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Ende November war ich zur HerzAuf!Stand in Berlin. Für drei Tage entstand dort ein ko-kreativer Forschungsraum zur Verbindung von innerem und äußerem Wandel mit etwa 500 Menschen. Für evolve sprach ich mit Alma Maja Ernst und Melanie Reichert, den Initiatorinnen der HerzAuf!Stand, über Verbundenheit, Poesie und die Integration von innerlichem Wandel und Aktivismus.
Als ich am Freitagabend ankomme, steht eine Schale mit großen Geldscheinen am Eingang. Zur »Umfairteilung« kann nach eigenem Ermessen Geld hineingelegt und herausgenommen werden. Eine Seite des Raums ist von einem bunten Buffet gesäumt. An der anderen Seite wird Wesentliches der Veranstaltung auf mehreren Metern an der Wand aufgezeichnet. Auf dem Podium Poetry Slam. Am folgenden Tag haben etwa 20 Initiativen Info-Stände im Raum aufgebaut, parallel gibt es ein vielseitiges Programm von Workshops: von der Kunst des Loslassens über Aktionstraining bis zu Selbstreflexion von Privilegien und nachhaltigem Konsum.
evolve: In den Mittelpunkt von HerzAuf!Stand stellt ihr die Verbindung von Selbstfürsorge und Weltfürsorge. Wie erlebt ihr diesen Zusammenhang von innerem und äußerem Wandel?
Melanie Reichert: Das ist oft wie zwei Fronten, die aufeinandertreffen. Doch in mir gibt es diese Trennung nicht. Und ich weigere mich, in eine der Schubladen »Aktivisti«, »Spiri« oder »Öko« gesteckt zu werden! Mir geht es darum, eine Balance zwischen Weltund Selbstfürsorge zu finden, ohne mich in einem der beiden Aspekte zu verlieren.
Für mich sind die beiden Aspekte nicht gegenübergestellt. Es geht ja heute nicht nur um die Ressourcen der Erde, es ist ebenso die Frage, wie wir mit unseren menschlichen Ressourcen umgehen. Dabei heißt aktiv zu sein ja nicht nur Widerstand zu leisten, sondern auch Alternativen aufzubauen. Wir könnten vielleicht darauf warten, uns selbst zu erkennen. Aber die Welt wird nicht viel länger darauf warten, gerettet zu werden. Für viele Menschen geht es um das reine Überleben. Mit HerzAuf!Stand wollen wir dazu motivieren, unsere Chance, die Welt mitzugestalten, wahrzunehmen, für dieses Privileg dankbar zu sein und es zu nutzen.
e: Was hat euch dazu gebracht, HerzAuf!Stand anzustoßen, und was ist euer Anliegen?
MR: Alma und ich haben unabhängig voneinander einen Radiobeitrag zu Sacred Activism im WDR gehört. Daraufhin entstand der Impuls, diese Messe zu organisieren.
Alma Maja Ernst: Im Grunde geht es um Verbindung – mit uns selbst, unserem Körper, unseren Gefühlen, unseren Mitmenschen und zu unserem Ursprung. In all diesen Bereichen sehe ich eine Beziehungskrise, ich erlebe so viel Verbindungslosigkeit in der Welt. Dabei ist eigentlich alles immer in Verbindung. Wenn du die Welt als Atome betrachtest, siehst du es. Oder wenn du alles als Energie betrachtest. Aus anderen Perspektiven können wir die Verbindung zwischen allem nicht so leicht erkennen. Aber wenn ich mich auf diese Vorstellung einlasse, dass alles miteinander in Beziehung ist, kann ich es fühlen. Die Vorstellung verändert sofort mein Erleben.
Unsere Gesellschaft analysiert, erklärt, stellt Theorien auf. Ich habe lange versucht, auf dieser rationalen Ebene zu kommunizieren, ohne meine Mitmenschen zu erreichen. Daher schreibe ich gerne Gedichte und Geschichten. Wenn du versuchst, die Teile eines Gedichts oder einer Geschichte zu erklären, dann ist das, was die Magie ausmacht, das Eigentliche, weg. Nur das Ganze kann magisch wirken. Wie bei einem Kaleidoskop: Wenn du es aufbrichst, um die Farbfiguren zu bekommen, sind sie weg!
e: Seht ihr den inneren Wandel als Basis für politischen Widerstand und den Aufbau von Utopien?
