prozess, als ein ausschließender. Die moderne Medizin ist stark auf das Tun konzentriert. In Caring and Healing legen wir Wert darauf, dass neben dem Tun auch das Da-Sein wichtig ist. Wenn ich als Arzt oder Ärztin für den Patienten in seiner Not da bin und seine Not teile, ohne gleich etwas tun zu müssen, dann entsteht ein Raum des Vertrauens. Hier kommen Caring und Healing zusammen: Fürsorge und Liebe werden zu einer Kraft, die die Heilung unterstützt.
Author:
Mike Kauschke
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