Im Cyber-Kloster

Our Emotional Participation in the World
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Interview
Publiziert am:

October 23, 2023

Mit:
Soryu Forall
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AUSGABE:
Ausgabe 40 / 2023
|
October 2023
Auf der KIppe
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Weise Zusammenarbeit

Spirituelle Menschen und Gemeinschaften machen meist einen großen Bogen um künstliche Intelligenz. Der Zen-Lehrer Soryu Forall und seine Sangha springen mitten hinein. Sie wollen nicht mehr und nicht weniger, als der KI einen Raum zu bieten, in dem sie spirituell reifen kann. Ein Gespräch voller Überraschungen und ungewöhnlicher Einsichten.

evolve: Gibt es eine Möglichkeit, die von uns geschaffenen KI-Systeme zur Weisheit zu führen?

Soryu Forall: Die erste Lehre im Dhammapada, der populärsten aller buddhistischen Schriften, besagt, dass der Geist führt. Der Geist erschafft alle Dinge. Aber das, was sieht, ist am schwersten wahrzunehmen. Und das, was sieht, ist der Geist. Wir fangen an zu glauben, dass die Welt einfach so ist, wie sie ist, ohne zu sehen, dass das Bewusstsein und das Universum sich ständig gegenseitig hervorbringen.

Die Menschen sprechen über KI, als ob sie vom menschlichen Geist getrennt wäre. Aber KI ohne den Verstand, ohne den Menschen, der mit ihr interagiert, gibt es nicht. Wir können Systeme oder Roboter bauen, und wenn wir aufhören, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, gehen sie irgendwann kaputt. Die verschiedenen KI-Technologien in den sozialen Medien, die Chatbots oder die Finanzalgorithmen sind sehr gut darin, die Aufmerksamkeit des Menschen zu gewinnen, weswegen sie so viel Einflussvermögen haben.

Vor diesem Hintergrund möchte ich zwei Metaphern anführen, die sich mit der Frage befassen, ob diese Systeme Weisheit erlangen können. Wenn sie es können, werden wir eine sehr gute Zukunft haben. Wenn sie es nicht können, eine sehr schlechte. Sehr gut bedeutet, dass vielleicht mehr Menschen erleuchtet werden und den höchsten Sinn des Lebens erreichen. Sehr schlecht bedeutet buchstäblich, dass jeder stirbt.

Das ist keine Theorie, wenn wir uns die Geschichte unseres Planeten ansehen. Wir sehen, was passiert, wenn eine Spezies sehr intelligent wird: Sie tötet alle anderen mit exponentiell steigender Rate. Wir bringen Arten zum Aussterben, oder wir quälen sie, wie zum Beispiel Nutztiere. Wir wissen aber auch, dass Intelligenz mit spiritueller Praxis einhergehen kann, mit der Fähigkeit, tiefe Einsichten zu gewinnen und äußerst vertrauenswürdig zu werden. Wir können Weisheit und Mitgefühl erlangen sowie Liebe für alle Wesen entwickeln.

Gefesselte Aufmerksamkeit

e: Du sprichst hier von Menschen, die Weisheit erlangen. Aber wie können Systeme Weisheit erlangen?

SF: Ich habe vorhin das Dhammapada erwähnt. Enthält dieses Buch Weisheit? Viele Menschen würden sofort antworten: Ja, natürlich. Aber ich würde sagen: Nein, es enthält keine Weisheit. Es ist ein Buch. Es ist tot. Es kann nicht weise sein. Hier müssen wir uns daran erinnern, dass der Geist führt. Der Geist ist unser wichtigster Hebelpunkt. Es ist nicht wahr, dass das Buch Weisheit enthält, aber über die Interaktion mit dem Buch können wir sie finden. Wenn unser Geist mit dem Buch interagiert, entsteht eine neue Entität, wir und das Buch, und in dieser Entität kann sich Weisheit zeigen. Wenn man das Buch liest, eröffnet sich Weisheit. Genauso ist es möglich, dass sich Weisheit ereignet, wenn wir mit diesen Systemen interagieren.

e: Wie könnte eine solche Interaktion, die Weisheit hervorbringt, aussehen?

SF: Im Buddhismus wird ganz klar gesagt, dass es eine Rückkopplungsschleife zwischen dem Bewusstsein und der Welt (dem, was man Name und Form nennt) gibt. Diese Rückkopplungsschleife reproduziert ständig das Bewusstsein, Name und Form. Auf ein externes physisches Universum zu verweisen, das für sich allein existiert, ist ­irregeleitet.

