Mehr Magie

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Interview
Published On:

April 17, 2023

Featuring:
Halea Isabelle Kala
Categories of Inquiry:
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Issue:
Ausgabe 38/2023
|
April 2023
Unsere Weisheit
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Kunst und Metamoderne

Als Künstlerin, Kuratorin, Filmemacherin und Grenzgängerin zwischen verschiedenen Disziplinen experimentiert Halea Isabelle Kala mit der ästhetischen Vermittlung metamoderner und transmoderner Themen. Wir sprachen mit ihr über den Wert unmittelbarer Erfahrung und die Explosion von Bedeutung.

evolve: Wie würdest du deine Arbeit beschreiben?

Halea Isabelle Kala: Meine Arbeit liegt am Schnittpunkt zwischen verschiedenen Mitteln der Kunst und der Wissenschaft. Ich habe oft gemerkt, dass es wunderbare künstlerische Arbeiten gibt, bei denen mir die Kontextualisierung oder die Verbindung zu anderen Kunstformen fehlt. Oder es gibt wundervolle aktivistische Arbeit, die visuell sehr unzugänglich dargestellt wird und in der Vermittlung sehr trocken ist. Ich sehe es als meine Aufgabe, diese Welten zusammenzuführen.

Deshalb ist es für mich ganz wichtig, dass wir mit unseren Veranstaltungen unterschiedlichste Sinne berühren und Räume experimentell bespielen. Ich kuratiere Performance- sowie Musikprogramme und kreiere mit meinem Team multimediale Installationen, die zur Interaktion einladen, so dass die Menschen sich auf unterschiedlichen Ebenen abgeholt und berührt fühlen.

e: Du hast dich mit der Idee von Meta­moderne beschäftigt und auch das Metamodern Arts Festival in Kiew 2019 kuratiert. Was bewegt dich an diesen philosophischen oder transformatorischen Themen und wie versuchst du, sie ästhetisch umzusetzen?

HIK: Ich habe in London studiert und bin dort mit dem Konzept der Transmoderne in Kontakt gekommen. Das hat mich in­spiriert, weil es eine ermächtigende philosophische Idee ist, in der unterschiedliche Bereiche in unserer Gesellschaft zusammengeführt werden. Darin gibt es diesen positiven Fokus auf Ermächtigung: Wir sind alle Mitwirkende und haben das Potenzial, zu einem gesellschaftlichen Wandel beizutragen.

Ich habe dazu den Dokumentarfilm »Transmodernity« gemacht, um das Konzept über den akademischen Bereich hinaus bekannt zu machen. Auch in der Produktion des Films wollten wir transmodern vorgehen. Wir waren drei Frauen und haben eine dynamische Produktionsform entwickelt, wo wir alle Regie geführt sowie Arbeiten bei Produktion, Sound und Video rotierend übernommen haben. Später, als der Film veröffentlicht wurde, habe ich dann von der Idee der Metamoderne erfahren. Bei allen Unterschieden gefällt mir in beiden Konzepten das befähigende Element und der Fokus darauf, dass eine kulturelle Transformation möglich ist. Es ist wichtig, kritisch und auch pessimistisch zu sein. Aber besonders jungen Menschen in unserer Gesellschaft fehlt oft dieses Gefühl, Teil einer möglichen Bewegung zu sein, die konstruktiv unsere Gesellschaft formt.

Zudem sind Transmoderne und Metamoderne Denkansätze, die unterschiedliche Bereiche aus Wissenschaft, Spiritualität und Kunst zusammenführen. Diese Kategorien bleiben bestehen, aber wir können erforschen, wie sie miteinander verwoben sind. Und das ist eine Denkweise, die meinem inneren Ansatz entspricht.

e: Wie versuchst du konkret diese Verknüpfungen herzustellen?

