Sichtbar gemachte Energie
Diese Ausgabe von evolve konnten wir mit Arbeiten von Eva Dahn-Rubin gestalten. Wir sprachen mit ihr über die Beweggründe ihrer Kunst.
November 5, 2018
Im Frühjahr dieses Jahres erschien das Buch »A New Republic of the Heart« des amerikanischen Vertreters eines »Integralen Aktivismus« Terry Patten. Sein Buch ist Ausdruck eines neuen Zeitgeistes: einer aufgeklärten, evolutionären und engagierten Spiritualität, in der es kein »Entweder-oder« mehr gibt, nicht Spiritualität oder Aktivismus, sondern ein neues »Sowohl-als-auch«. Es geht Patten darum, spirituell-evolutionäre Gedanken mit radikalem aktivistischem Engagement und spirituelle Welt-Innenschau mit persönlichem Wirken in der Welt zu verbinden.
Ich hätte mir in diesem Zusammenhang zusätzlich auch eine klare und mutige Stellungnahme gewünscht, die verdeutlicht, ob dieser Systemwechsel nun eine Weiterführung der kapitalistischen Verwertungslogik ist – also einem neokapitalistischen Modell folgen soll – oder konsequenterweise einen Übergang in ein postkapitalistisches Modell braucht. Denn es wäre dringend nötig, die schon existierenden postkapitalistischen Denkansätze und konkreten Modelle sowie die gelingenden Beispiele herauszustellen, in denen bewusstseins-kulturelle Felder sich mit neuem ökonomischen Handeln verbinden.
Man mag zu dem weltweiten Ansatz der »Degrowth«-Bewegung und ihrer Vision einer »reduktiven Moderne« stehen wie man will, aber mehr und mehr Menschen wird heute bewusst, dass der blinde, von Angst und Gier gesteuerte und scheinbar alternativlose Imperativ von einem unbegrenzten ökonomischen Wachstum auf einem begrenzten Planeten ins Desaster führen wird. Wer das Gespräch über mögliche Alternativen ausblendet und bei integraler Kulturkritik stehen bleibt, übersieht eine erstaunliche Menge und Vielfalt von Gedachtem und bereits Umgesetztem und wird anfällig für »Recuperation« – das heißt die Gefahr, von denjenigen Kräften vereinnahmt zu werden, die sich gerne auch mit integralen Denkgebilden beschäftigen, aber sonst alles beim Alten belassen wollen.
So existieren bereits weltweit Ansätze einer zivilgesellschaftlichen »Bottom-up«-Bewegung, die von der Basis der Menschen aus, von »unten aufwärts«, transformative Prozesse initiieren. Ich möchte beispielhaft aus der Vielfalt dieser Ansätze ein Modell herausgreifen: Die »CSA« (community supported agriculture) setzt diese Art des Wirtschaftens bereits konkret und erfolgreich um und will das ökonomische Handeln möglichst von den Zwängen abkoppeln, Lebensmittel ausschließlich für einen anonymen Markt mit langen Wertschöpfungsketten zu produzieren. Auch in Europa breiten sich diese »Solawi«-Initiativen (Solidarische Landwirtschaft) immer mehr aus. In ihrem Fokus steht die Verbindung von solidarischem Wirtschaften mit Gemeinschaftsbildung und einer gelebten »Ernährungssouveränität«.
Dies hat mich auch persönlich überzeugt, nämlich: gemeinwohl-orientiertes Wirtschaften zu begreifen als eine Art Zukunftslabor, in der die Trennung von Produzenten und Konsumenten aufgehoben wird, und es hat mich ganz konkret bewegt, in meiner Region die Bildung einer neuen Solawi-Gemeinschaft zu initiieren und mit aufzubauen. Im Alltag erlebe ich nun, wie eine Leben spendende, biologische Landwirtschaft »konkret aussieht« und die Existenz einer Gemeinschaft von Menschen sicherstellt, die dort arbeitet und andere in unserer Region ernährt (zu der auch meine Hausgemeinschaft gehört). Neues Denken wird hier mit neuem ökonomischen Handeln, kultureller Kreativität und gelebter Solidarität verbunden.
In der Arbeit unserer Stiftung »Future Now Network Foundation« bemühen wir uns darum, diese »Bottom-up«-Ansätze zusätzlich um eine »Top-down«-Orientierung zu erweitern. Das meint unter anderem auch, durch gezielt initiierte Bewusstseinsprozesse und meditative Praxis einen kollaborativen »Containment-Space« zu kreieren, welcher den Ausgangs- und Reflektionspunkt bildet für sämtliche Stiftungsaktivitäten.
Gemeinwohl-orientiertes Wirtschaften ist eine Art Zukunftslabor.
In der Verbindung dieser beiden Orientierungen könnte eine noch umfassendere integrale Wirkdynamik und Bodenständigkeit entstehen, wenn ökonomisches, ökologisches und kulturell-spirituelles Handeln in gelingenden Projekten, Initiativen, in Stadt und Land, in neuen Institutionen und alltäglichen Wirkfeldern zusammenfließen. Es fordert unsere evolutionäre Kraft heraus und spricht eine Potenzialentfaltung an, die individuell und kollektiv Mut macht, Ganzheit im persönlichen Wirken mit Freude, Verbundenheit und spirtueller Intelligenz zu erfahren.