Sichtbar gemachte Energie
Diese Ausgabe von evolve konnten wir mit Arbeiten von Eva Dahn-Rubin gestalten. Wir sprachen mit ihr über die Beweggründe ihrer Kunst.
November 2, 2021
Inmitten der vielen Krisen, mit denen wir als globale Gesellschaft konfrontiert sind, suchen viele Menschen nach neuen Sinnhorizonten. Wie können wir ein schöpferisch-erfüllendes Leben führen und gleichzeitig eine sinngebende Antwort auf die großen Herausforderungen unserer Zeit finden? In seinem neuen Film porträtiert Valentin Thurn fünf Menschen, die auf je eigene Weise ihren Weg gefunden haben, um ihrem Traum von einer besseren Welt etwas näherzukommen.
Der Designer Van Bo Le-Mentzel möchte, dass Wohnraum für alle erschwinglich ist, und träumt von einem bedingungslosen Grundwohnen. Dabei setzt er auf Tiny Houses. Line Fuks möchte mit ihrer Familie nachhaltig leben und dass ihre Kinder aus eigenem Impuls lernen. Für dieses Experiment wohnt die Familie in der Wildnis in Portugal. Joy Lohmann ist Künstler und baut zusammen mit anderen Engagierten schwimmende Inseln aus Müll, die in der Not, z. B. bei Überschwemmungen, Menschen und Gegenstände retten können. Er hat die Makers for Humanity gegründet, mit denen er sich für einen gesellschaftlichen Transformationsprozess einsetzt. Carl Heinrich von Gablenz war im Vorstand des börsennotierten, aufstrebenden Unternehmens Cargolifter, das Luftschiffe und Ballons zum Schwerlasttransport bauen wollte. Trotz der Firmenpleite 2002 hält er an der Idee des umweltverträglichen Cargolifters fest und entwickelt ihn weiter. Günther Golob schließlich möchte mit einer Gruppe von Menschen auf den Mars ziehen und dort wohnen. Er hat sich bei dem Projekt Mars One beworben.
Der Spruch »Träum weiter!« ist doppeldeutig. Alle Protagonisten verbindet, dass sie ihre Träume in die Tat umsetzen. Sie träumen weiter, indem sie ihren Traum Schritt für Schritt leben. Manches erscheint jedoch beim Zuschauen so utopisch, dass auch die zweite Bedeutung durchscheint: Wird der gelebte Traum tatsächlich eine Wirkung für die Herausforderungen unserer Zeit haben oder bleibt es nur ein Traum, der sich nicht durchsetzen kann? Letzteres ist für die Protagonistinnen nicht wichtig. Sie folgen ihrem Traum auch durch Schwierigkeiten hindurch. Line Fuks und ihre Familie waren zwischendrin von einem der oft in Portugal im Sommer wütenden Waldbrände eingeschlossen und konnten ihr Leben nur mit Glück retten. Carl Heinrich von Gablenz entwickelt auch nach der Pleite des Großunternehmens die Idee des Lastenballons zu einem motorisierten Ballon weiter: Man kann damit den Luftraum nutzen, macht ihn aber nicht kaputt, wie mit dem Flugverkehr, so denkt Gablenz. Günther Golob hat vieles für seine Marsmission aufgegeben, wie zum Beispiel seine Arbeit in der Musikagentur, obwohl er noch in der Bewerbungsphase für die Mission ist und nicht weiß, ob er schließlich zu denen gehören wird, die mitmachen.
Allen gemeinsam ist, dass sie vertrauensvoll einer Spur folgen, die sich weiterentwickelt. »Mein Traum hat sich entwickelt, ich weiß nicht, wo er hinführt«, sagt Line Fuks. Die Protagonisten lernen auf dem Weg Dinge, die nicht gesellschaftlicher Mainstream sind. Joy Lohmann weiß, dass er beim Bau seiner schwimmenden Inseln kein Experte ist und gibt das offen zu. Die schwimmenden Inseln können nur in Zusammenarbeit mit anderen entstehen. Er und seine Makers for Humanity fühlen sich vom Ziel gezogen und die Arbeit geschieht häufig zusammen im Flow. Fuks hat entdeckt, dass sich die Kinder nur merken, was sie selbst entdecken. Die Aufgabe der Erwachsenen ist, sie dabei zu begleiten.
Der Filmemacher Valentin Thurn lässt die Porträtierten erzählen und reist mit ihnen an die Orte, wo sie ihre Träume verwirklichen. Verschiedene Filmsequenzen werden dabei von Sandmalerei gerahmt. Das Sandbild ist wunderschön und kann blitzschnell verändert werden, wie im Traum oder wie im dafür offenen flexibel gelebten Leben.
Als Zuschauerin bekommt man einen guten Eindruck davon, was es bedeutet, einen eigenen Traum zu leben. Man muss dafür aus dem »gesellschaftlichen Hamsterrad« aussteigen. Das entdeckte Van Bo Le-Mentzel, als er seinen gut bezahlten Job aufgab: »Man muss so viel, dass man seine eigenen Träume nicht finden kann.« Und – man muss immer weitergehen, auch wenn große Schwierigkeiten den Weg manchmal unmöglich erscheinen lassen: Träum weiter!