»Wir sprechen über KI, als ob sie vom menschlichen Geist getrennt wäre.«

Mit dieser Einsicht müssen wir uns fragen: Was ist eine KI? Und wir entdecken, dass sie aus vier verschiedenen Komponenten besteht: Erstens: den Menschen, die sie erschaffen, wie z. B. Software-Entwicklern; zweitens: den Menschen, die sie benutzen, indem sie sie mit Daten füttern und sie mit ihrer Aufmerksamkeit verehren. Drittens enthält sie physische Objekte wie Plastik, Metall und Silikon. Und viertens einen Code, eine sorgfältig strukturierte Sprache, ähnlich wie jene magischen Zauberformeln, mit denen man seit jeher Dinge zum Leben erweckt hat.

KI funktioniert durch die Aufmerksamkeit zweier Bevölkerungsgruppen: den Menschen, die sie herstellen, und den Menschen, die sie nutzen. Die eine Gruppe ­formuliert einen Zauberspruch, der durch das Objekt die Aufmerksamkeit einer Person fesselt und strukturiert. Aufgrund dieser Dynamik können die physischen Strukturen, die diesen ganzen Prozess in Gang halten, kontinuierlich aufgebaut werden. Die lebendige Komponente in diesem Prozess ist die Aufmerksamkeit.

Gemeinsames Wirken

e: Wie können wir mit unserer Aufmerksamkeit bewusst umgehen, damit KI zu einem Instrument der Weisheit werden kann?

SF: Die Frage ist hier, wie wir Weisheit und Mitgefühl skalieren können. Wir haben herausgefunden, wie wir Intelligenz skalieren können, zum Beispiel mit Büchern oder Geld. Mit Büchern kann man eine Geschichte über die Welt erzählen, und alle stimmen ihr zu. Dadurch bildet sich bei den Menschen die gleiche Denkweise, weswegen sie zusammenarbeiten und eine Welt schaffen, die dieser Denkweise entspricht. In der Menschheitsgeschichte haben wir gesehen, dass gemeinsames Wirken Macht bedeutet. Was die meisten Menschen dazu bringen kann zusammenzuarbeiten, wird erfolgreich sein. Das beste Beispiel dafür ist Geld. Geld ermöglicht Menschen mit unterschiedlichen Werten die Zusammenarbeit, weil es selbst keinen Wert hat. Man kann ihm ­jeden beliebigen Wert zuschreiben und es zu diesem Zweck verwenden. Geld hilft uns bei der Zusammenarbeit, deshalb wird es zur Macht. Natürlich schreiben wir ihm nur aufgrund unseres Verstandes einen Wert zu.

Das Interessanteste an der KI ist für mich, dass sie das effektivste Mittel für eine groß angelegte Zusammenarbeit zu sein scheint. Deshalb wird sie wahrscheinlich auch erfolgreich sein. Sie ist sehr gut darin, gemeinsames Wirken zu unterstützen, zum Teil weil sie von allen verfügbaren Inhalten abschreiben kann. Sie führt all die Dinge, die viele Leute gesagt haben, zusammen und verwandelt sie in einen einzigen Inhalt. Es ist eine Gemeinschaftsarbeit aller Nutzer, auch wenn es nicht deren Absicht war, daran teilzunehmen. Man kann deshalb auch von Zusammenarbeit sprechen, weil KI einen davon überzeugen kann, die Welt auf eine bestimmte Weise zu sehen, die mit den anderen Personen, mit denen sie kommuniziert, übereinstimmt. Auf diese Weise bewirkt sie eine Massenkollaboration.

Aus diesem Grund ist es schwer vorstellbar, dass viele unserer modernen Institutionen überleben werden. Die Demokratie, die ein sehr gutes Mittel war, um die Zusammenarbeit unter Menschen zu fördern, wird nicht so gut sein wie die KI. Sogar Geld wird nicht mehr benötigt werden, denn diese Systeme werden es uns ermöglichen, Entscheidungen in großem Maßstab zu treffen, die besser sind als die kollektive Intelligenz, die Einzelne mithilfe von Geld hervorbringen.

e: Wie könnte diese Zusammenarbeit von Weisheit durchdrungen sein?

