Sichtbar gemachte Energie
Diese Ausgabe von evolve konnten wir mit Arbeiten von Eva Dahn-Rubin gestalten. Wir sprachen mit ihr über die Beweggründe ihrer Kunst.
January 31, 2019
Dem Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck gelang 2006 mit seinem DDR-Drama »Das Leben der Anderen« ein internationaler Durchbruch. Ende 2018 kam nun sein neuester Film in die Kinos, der an die Biografie des Malers Gerhard Richter anknüpft. Auch »Werk ohne Autor« ist eingebettet in die hell-dunkle Geschichte Deutschlands, aber diesmal umgreift sie mehr als 40 Jahre und drei politische Systeme. NS-Verbrechen spielen ebenso eine Rolle wie die romantische Tradition (eine frühe Szene des Films zeigt eine Art Erleuchtungserlebnis des jungen Malers im rauschenden Eichbaum), es gibt Schuld und Verstrickung, aber auch die Transformation durch Kunst.
Der Protagonist des Films wird in die Welt der Malerei durch seine Tante eingeführt. Die Schattenseite ihrer genialischen Sensibilität ist eine psychische Auffälligkeit, wegen der sie ein Nazi-Arzt im Rahmen des Euthanasieprogramms eiskalt vergasen lässt. Ohne diese Zusammenhänge zu kennen, verliebt sich der Neffe nach dem Krieg an der Dresdner Kunsthochschule ausgerechnet in die schöne Tochter dieses Arztes, der durch einen Zufall der Verurteilung durch die Sowjets entkommen konnte. In Dresden durchläuft er eine Ausbildung unter den Vorzeichen des sozialistischen Realismus und genießt das Glück mit seiner Geliebten, die allerdings die Hüllen ein paar Mal zu häufig fallen lässt – das vielleicht einzige Manko des Films. Obwohl von seinem Professor geschätzt und gefördert, entzieht sich der Maler dessen ideologischen Gängelungen schließlich durch Flucht in den Westen, gemeinsam mit der Tochter des Arztes, die er mittlerweile geheiratet hat. An der berühmten Düsseldorfer Akademie lernt er nun das Gegenteil des anti-individualistischen Sozialismus in der damals angesagten Pop-Art kennen. Das Genre der Malerei gilt hier als »out«, dafür ist jeder ästhetische Ego-Trip erlaubt. In einer fast initiatorischen Begegnung mit dem – umwerfend gut gespielten – Joseph Beuys erfährt der junge Künstler aber: Lass dich nicht von äußeren Trends bestimmen, sondern lausche nach innen, wer du wahrhaft bist. Quälend lange Stunden verbringt er nun vor der unerträglich leer bleibenden Leinwand. Dann bringt ihn eine zufällige Konstellation in seinem Atelier auf die Spur. Er beginnt etwas von der schlimmen Beziehung zwischen seiner ermordeten Tante und dem Schwiegervater zu ahnen, gegen die hölzernen Fensterläden schlägt der Wind und wieder rauscht es in einem Baum. An ein willkürlich gewählt scheinendes Bild anknüpfend, übermalt es der Künstler, seine Materialität überziehend und gleichzeitig in eine neue, monochrom wirkende malerische Einheit transformierend. Genau so könnte der unverwechselbare Stil Gerhard Richters entstanden sein.
Donnersmarck offenbart, dass er Inspiration für ein reales geistiges Geschehen hält.
Henckel von Donnersmarck hat mit seinem Film gleich ein dreifaches Wagnis unternommen: Erstens ist »Werk ohne Autor« zwar angelehnt an die Biografie des vielleicht bedeutendsten deutschen Gegenwartsmalers, der Film will aber keine Biografie sein, sondern etwas durchaus Eigenes herausstellen – und das ist bei der Anlehnung an ein bekanntes Künstlerleben durchaus riskant. Zweitens liegt dieses Eigene darin, den inneren Durchbruch einer künstlerischen Grund-Inspiration zum Mittelpunkt der Handlung zu machen. Denn auf den Moment dieser werkprägenden Inspiration läuft alles zu. Auf ein solch subtiles und schwer zu verbildlichendes Geschehen zu setzen, ist ebenfalls riskant. Und drittens offenbart Henckel von Donnersmarck sowohl inhaltlich als auch durch die Bildsprache an zentralen Stellen, dass er Inspiration für ein reales geistiges Geschehen hält, dass er große Worte wie »Wahrheit« und »Schönheit« in diesem Zusammenhang nicht scheut, sie vielmehr für existenzielle und weltgestaltende Kräfte hält – das in unserer von Ironie geprägten Kultur vielleicht größte Wagnis. Der Einsatz des Regisseurs hat sich auf allen Ebenen gelohnt. Ein Film, der noch lange nachwirken und den man zu den bedeutenden zählen wird.