HIK: In meinen Projekten schaue ich mir unterschiedliche Medien, Formate und Kreateur*innen an. Ich möchte Brücken schlagen zwischen Illustration, Skulpturen, Soundkunst und CGI-Animationen – sowie auch zwischen Kunst, Kultur, Wissenschaft und Aktivismus. Die diversen Medien und Inhalte sollen als Gesamtgefüge wahrgenommen werden. Natur, Körper und Technologien verschmelzen hier, um alternative Entwürfe für mögliche Realitäten zu formulieren. Ich sehe es als ein queer-feministisches Future Storytelling. Die Inhalte müssen nicht schön und lieblich sein, aber es gibt eine gewisse Harmonie darin, auch wenn die manchmal erst auf den zweiten Blick zu erkennen ist. Es ist mir wichtig, dass diese verschiedenen Formen in den Dialog miteinander treten.

»Raus aus der Publikumsperspektive, rein ins Co-Kreative.«

Es soll auch nicht nur ein beobachtendes oder besuchendes Erlebnis sein, sondern eine immersive Erfahrung – durch Installationen, die zur Teilnahme aufrufen, durch Performances und orientierte Workshops. Raus aus der Publikumsperspektive, rein ins Co-Kreative.

Im Rahmen der Ausstellung »Corona Culture« präsentierten wir beispielsweise eine Installation des Künstlers Benjamin Langholz, in der ein 300 kg schwerer Stein an einem Drahtseil im Kreis schwang. Die Besucher*innen wurden eingeladen in die Mitte zu treten und den Stein um sich schwingen zu lassen. Eine betörende Erfahrung, zugleich haarsträubend und meditativ.

Im begleitenden Programm der Ausstellung »Menstrualities« gab es an einem Abend die »Pyramid Party«: ein mehrstündiges transkulturelles Drag Ritual, bei dem knapp hundert Menschen an einer geführten Rave-Meditation, techno-scha­manistischen Performances und einem Klangbad teilnahmen.

e: Was ist gegenwärtig der Fokus deiner Arbeit?

HIK: Im Moment arbeite ich vor allem an zwei Projekten. Das eine ist das Menstruation Project, eine langfristig angelegte künstlerische Plattform, in der es um den Menstruationszyklus geht. Diesen körperlichen Rhythmus möchte ich biologisch, aber vor allem gesamtgesellschaftlich in Form von Kunst und Kulturformaten erforschen. Letzten Herbst habe ich dazu in ­Berlin ein großes Ausstellungsprojekt auf über 4000 Quadratmetern kreiert. Gerade entwickeln wir Workshops für Jugendliche und eine Dokumentarfilmserie, in der wir diese Thematik inhaltlich und ästhetisch neu ergründen.

Das andere Projekt ist ein Kinder- und Familienfestival, das ich mit meinem Partner zusammen gegründet habe. Wir haben vor anderthalb Jahren eine Tochter bekommen und sind neu in der »Familienszene«. Wir haben gemerkt, da fehlt uns etwas, wie wir als Eltern und als Kulturschaffende abgeholt werden. Wir haben das Festival 2021 zum ersten Mal veranstaltet und es geht jetzt in die nächste Runde.

Zudem habe ich vor Kurzem das Transition Institute gegründet, ein gemeinnütziges Projekt, für das wir langfristig einen Ort bei Berlin entwickeln, wo Künstler*innen- und Rechercheresidenzen stattfinden, wo Konferenzen und Festivals veranstaltet werden. Das Transition Institute wird verschiedene Projekte zusammenführen, damit sie ganz im metamodernen Sinne im Dialog miteinander verstanden werden können. Transition bedeutet Übergang, Wandel. Damit sagen wir: Wir kommen nie an, sondern wir sind in einem sich stetig wandelnden Prozess und wollen dabei unterschiedlichste Menschen und Ideen zusammenbringen.

e: Wie kommt in diesen Projekten die Idee der Metamoderne oder Transmoderne zum Ausdruck?

HIK: Für mich sind diese Vorhaben lebendige Beispiele für metamoderne, transmoderne Projekte: Raus aus den Boxen, aus den limitierten Kategorien! Verbindungen wahrnehmen und untersuchen. Wenn wir beispielsweise vom Körper sprechen, kann ich die biologische, philosophische, spirituelle und wissenschaftliche Wahrnehmung berücksichtigen, die alle koexistieren, aber oft nicht miteinander in Verbindung gebracht werden. Wenn wir diese Bereiche zusammenbringen, entsteht als Mehrwert eine Explosion von Bedeutung. Da zeigt sich die Magie.

Author:
Mike Kauschke
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