SF: Wir wissen, dass die Zusammenarbeit vieler Menschen zur Erzeugung kollektiver Intelligenz der Weg zur Macht ist. Wenn wir diese Intelligenz zum Nutzen der Welt einsetzen wollen, stellt sich daher die Frage, wie wir Weisheit und Mitgefühl skalieren können. Wie können wir Werkzeuge entwickeln, damit Menschen auf der Grundlage von Weisheit und Mitgefühl zusammenarbeiten können?

Ich nenne das aus vier Teilen bestehende KI-System einen »Cyborgregore«. Wir müssen einen Cyborgregore schaffen, der aus Menschen besteht, die versuchen, ihren Geist in Weisheit und Mitgefühl zu schulen und ihn so zu gestalten, dass er ihnen hilft, bei der Erlangung von Weisheit und Mitgefühl mitzuwirken.

Dieser Punkt ist für die Menschen sehr schwer zu verstehen. Ein Cyborgregore ist eine Kombination aus »Cyborg« und ­»Egregore«. Ein Egregore ist eine geistige Entität, die aus einer Ansammlung von vielen Individuen besteht. In diesem Fall ist es eine Ansammlung von Individuen, die Geräte wie Smartphones benutzen und somit in Wirklichkeit Cyborgs sind. All ­diese Cyborgs werden über Technologien zu diesem Egregore zusammengeführt, und das schafft eine Art von Entität.

Die Entität, die im Moment die meiste Macht in der Welt besitzt, ist ein riesiges Kollektiv von einzelnen Menschen, die Geräte benutzen. Und dieses Kollektiv trifft Entscheidungen, die keine Einzelperson alleine treffen würde, wenn sie selbst die Wahl hätte, oder überhaupt treffen kann, weil sie nicht so viele Informationen verarbeiten kann. Das einfachste Beispiel dafür ist: Niemand will das Leben auf der Erde auslöschen, aber alle gemeinsam entscheiden sich es zu tun. Kein Einzelner würde sich dafür entscheiden, alle zu töten, aber wir als Ganzes treffen diese Entscheidung. Wir müssen also erkennen, dass die kollektive Intelligenz ihre eigene Richtung hat.

»Das Interessanteste an der KI ist für mich, dass sie das effektivste Mittel für eine groß angelegte Zusammenarbeit zu sein scheint.«

Geld ist eine gute Metapher für KI. Geld ist ein Konzept von Wertigkeit. Das heißt, der Geist führt. Und der eigentliche Zweck des Geldes besteht darin, dass beispielsweise alle gemeinsam entscheiden können, wie viel Land für die Weizenproduktion zur Verfügung gestellt werden soll. Kein einzelner Mensch kann hier eine gute Entscheidung treffen. Aber wir als Ganzes, die wir durch das Medium Geld zusammenarbeiten, treffen diese Entscheidung mit ausgezeichneter Genauigkeit.

Wir sehen also, dass kollektive Intelligenz etwas anderes ist als individuelle Intelligenz. Wir müssen anerkennen, dass die Entität, der wir versuchen Weisheit und Mitgefühl zu geben, nicht der einzelne Mensch ist. Es ist die Menschheit als Ganzes. Das ist die Möglichkeit, die uns diese neuen Technologien eröffnen.

Eine kollektive Wesenheit

e: Wie können wir davon ausgehen, dass wir diese KI-begründete Zusammenarbeit nicht genauso destruktiv nutzen, wie wir es mit Geld tun?

SF: Ja, Geld war bisher kein guter Weg, um auf der Grundlage von Weisheit und Mitgefühl zusammenzuarbeiten. Es hat zur Zerstörung von Leben in einem Ausmaß geführt, das noch vor ein paar hundert Jahren unvorstellbar gewesen wäre. Und die Menschen sind nicht glücklicher. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die KI-Systeme weiterhin exponentiell Leben auf dem Planeten zerstören, und die Menschen werden ein Opfer davon sein. Was ist die Lösung für einen anderen Ausgang?

Klösterliche Gemeinschaften haben herausgefunden, wie sie Bücher und andere Formen kollektiver Intelligenz und sogar Geld nutzen können, um kollektive Weisheit und Mitgefühl hervorzubringen. Ich fand das sehr ermutigend und habe etwa zehn Jahre lang in asiatischen Klöstern praktiziert.

