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Über das Buch „Anthroposophische Spiritualität“ von Jens Heisterkamp
Es geht nicht um Waldorfpädagogik, nicht um Demeter-Landwirtschaft oder Ethikbanken: Jens Heisterkamps Buch über die anthroposophische Spiritualität zeigt die Anthroposophie vor allem als eine moderne, europäische Schule der Spiritualität.
Als Chefredakteur der Zeitschrift info3 ist es Jens Heisterkamp ein Anliegen, die Anthroposophie zu entstauben, um sie mit Ansätzen eines modernen spirituellen Denkens und Lebens ins Gespräch zu bringen. Er sucht den Dialog mit einer breiten aufgeschlossenen Öffentlichkeit. Eine moderne, sich dem Dialog öffnende Anthroposophie, so seine Überzeugung, ist auch für Nicht-Anthroposophen eine große Bereicherung. Eine der großen Stärken seines neuen Buches „Anthroposophische Spiritualität“ ist der sachliche, ruhige Ton. Man folgt lesend Denkbewegungen, die einen nachdenklichen und empfindsamen Geist zeigen, der das Werk Rudolf Steiners einem breiten Leserkreis vorstellen möchte.
Der Rudolf Steiner, der uns hier als Gründer der Anthroposophie begegnet, ist ein Mensch, der tief vom Dichter und und Wissenschaftler Johann Wolfgang von Goethe geprägt ist und ganz in der Tradition der deutschen idealistischen Philosophie steht. Die esoterische Seite Steiner steht weniger im Blickfeld dieses Buches. Wenn Heisterkamp Rudolf Steiners Engelhierarchien und seine Ausführungen über„höhere Wesen“ anspricht, dann sieht er dies eher als „äußerst bildreiche Erzählungen“, die Steiner verwendet, um seine spirituellen Einsichten in Sprache zu bringen. Auch Steiners später doch sehr theosophisch geprägte Sprache wird in diesem Buch immer wieder im Lichte des philosophisch reflektierenden Rudolf Steiner verstanden – ein großer Mystiker, dessen tiefe Einsichten neben Goethe auch Friedrich Wilhelm Schelling oder Johann Gottlieb Fichte verpflichtet bleiben. „Mystik und Denken“ wäre für dieses Buch auch ein möglicher Titel gewesen. Denn es ist eine Besonderheit von Steiners Spiritualität, dass er ganz anders als andere spirituelle Richtungen im Denken kein Hindernis sieht. Ganz im Gegenteil: Für ihn ist unser Denken ein eigenständiger mystischer Weg. Das klingt vielleicht eigenartig. Es trifft sich nicht mit vielen geläufigen Vorstellungen, dass wir „vom Kopf ins Herz und in den Bauch“ kommen müssen. Für Heisterkamp ist diese Mystik des Denkens aber Steiners zentraler Beitrag für unsere heutige Zeit. Vielleicht könnte man ihre grundlegende Einsicht einfach so bezeichnen: Denken verbindet. Er schreibt: „Von einem Gedanken, einer Idee erfüllt zu sein bedeutet, einen allgemeingültigen, über meine jeweilige subjektive Befindlichkeit hinausreichenden Inhalt einzusehen.“ Es liegt in der Kraft der Vernunft auf etwas zu zeigen, was eben nicht getrennt und subjektiv ist, sondern allgemeine Gültigkeit anstrebt. Nicht Bauchgefühle, sondern klares, lebendiges Denken wird hier zum Inhalt unserer spirituellen Praxis.
„Nicht ich denke Gedanken, sondern ich bewege mich denkend im Weben des Denkens.“ Jens Heisterkamp
Oft missverstehen wir auch das Denken und meinen damit unsere instrumentelle und mechanische Rationalität. Aber Denken kann viel mehr: Man kann es als einen eigenständigen lebendigen Organismus verstehen. „Nicht ich denke Gedanken, sondern ich bewege mich denkend im (organischen) Weben des Denkens“, erläutert Heisterkamp. Lebendiges Denken wird so selbst zu einer fundamentalen Erfahrung der Ungetrenntheit von der Welt und anderen Menschen. Aber Heisterkamp geht hier mit Rudolf Steiner noch einen Schritt weiter und verbindet Denken mit Mystik. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit von den vordergründigen Inhalten unseres Denkens auf die Erfahrung des Denkprozesses selbst verlagern, ist es möglich, ein reines Bewusstsein zu erfahren, das all unsere Denkvorgänge trägt. Hier wird Denken selbst zur Meditation. Das erinnert an das Zeugenbewusstsein, das Zentrum und Ziel vieler östlicher spiritueller Praktiken. Der Fokus auf ein lebendiges Denken durchzieht das ganze Buch. Wahrscheinlich würden andere Anthroposophen einen anderen Schwerpunkt setzen, wenn sie über Rudolf Steiner und seine Spiritualität schreiben. Vielleicht ginge es mehr um dessen visionäre Schau geistiger höherer Welten. Viele praktische Anweisungen von Steiner z. B. für den biologisch-dynamischen Landbau oder für die anthroposophische Medizin kommen ja direkt aus diesen visionären Innenschauen. Auch andere traditionelle und moderne spirituelle Schulen würden dem Denken eine andere Rolle geben. Sie würden es der spirituellen Erfahrung unterordnen. Heisterkamp tut das nicht. Er beschreibt einen Rudolf Steiner, der einen eigenen, ganz europäischen spirituellen Weg beschreitet. So befreit er Steiner von seiner theosophischen Sprache, um die Grundlagen seiner eigenen Spiritualität neu herauszustellen. Und: Heisterkamp sucht den Dialog. Steiners Vorstellung von der erlebten „Voraussetzungslosigkeit“ unseres Denkens bringt er mit der buddhistischen Vorstellungen über die „Leere“ in Beziehung. Er zeigt, wie Steiners evolutionäres Denken Parallelen beim katholischen Philosophen Teilhard de Chardin oder dem indischen Lehrer und Visionär Sri Aurobindo findet. Er zeigt Berührungspunkte mit Jean Piagets Entwicklungspsychologie oder Jean Gebsers Entwicklungsphilosophie, aber auch dem integralen Denken Ken Wilbers oder Martin Heidegger Seinsphilosophie. Eine ähnliche Bedeutung wie das Denken besitzt für Steiner das Individuum. Heisterkamp argumentiert leidenschaftlich für diese entscheidende Rolle unserer Individualität in der anthroposophischen Spiritualität. Fast erfährt man es als Gegenthese zu spirituellen östlichen Traditionen, deren Betonung darauf liegt, das Ego überwinden. Jens Heisterkamp zeigt die tiefe spirituelle Bedeutung, die darin liegt, dass die kosmische Evolution den Menschen mit seiner Individualität hervorgebracht hat. Genau diese spirituelle Bedeutung unserer Individualität, lässt ihn auch darüber nachdenken, ob diese Individualität sich vielleicht nicht mit dem Tod in Nichts auflöst, sondern sich immer wieder lernend in der Evolution neu verkörpert. Aber die Betonung unseres Ich wird nicht im unüberwindlichen Gegensatz zu z. B. östlichen Formen der Spiritualität dargestellt. Etwas ganz anderes wird sichtbar – ein gemeinsamer menschlicher Lernprozess, in der buddhistische Leere und anthroposophische Individualität Teil einer gemeinsamen spirituellen Lerngeschichte werden. Genauso sieht Jens Heisterkamp auch die Zukunft der Anthroposophie als einen offenen europäischen Beitrag zu einem großen weltweiten Dialog über die Zukunft der Spiritualität.
Author:
Dr. Thomas Steininger
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