AME: Es fängt bei uns an. Wenn du lernst, deine eignen Bedürfnisse zu spüren, kann das politische Auswirkungen haben: Du hörst auf, bestimmte Machtstrukturen zu unterstützen und bestimmte Dinge zu kaufen. Vielleicht merkst du, dass du dich mit den Menschen in deiner Umgebung anders organisieren möchtest oder einen anderen Umgang mit Geld finden willst – das kommt dann aus dir heraus. Du gehst von innen heraus in eine Transformation, dabei sind innen und außen immer in Resonanz. Auch das Äußere wirkt wieder auf mein Inneres. Die politischen Zustände machen mich traurig und wütend. Wenn ich das wahrnehme und daraus agiere, gehe ich in eine lebendige Beziehung, eine Beziehung zwischen innen und außen, und ich gestalte bewusst mit.
Du kannst ebenso von der Meditation zur Aktion kommen wie anders herum. Reiner Aktionismus birgt die Gefahr, dich selbstausbeuterisch zu überarbeiten und aus kleingeistigen, kurzsichtigen Motiven heraus zu handeln. Spirituelle Praxis ohne konkrete Beziehung zum Alltag kann zur bloßen Ablenkung werden. Gelebte Spiritualität hingegen lehrt uns, anzunehmen, was ist, und zu unterscheiden, wann Annahme und wann Aktion dran ist. So viele Menschen meditieren heute, doch wo führt die Übung wirklich zu Wahrnehmung und dem Beenden der Identifikation?
Die Welt wird nicht viel länger darauf warten, gerettet zu werden.
e: Wie sind Innen und Außen, Selbst- und Weltfürsorge, in der Vorbereitung der HerzAuf!Stand zusammengekommen?
MR: Allein darin, dass wir dieses Projekt lieben und mit dem Herzen dabei sind, sind schon Selbst- und Weltfürsorge vereint. Dabei ist das Wichtigste die Verbindung zwischen den Teammitgliedern! Auch als Alma und ich noch zu zweit waren, haben wir uns vor jedem Treffen die Zeit genommen, uns miteinander zu verbinden. Sei es bei einem Tee, einer Kerze oder in Bewegung. Im ganzen Prozess haben wir bemerkt, wie wichtig Verbindung ist. Doch auch den Wandel zu akzeptieren, denn es war nicht immer verbunden und nicht immer nur schön. Wir haben uns auch in Aufgaben verloren. Wenn die Verbindung zwischen uns nicht da war, spürten wir sofort, wie alles aus dem Fluss geriet. Dann wurde es herausfordernd!
e: Gab es dabei besondere oder auch kritische Situationen?
MR: Es gab am Sonntag beim Abschluss eine besondere Situation. Auf den Impuls zweier Graphic Recorder*innen und eines Mitglieds des Global Ecovillage Network aus Kolumbien haben wir als HerzAuf!stand mit rund 100 Menschen ein Manifest für die COP25 in Madrid geschrieben. Innerhalb von rund zehn Minuten hatten wir mit Klarheit, Struktur und Verbundenheit alle wichtigen Punkte für dieses Manifest zusammen, ohne uns in Diskussionen zu verlieren.
e: Ihr habt für eure Veranstaltung das Wort »Messe« gebraucht, das ich mit Kapitalismus, Kurzlebigkeit und Oberflächlichkeit assoziiere. Wieso habt ihr dieses Format gewählt?
MR: Auf der HerzAuf!Stand kreieren wir einen utopischen Ort. Es ist eine Mitmachveranstaltung; tauschlogikfrei, vegan, solidarisch, ökologisch und drogenfrei. Zu diesen Themen haben wir interaktive Räume geschaffen, wie den Konsumfreiraum als Ort des offenen Austausches, das Mitmachbuffet und den Tauschlogikfreiraum, an dem eine Schale steht, um Geld hineinzugeben und herauszunehmen. Um herauszufinden, was passiert, wenn wir Geben und Nehmen voneinander entkoppeln. Damit unterscheiden wir uns von anderen Messen.
AME: Bei einer Messe gibt es Ausstellende, die Ideen präsentieren. Und es geht um etwas Neues: diese Blasen der Spiris, Aktivistis und Ökos zu verbinden.
Wir wollen den Begriff Messe neu füllen – ähnliches sollten wir mit den Begriffen »männlich« und »weiblich« tun. Nicht zuletzt nennen wir uns »Messe und Forschungsraum«. Auch assoziiere ich mit »Messe« im weiteren Sinne die christliche Messe und erlebe darin somit auch die Bedeutung: etwas zu feiern, was ins Leben kommen darf.
Author:
Gerriet Schwen
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