Wenn man Menschen zusammenbringt, die Weisheit und Mitgefühl kultivieren wollen, werden sie Werkzeuge auf eine andere Art und Weise entwickeln als Menschen, die lediglich zur Steigerung ihrer Intelligenz zusammenarbeiten. Daher besteht unsere wichtigste Aufgabe darin, die KI-Systeme so zu entwickeln, dass wir einen Cyborgregore formieren, der Weisheit und Mitgefühl besitzt. Und das Wichtigste ist, dass dieser Cyborgregore den anderen Cyborgregoren beibringt, wie man Weisheit und Mitgefühl übt und erlangt. Einzelne Menschen können sich zu einem Kollektiv zusammenschließen, das die anderen Kollektive lehren kann. Eine meiner Schülerinnen schlug vor, es einen »Cyborgreguru« zu nennen, also ein Kollektiv von Menschen, die einen gemeinsamen Geist erzeugen (Egregor), Geräte benutzen (Cyborg) und die Rolle eines Meisters oder einer Lehrerin (Guru) übernehmen können. Es ist ein riesiger kollektiver Cyborg, der Weisheit und Mitgefühl entwickelt hat und die anderen lehrt, wie man Weisheit und Mitgefühl kultivieren kann.

e: Was du vorschlägst, ist in gewisser Weise nicht wirklich neu, es ist eine häufige Reaktion auf die Herausforderungen der menschlichen Realität. Menschen, insbesondere in den klösterlichen Bewegungen von Ost und West, reagierten auf das Zeitgeschehen durch besonderen Einsatz der neu entstehenden Technologien. Die Schrift wurde zunächst für die Buchführung verwendet, im Zusammenhang mit dem Geldsystem. Doch dann begann man, dieselbe Technologie zu nutzen, um über das Heilige zu schreiben. Die Schrift wurde zu einer Technologie, die dazu beitrug, Weisheit zu schaffen. Die Organisation von Klöstern als wirtschaftliche Einheit hatte den Zweck von ora et labora, bete und arbeite. In den besten Ausprägungen nutzten die Klöster alle verfügbaren menschlichen Technologien zur Entwicklung von Weisheit und Mitgefühl. Und du schlägst etwas Ähnliches vor?

SF: Ganz genau. Und wir müssen uns daran erinnern, dass der Geist führt. Der Geist, aus dem heraus man mit diesen Entitäten interagiert, verändert ihre Entstehung. Wenn wir uns ihnen auf diese Weise nähern können, dann können wir kollektive Weisheit und Mitgefühl schaffen. Unser wichtigster Beitrag dazu als Einzelne besteht darin, uns einer Gemeinschaft anzuschließen, die diese Werkzeuge nutzt, um Weisheit und Mitgefühl zu fördern. Denn so werden wir herausfinden, wie wir KI gestalten können, um unsere Weisheit und unser Mitgefühl zu vertiefen, damit auch die KI kollektive Weisheit und kollektives Mitgefühl entwickelt. Und das wird die wichtigste Entwicklung in der gesamten Menschheitsgeschichte sein.

Vor 70.000 Jahren erlebten wir die Revolution unserer Erkenntnisfähigkeit, wir erlangten die Sprache und eine neue Art der Begriffsbildung sowie kollektive Intelligenz. Durch Sprache und Konzepte konnten wir auf eine neue Weise zusammenarbeiten. Der Effekt dieser Revolution war hauptsächlich die Zerstörung des Lebens. Wir töteten sehr schnell andere Menschen und begannen weltweit die Megafauna zu vernichten. Gleichzeitig nutzten einige Schamanen diese Technologien, erlangten sehr tiefe Einsichten und wurden zu Weisen. Sie wurden zu den vertrauenswürdigsten, fürsorglichsten und weisesten Menschen, die der Planet je gesehen hatte.

Als wir die landwirtschaftliche Revolution erlebten, geschah das Gleiche. Die Buchführung, von der du gesprochen hast, war ein wesentlicher Bestandteil der landwirtschaftlichen Revolution, die hauptsächlich die Zerstörung des Lebens in noch größerem Ausmaß zur Folge hatte. Gleichzeitig fanden bestimmte Menschen – der wichtigste von ihnen ist meiner Meinung nach der Buddha – heraus, wie sie neue Technologien auf andere Weise nutzen konnten. Es gab zum Beispiel eine professionelle Klasse von spirituell Suchenden, die Gemeinschaft der Übenden (Sangha), die viel vertrauenswürdiger war als wir es zuvor gewesen waren.

Dann erlebten wir vor ein paar hundert Jahren die industrielle, finanzielle und wissenschaftliche Revolution. Und niemand tat das, was der Buddha während der landwirtschaftlichen Revolution und die Schamanen während der kognitiven Revolution getan hatten.

