Hüter der Erde

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Essay
Publiziert am:

July 21, 2016

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Ausgabe 11 / 2016:
|
July 2016
Lebendigkeit
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Mitten in Berlin wird mit viel Aufwand das alte Stadtschloss neu errichtet. Es soll das Humboldt-Forum beherbergen, das sich dem Dialog zwischen den Kulturen derWelt widmen möchte. Seit einigen Jahren werden Vertreter indigener Völkereingeladen, die Exponate in den Depots des Ethno­logischen Museums anzuschauen und mit den Wissenschaftlern ins Gespräch zu kommen. Oft können sie über dieBedeutung der dort gelagerten Kultgegenstände Auskunft geben.

ZweiVertreter des kolumbianischen ­Volkes der Kogi besuchten vor ein paar Jahrenebenfalls die Sammlung in Berlin. Sie baten um die Rückgabe zweier Masken, die etwa 500 Jahre alt sind und vor 100 Jahren von einem Ethnologen nach Berlin gebracht wurden. Es ist ihr Anliegen, sie entsprechend ihrer Ritualfunktion wieder zum Einsatz zu bringen. Die Kogi sehen sich als Hüter der Erde undfühlen sich dafür verantwortlich, das ökologische Gleichgewicht in der eigenen Region und darüber hinaus zu bewahren. Über diese Masken lässt sich eine Verbindungzu den Ahnen herstellen. Hermann Parzinger, der Präsident der StiftungPreußischer Kulturbesitz, kann sich eine Aufbewahrung dieser wertvollenKultgegenstände nur unter musealen Bedingungen vorstellen. Die Aussage, dass esden Masken im Museum nicht gut gehe, erreicht ihn nicht.

Die Begegnung dieser zwei Welten wurde von der ZDF-Journalistin Carola Wedel in demFilm »Die Indianer kommen« respektvoll dokumentiert. Sie bekam die Gelegenheit,den Stamm in den Bergen Kolumbiens zu besuchen. Für den naturwissenschaftlichgeschulten Verstand wirken die Lebens­weise und das magische Bewusstsein dieserMenschen primitiv. Ihr Glauben, die Kräfte der Natur durch Rituale beeinflussenzu können, lässt sich leicht belächeln. Dennoch geht von der Ernsthaftigkeit unddem ruhigen, aber bestimmten Verantwortungsgefühl dieses Volkes eine eindeutigeFaszination aus.

Seitich diesen Film gesehen habe, begleitet mich die Frage, was es braucht, damitin einem westlichen Diskurs, der von Rationalität und Materialismus geprägtist, ein magischer Umgang mit unsichtbaren Kräften auf seine Bedeutung befragtwerden kann. Auf einem Demeterhof in der Nähe von Wuppertal erhielt ichweiterführende Antworten.

¬ VON IHRER ERNSTHAFTIGKEIT UND DEM RUHIGEN, ABER BESTIMMTEN VERANTWORTUNGSGEFÜHL GEHT EINE EINDEUTIGE FASZINATION AUS. ¬

Es gehört zu den Besonderheiten der biodynamischen Landwirtschaft, dass derZusammenhang zwischen dem Hof als Organismus und den kosmischen Rhythmen und Energien in den Blick genommen wird. Die sogenannten Präparate spielen dabeieine zentrale Rolle. Es sind vitalisierende Zubereitungen für Boden und Pflanzen. Für ihre Herstellung werden pflanzliche, mineralische und tierischeSubstanzen kombiniert und natürlichen Kräften ausgesetzt, um sie dann inveränderter Form der Natur wieder zuzuführen. Sie werden zum Beispiel inhomöopathischen Mengen dem Kompost, dem Mist oder der Gülle beigegeben. Es gehtbei dieser Arbeit nicht um die Maximierung der Erträge, sondern um eine Harmonisierung des Gesamtzusammenhanges, woraus dann im Idealfall eineQualitätssteigerung der Nahrungsmittel resultiert. Ähnlich wie bei den Ritualender Kogi lösen diese Vorgehensweisen oft Verwunderung und Kritik aus.

Die Präparate können selbst angerührt werden, aber sie werden auch als fertigeMischung verkauft. Man kann sie zu Fuß austragen oder einen Aufsatz für denTraktor besorgen. Mit einer regionalen anthroposophischen Übungs- und ­Forschungsgruppetrafen wir uns Anfang Juni auf einem Demeterhof und erfuhren von Ulfert, demBauern, dass er während des Austragens Gebete spricht. Auf Nachfragen stelltesich immer deutlicher heraus, wie er seit 14 Jahren gewissenhaft, ausdauerndund mit einer forschend-fragenden Haltung mit der feinstofflichen und geistigenWelt kooperiert. Auch seine Arbeit entspringt einem Empfinden, Hüter der Erdezu sein und somit die Verantwortung für ein gesundes Gleichgewicht zu tragen.

Es war ein großes Geschenk zu erleben, wie jemand mit großer Konsequenz dieseHerangehensweise pflegt – ganz konkret, vor Ort, da wo er ist, mit denSchwierigkeiten des Alltags, die sich auftun, wie kranke Kühe, ungünstigesWetter und Felder, die bewirtschaftet werden müssen. Auf der Suche nach einemheilsamen, zeitgemäßen Umgang mit den Böden, den Hecken, den Tieren undPflanzen hat er eigene Vorgehensweisen entwickelt. Sehr bescheiden, undvertrauend auf das, was größer ist als der Mensch, war er darum bemüht, ohnesein Eigeninteresse aufzuzwingen, eine klare Intentionalität zum Ausdruck zubringen.

Als er zwei Tage nach diesem intensiven und erhellenden Austausch völlig unerwartetstarb, war es, als ob er der Gruppe ein Vermächtnis hinterließe. Selten hatteer über seine Tätigkeit gesprochen. Es brauchte eine Gruppe von Menschen, dieInteresse zeigte, Fragen stellte und seine Zweifel und Erfahrungen mit eineroffenen Haltung annehmen konnte. Eine Gruppe, die die Bereitschaft hat,nachzuvollziehen und zu erforschen, wie die Kooperation mit dem Feinstofflichenund dem Geistigen Form annehmen kann.

Author:
Griet Hellinckx
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