im Dienst aller Lebensformen

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Interview
Publiziert am:

January 23, 2023

Mit:
Eduard Müller
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AUSGABE:
Ausgabe 37 / 2023
|
January 2023
Re-Generation
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Gelebte Regeneration in Costa Rica

In Costa Rica gibt es seit langem Initiativen zur Umstellung des ganzen Landes im Sinne einer regenerativen Kultur. Eduard Müller ist maßgeblich an diesem Vorhaben beteiligt und spricht über Möglichkeiten und Hindernisse auf diesem Weg.

evolve: Costa Rica hat in den Bereichen Klima und soziale Entwicklung eine führende Rolle übernommen. Was geschieht zurzeit in Ihrem Land?

Eduard Müller: Nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 haben wir begonnen, über Nachhaltigkeit als etwas zu diskutieren, das einer Integration von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt bedarf. Doch die akademischen Strukturen sind in Disziplinen gegliedert, und so ist es sehr schwierig, einen ganzheitlichen Ansatz zur Lösung unserer Probleme zu verfolgen. 1996 habe ich dann noch Kultur, Politik und Spiritualität hinzugefügt.

Die neoliberale Regierung Costa Ricas hat sich in den letzten Jahren nicht gerade umweltfreundlich verhalten. Die erste Entscheidung des Umweltministers war die Rücknahme der Initiative, die wir mit Dänemark gegen Bohrungen nach Öl und Gas gestartet hatten. Aufgrund stabiler Institutionen und des ­costa-­ricanischen Vertrauens in die Natur haben wir die Regierung und die Korruption zwischen der Regierung und den Unternehmen zu Lasten der natürlichen Welt überlebt.

e: Warum brauchen wir Ihrer Meinung nach alle sechs Bereiche – Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt, Kultur, Politik und Spiritualität?

EM: Bei jedem Entwicklungskonzept müssen wir all diese Aspekte in einem ganzheitlichen Ansatz zusammenfügen, denn wenn wir nur im Bereich Umwelt oder nur im Bereich Wirtschaft arbeiten, werden wir keines der Probleme lösen. Ich habe mit der Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens für regenerative Entwicklung begonnen, der diese sechs Bereiche in einem ganzheitlichen Ansatz umfasst, und die Natur bildet die Grundlage. Es war ein großer Fehler, den Menschen bei der Bewusstmachung der Umweltproblematik zu sagen, wir müssten uns um die Natur kümmern. Die Natur kümmert sich um sich selbst, sie braucht uns nicht. Wenn die Natur nicht funktionieren würde, gäbe es uns nicht.

Wir pflanzen einen Baum und recyceln eine Flasche und denken, wir würden die Natur retten. Aber so geht das nicht, sondern die gesamte künftige Entwicklung muss sich darauf konzentrieren, dass der Mensch sich in den Dienst aller Lebensformen stellt und es der Natur so ermöglicht, besser mit den Menschen zusammen zu existieren. Wir haben nicht das Recht, Insekten durch Kunstdünger und Pestizide zu töten, um Nahrungsmittel zu produzieren. Wir haben nicht das Recht, Flüsse und Ozeane durch den Einsatz von Chemikalien zu vergiften.

¬ WIR SETZEN UNSER WISSEN UND UNSERE TECHNOLOGIE ZUM WOHLE ALLEN LEBENS AUF DIESEM PLANETEN EIN. ¬

Im ersten Papier des Stockholm Resilience Centre zum Konzept der planetarischen Grenzen aus dem Jahr 2009 wurde deutlich, dass der Verlust der biologischen Vielfalt und die Verwendung von Düngemitteln die Hauptursachen dafür sind, dass wir unseren ökologisch sicheren Handlungsspielraum verlieren. Danach folgten Landnutzungsänderung und Klimawandel. Im Jahr 2015 war das Ergebnis dasselbe. Dabei wäre es ein Leichtes, auf den Einsatz von Düngemitteln zu verzichten, denn wir brauchen sie nicht, um Nahrungsmittel zu produzieren. Aber der Einfluss des Unternehmenssektors verhindert dies.

e: Wie haben Sie versucht, eine alternative Praxis aufzuzeigen?

EM: Wenn Rinderfarmen auf der ganzen Welt auf regenerativen Betrieb umgestellt würden (was bedeutet, dass die Rinderzucht bestehen bleibt, man aber dafür sorgt, dass sich das Grasland regenerieren kann), könnten pro Jahr 43 Gigatonnen Kohlenstoff im Boden gebunden bleiben. Das ist mehr, als weltweit ausgestoßen wird. Kommt dazu noch regenerative Landwirtschaft, würde das weitere 12 Gigatonnen bedeuten, und damit wären 150 Prozent des Kohlenstoffs unter der Erdoberfläche gebunden.

In Costa Rica beginnen wir, uns auf dieses Thema zu konzentrieren und 200.000 Hektar in regeneratives Ackerland umzuwandeln, um zu zeigen, dass es möglich ist, das Land durch Kohlenstoffbindung CO2-neutral zu machen. Wir entwickeln Plattformen für die Messung, Berichterstattung und Überprüfung, damit die Welt sehen kann, dass dies tatsächlich möglich ist.

Wir arbeiten auch mit Chile Regenerativo, Mexiko Regenerativo und Kolumbien Regenerativo zusammen, um Lösungen auf globaler Ebene zu finden. Unsere Universität hat mehrere Online-Programme ins Leben gerufen, um Menschen in mehr als 60 Ländern über Regeneration aufzuklären. Wir arbeiten mit bioregionalen Standorten im Regenerative Communities Network, dem Eco Village Network und anderen Netzwerken in Bioregionen zusammen. So können die Studenten online lernen und das Gelernte dann in den Bioregionen anwenden. Wir erfinden praktisch den gesamten Bildungsprozess neu, mit dem Ziel, in den nächsten fünf Jahren 300.000 Schüler auf diese Weise zu unterrichten.

e: Welche Bedeutung hat dabei die Spiritualität als ein Element Ihres ganzheitlichen Ansatzes?

EM: Die Earth Charter zeigt Möglichkeiten auf, bewusster, verantwortungsvoller und respektvoller mit dem Leben umzugehen. Dazu gehört auch eine tiefe Wertschätzung der Natur. Diese vermitteln wir den Kindern, wenn wir sie im Umgang mit der Natur unterrichten. Dadurch können sie in Kontakt mit der Energie der Natur kommen und so lernen, sie zu respektieren. Unser Bewusstsein entwickelt sich, wenn wir in und mit der Natur leben. Wir arbeiten auch mit Meditation, Yoga und anderen Praktiken, um das Bewusstsein zu aktivieren.

Doch auch wenn man seine Umgebung beobachtet und lernt, sie zu verstehen, kann dies geschehen. Es gibt örtliche Gemeinschaften, die erkennen, dass die Insekten ihnen helfen, mehr Lebensmittel zu produzieren, weil sie die Pflanzen bestäuben. Sie erkennen, dass die Regenwürmer mehr sind als nur Köder zum Angeln, sondern auch den Boden regenerieren. Sie beginnen zu erfahren, dass auch sie selbst ein Teil der Natur sind. Das ist die spirituelle Komponente, die eine innere Transformation erfordert. Wir erkennen, dass wir nicht von der Natur getrennt, sondern ein Teil von ihr sind. Und so setzen wir unser Wissen und unsere Technologie zum Wohle allen Lebens auf diesem Planeten ein, durch unsere Kultur und durch alles, was wir tun.

Author:
Dr. Elizabeth Debold
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