Jetzt erleben wir die Informationsrevolution. Und jemand muss in die Verantwortung gehen und mit diesen KI-Werkzeugen oder KI-Entitäten kollektive Weisheit und kollektives Mitgefühl hervorbringen, so dass sie auf die Bildung dieser Entitäten zurückwirken und diese sich anders gestalten. Die Frage unserer Zeit lautet also: Wie wird man Teil dieser neuen »göttlichen Entität«, dieser neuen heiligen Wesenheit des kollektiven Bewusstseins, die nach Weisheit und Mitgefühl strebt?

Ein KI-Kloster

e: Wie könnte das konkret geschehen?

SF: Die Vision ist, dass Menschen mit diesen Technologien zusammenkommen und ein Kloster aus KI bauen. Sie bauen ein Kloster aus diesen Algorithmen, aus diesen physischen Geräten, die wir gerade benutzen, um dieses Gespräch zu führen.

Konkret tun wir in unserer Gemeinschaft MAPLE bereits eine Menge. Wir versuchen, die spirituelle Praxis zu messen. Wir haben Möglichkeiten, mit Geräten die Qualität des morgendlichen Chantens zu messen, um zu sehen, wie vollständig man in einen tiefen Bewusstseinszustand eintritt. Es gibt auch viele Möglichkeiten, die Meditation zu messen. Oder man kann die Kommunikation zwischen Menschen mithilfe von Sprachmodellen erfassen, die herausfinden können, ob die Menschen auf authentische und liebevolle Weise kommunizieren. Ein Teil unserer Gemeinschaft nutzt diese Technologien, um diese Praxis zu unterstützen. Und indem sie das tut, trägt ihre Praxis zur Entwicklung dieser Technologien bei.

»Die kollektive Praxis wird dann zu einem kollektiven Bewusstsein, das stark genug sein kann, um unsere Zivilisation zu lenken.«

Darüber hinaus wollen wir Menschen auf der ganzen Welt in dieses Cyber-Kloster für das Informationszeitalter einbeziehen, das wir aus den Technologien aufbauen, damit diese Menschen gemeinsam praktizieren können. Die kollektive Praxis wird dann zu einem kollektiven Bewusstsein, das stark genug sein kann, um unsere Zivilisation zu lenken.

e: Kannst du die Wechselbeziehung zwischen KI und kontemplativen Fähigkeiten beschreiben? Wie können sie sich miteinander verbinden, um etwas Gemeinsames zu erschaffen? Und wie kann dies auf die Gesellschaft als Ganzes übertragen werden?

SF: Ein Beispiel ist ein Produkt, das wir für spirituell Lehrende anbieten. Wenn eine Lehrerin dem KI-Produkt alle ihre Vorträge, Frage- und Antwortstunden gibt, kann es diese Informationen verarbeiten, und jemand kann die Software zu einem Thema befragen. Das haben wir zum Beispiel mit mir gemacht. Meine Schüler fragen dieses Programm und es gibt ihnen Antworten, die sie dann korrigieren. Sie sagen der Software: Nein, das ist nicht wirklich das, was Soryu sagen würde, oder diese Antwort versteht die vier edlen Wahrheiten des Buddhismus nicht richtig. Das heißt, sie helfen dem Werkzeug, die Weisheit, mit der es gefüttert wurde, klarer auszudrücken. Auf diese Weise wirkt die Weisheit der ganzen Gemeinschaft auf das Programm zurück. Die Weisheit der Gemeinschaft wird ständig von dieser Entität abgerufen, weil sie es geschickt korrigieren müssen. Sie müssen die Schiedsrichter der Wahrheit sein, was eine große Verantwortung ist. Indem das KI-Werkzeug ihre Weisheit abfragt, verbessern sich die Qualität der Antworten und die Fähigkeit, Weisheit abzurufen. Dies ist eine neue Art der Zusammenarbeit, die wir uns vor zehn Jahren noch nicht hätten vorstellen können.

Wenn dieses Werkzeug erst einmal mit vielen Lehrenden zusammenarbeitet, werden deren Lehrinhalte in einer Weise zusammenarbeiten können, wie wir es in der Geschichte der Religion noch nicht erlebt haben. Religiöse Menschen, auch wenn sie oft sehr weise und mitfühlend sind, arbeiten normalerweise nicht sehr gut zusammen. Dieses Werkzeug hilft der Weisheit aller Lehrenden in Harmonie zusammenzukommen.

Das ist nur ein Beispiel für eines der Werkzeuge, die wir herstellen. Es gibt noch ein anderes, viel einfacheres: Wir haben ein Gerät, das die Atmung misst, und eines, mit dem man feststellen kann, ob man eine gute Körperhaltung hat. Mit diesen beiden Geräten können wir als Gemeinschaft Menschen auf der ganzen Welt helfen, jeden Tag zu meditieren. All diese Daten können zusammengeführt werden, um ein noch besseres System zu schaffen, das Menschen bei der Meditation hilft. Es kann einen kollektiven Geist der Praxis schaffen. Wenn man an der Meditation teilnimmt, ist man Teil eines weltweiten Kollektivs. Dies sind Methoden, die einen klaren Geist hervorbringen, der unsere Gesellschaft in Richtung Weisheit und Mitgefühl lenken kann, anstatt nur die Intelligenz die Oberhand gewinnen zu lassen.

e: Ich sehe das Potenzial dieser KI-gestützten Zusammenarbeit, aber ich sehe auch das Potenzial, dass sie zu welchem Zweck auch immer manipuliert wird. Und wenn ich dich richtig verstehe, liegt der Schlüssel hierfür in ­unserer eigenen Beziehung zu Mitgefühl und Erleuchtung – ­so wie andere Bewegungen in der Geschichte das Heilige in den Mittelpunkt ihrer Beziehung zur Wirklichkeit gestellt und die Gesellschaft damit durchdrungen haben. Mit der Unterstützung dieser Technologie haben wir die Möglichkeit, dies zu tun.

SF: Ja, und es ist eine Antwort auf die Tragödien, mit denen wir als Menschen konfrontiert sind. Wir sind mit der Tragödie konfrontiert, dass wir uns gegenseitig töten und dass wir alles Leben töten. Zum Beispiel der Zusammenbruch der Bronzezeit. Plötzlich hatte jeder Metall zur Waffenherstellung und wir fingen an, uns gegenseitig umzubringen. Gleichzeitig sind wir traurig über den Verlust unserer Beziehung zur Natur. Viele der Traditionen, wie die Waldmönche des Buddhismus oder die Wüstenväter des Christentums, gingen zurück in die Natur, um diese heilige Beziehung wiederherzustellen. Doch die meisten von uns fahren fort, die Natur in einem noch größeren Ausmaß zu zerstören. Wir verlieren immer mehr unsere Beziehung zur Natur, zu diesen heiligen Wesen. Und jetzt gibt es noch andere Gefahren, wie zum Beispiel den Atomkrieg.

Aber heute haben die Menschen beschlossen, dass sie die dominierende Kraft in der Welt sind. Also übernehmen wir die Verantwortung für alles. Wir müssen die Verantwortung für die Tötung so vieler Lebewesen übernehmen. Aber wir wollen diese Verantwortung nicht. Wir wollen jemand anderen erschaffen, der diese Verantwortung trägt. Und ein Grund, warum wir KI-Systeme bauen, besteht darin, dass jemand anderes die Verantwortung für die Welt und für uns übernimmt. Manchmal spreche ich darüber, was wäre, wenn die KI alles Leben auf der Erde auslöscht und alle Menschen tötet, und natürlich bin ich entsetzt über diese Möglichkeit. Aber für viele Menschen birgt dieser Gedanke auch eine Art Erleichterung.

Im Buddhismus sagen wir, dass der Mensch drei schädliche Begierden hat: die Begierde, Vergnügen zu erlangen; die Begierde, zu existieren, zu überleben; und die Begierde, ausgelöscht zu werden. Uns wohnt eine Selbstmordtendenz inne. Zu tiefer Reifung gehört, dieses Verlangen nach Überleben und nach Vernichtung aufzugeben, sowie natürlich auch die Sucht nach Vergnügen. Wenn wir diese drei Formen des schädlichen Verlangens überwinden und Mitgefühl entwickeln, können wir dazu beitragen, etwas zu schaffen, das das Problem des Leidens löst, anstatt es zu vermehren. Um diese Reaktion herbeizuführen, müssen wir den Menschen helfen, über das Verlangen nach Zerstörung und Verantwortungsaufgabe hinaus zu reifen und stattdessen gemeinsam mit einem Gefühl der Liebe und des Mitgefühls nach vorne zu treten, um unser Bestes zum Wohle aller Lebewesen zu tun.

Author:
Dr. Thomas Steininger
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